Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite




Zweiter Abschnitt,
Der Geschmak.


§. 1.
Das Gefühl an der Zunge.

Es verrichten diese ansenliche und nervige Zungen-
wärzchen, welche wir beschrieben haben, ein gedop-
peltes Geschäfte; sie besizzen nämlich ein schärferes
Gefühl, als die Finger selbst, da sie beständig angefeuchtet,
weich, und mit einer weichern Haut bezogen sind, und weil
sie grösser und kegelförmig sind, so stellen sie demjenigen
Körper, welchen sie berühren, eine grosse Fläche entgegen.
Aus dieser Ursache schmerzt die Zunge, wenn sie gereizt
und angegriffen wird, heftig, wie ich mich erinnere, sehr
lebhafte Schmerzen daran empfunden zu haben, als man
eine callöse Wunde an der Zunge mit Vitriol berührte,
da doch dieses Sauersalz an der Haut überhaupt nur eine
sehr mäßige Empfindung hervorbringt. Aus eben dieser
Ursache dauern auch die Schmerzen an der Zunge viel
länger, wiewohl die Wunden ohne Schwierigkeiten hei-
len (a), vielleicht weil sie beständig feucht ist.

§. 2.
Der Geschmak selbst.

Doch es hat die Zunge eine Eigenschaft voraus, die
der übrigen Haut fehlt. Sie empfindet nämlich von
einigen Körpern, die dazu geschikt sind, und sich an die
feuchte Wärzchen anschliessen, und flüßig, oder im Spei-
chel aufgelöst sind, auf mancherlei Weise, wovon die Haut

nichts
(a) [Spaltenumbruch] BAUSCH prooem. haemat.
pag.
52. Purmann Lorbeerkranz
pag. 68. SCHOUTEN Verwon-
[Spaltenumbruch] ders hoofd. p. 236. PALFYN
anat. chir. pag.
121.




Zweiter Abſchnitt,
Der Geſchmak.


§. 1.
Das Gefuͤhl an der Zunge.

Es verrichten dieſe anſenliche und nervige Zungen-
waͤrzchen, welche wir beſchrieben haben, ein gedop-
peltes Geſchaͤfte; ſie beſizzen naͤmlich ein ſchaͤrferes
Gefuͤhl, als die Finger ſelbſt, da ſie beſtaͤndig angefeuchtet,
weich, und mit einer weichern Haut bezogen ſind, und weil
ſie groͤſſer und kegelfoͤrmig ſind, ſo ſtellen ſie demjenigen
Koͤrper, welchen ſie beruͤhren, eine groſſe Flaͤche entgegen.
Aus dieſer Urſache ſchmerzt die Zunge, wenn ſie gereizt
und angegriffen wird, heftig, wie ich mich erinnere, ſehr
lebhafte Schmerzen daran empfunden zu haben, als man
eine calloͤſe Wunde an der Zunge mit Vitriol beruͤhrte,
da doch dieſes Sauerſalz an der Haut uͤberhaupt nur eine
ſehr maͤßige Empfindung hervorbringt. Aus eben dieſer
Urſache dauern auch die Schmerzen an der Zunge viel
laͤnger, wiewohl die Wunden ohne Schwierigkeiten hei-
len (a), vielleicht weil ſie beſtaͤndig feucht iſt.

§. 2.
Der Geſchmak ſelbſt.

Doch es hat die Zunge eine Eigenſchaft voraus, die
der uͤbrigen Haut fehlt. Sie empfindet naͤmlich von
einigen Koͤrpern, die dazu geſchikt ſind, und ſich an die
feuchte Waͤrzchen anſchlieſſen, und fluͤßig, oder im Spei-
chel aufgeloͤſt ſind, auf mancherlei Weiſe, wovon die Haut

nichts
(a) [Spaltenumbruch] BAUSCH proœm. hæmat.
pag.
52. Purmann Lorbeerkranz
pag. 68. SCHOUTEN Verwon-
[Spaltenumbruch] ders hoofd. p. 236. PALFYN
anat. chir. pag.
121.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0429" n="411"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Zweiter Ab&#x017F;chnitt,<lb/>
Der Ge&#x017F;chmak.</hi> </hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">§. 1.<lb/><hi rendition="#g">Das Gefu&#x0364;hl an der Zunge.</hi></hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">E</hi>s verrichten die&#x017F;e an&#x017F;enliche und nervige Zungen-<lb/>
wa&#x0364;rzchen, welche wir be&#x017F;chrieben haben, ein gedop-<lb/>
peltes Ge&#x017F;cha&#x0364;fte; &#x017F;ie be&#x017F;izzen na&#x0364;mlich ein &#x017F;cha&#x0364;rferes<lb/>
Gefu&#x0364;hl, als die Finger &#x017F;elb&#x017F;t, da &#x017F;ie be&#x017F;ta&#x0364;ndig angefeuchtet,<lb/>
weich, und mit einer weichern Haut bezogen &#x017F;ind, und weil<lb/>
&#x017F;ie gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er und kegelfo&#x0364;rmig &#x017F;ind, &#x017F;o &#x017F;tellen &#x017F;ie demjenigen<lb/>
Ko&#x0364;rper, welchen &#x017F;ie beru&#x0364;hren, eine gro&#x017F;&#x017F;e Fla&#x0364;che entgegen.<lb/>
Aus die&#x017F;er Ur&#x017F;ache &#x017F;chmerzt die Zunge, wenn &#x017F;ie gereizt<lb/>
und angegriffen wird, heftig, wie ich mich erinnere, &#x017F;ehr<lb/>
lebhafte Schmerzen daran empfunden zu haben, als man<lb/>
eine callo&#x0364;&#x017F;e Wunde an der Zunge mit Vitriol beru&#x0364;hrte,<lb/>
da doch die&#x017F;es Sauer&#x017F;alz an der Haut u&#x0364;berhaupt nur eine<lb/>
&#x017F;ehr ma&#x0364;ßige Empfindung hervorbringt. Aus eben die&#x017F;er<lb/>
Ur&#x017F;ache dauern auch die Schmerzen an der Zunge viel<lb/>
la&#x0364;nger, wiewohl die Wunden ohne Schwierigkeiten hei-<lb/>
len <note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BAUSCH</hi> pro&#x0153;m. hæmat.<lb/>
pag.</hi> 52. <hi rendition="#fr">Purmann</hi> Lorbeerkranz<lb/><hi rendition="#aq">pag. 68. SCHOUTEN Verwon-<lb/><cb/>
ders hoofd. p. 236. <hi rendition="#g">PALFYN</hi><lb/>
anat. chir. pag.</hi> 121.</note>, vielleicht weil &#x017F;ie be&#x017F;ta&#x0364;ndig feucht i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">§. 2.<lb/>
Der Ge&#x017F;chmak &#x017F;elb&#x017F;t.</hi> </head><lb/>
            <p>Doch es hat die Zunge eine Eigen&#x017F;chaft voraus, die<lb/>
der u&#x0364;brigen Haut fehlt. Sie empfindet na&#x0364;mlich von<lb/>
einigen Ko&#x0364;rpern, die dazu ge&#x017F;chikt &#x017F;ind, und &#x017F;ich an die<lb/>
feuchte Wa&#x0364;rzchen an&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, und flu&#x0364;ßig, oder im Spei-<lb/>
chel aufgelo&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ind, auf mancherlei Wei&#x017F;e, wovon die Haut<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nichts</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0429] Zweiter Abſchnitt, Der Geſchmak. §. 1. Das Gefuͤhl an der Zunge. Es verrichten dieſe anſenliche und nervige Zungen- waͤrzchen, welche wir beſchrieben haben, ein gedop- peltes Geſchaͤfte; ſie beſizzen naͤmlich ein ſchaͤrferes Gefuͤhl, als die Finger ſelbſt, da ſie beſtaͤndig angefeuchtet, weich, und mit einer weichern Haut bezogen ſind, und weil ſie groͤſſer und kegelfoͤrmig ſind, ſo ſtellen ſie demjenigen Koͤrper, welchen ſie beruͤhren, eine groſſe Flaͤche entgegen. Aus dieſer Urſache ſchmerzt die Zunge, wenn ſie gereizt und angegriffen wird, heftig, wie ich mich erinnere, ſehr lebhafte Schmerzen daran empfunden zu haben, als man eine calloͤſe Wunde an der Zunge mit Vitriol beruͤhrte, da doch dieſes Sauerſalz an der Haut uͤberhaupt nur eine ſehr maͤßige Empfindung hervorbringt. Aus eben dieſer Urſache dauern auch die Schmerzen an der Zunge viel laͤnger, wiewohl die Wunden ohne Schwierigkeiten hei- len (a), vielleicht weil ſie beſtaͤndig feucht iſt. §. 2. Der Geſchmak ſelbſt. Doch es hat die Zunge eine Eigenſchaft voraus, die der uͤbrigen Haut fehlt. Sie empfindet naͤmlich von einigen Koͤrpern, die dazu geſchikt ſind, und ſich an die feuchte Waͤrzchen anſchlieſſen, und fluͤßig, oder im Spei- chel aufgeloͤſt ſind, auf mancherlei Weiſe, wovon die Haut nichts (a) BAUSCH proœm. hæmat. pag. 52. Purmann Lorbeerkranz pag. 68. SCHOUTEN Verwon- ders hoofd. p. 236. PALFYN anat. chir. pag. 121.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/429
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/429>, abgerufen am 25.11.2024.