Jndessen ist es doch warscheinlich, daß auch alsdenn noch eine geheime Verkürzungskraft rükkständig sei, wel- che sich künftig äussern kann, wofern man die Hindernisse aus dem Wege zu räumen vermag, welche dem Berüren der Grundstoffe hinderlich sind. Wir kennen nämlich kein körperliches Wesen, welches nicht seine Poros und Räume zwischen den Grundstoffen hätte, durch welche sich die Grundstoffe einander nähern können.
§. 2. Jn welchen Theilen diese Verkürzungskraft angetroffen werde.
Vielleicht ist kein einziger Theil im menschlichen Kör- per von dieser Gewalt völlig ausgeschlossen. Sie offen- baret sich indessen am deutlichsten an den Muskeln, und nächst diesen an den Membranen, an der Ribbenhaut, dem Knochenhäutchen, dem Mittelfelle, wie auch an den Sehnen, Bändern, und am Zellgewebe. Wenn sie ja mangelt, so mangelt sie den ungemein weichen Theilen, dergleichen das Mark, die Markrinde im Gehirne, oder das Nezhäutchen im Auge ist; oder sie felet auch den ganz harten Theilen, als den Knochen und Zähnen.
Alle die Theile, welche sich wieder zusammenziehen, geben alle nach, wenn man sie durch Gewichter ausdehnt, sie werden länger, behalten aber immer noch das Bestre- ben, sich, sobald sie können, wieder in ihre erste Kürze zurükke zu ziehen. Man kann leicht begreifen, daß ver- schiedne Theile auch eine verschiedne Stärke besizzen. Un- ter allen scheinen die Muskeln darunter die schwächsten zu sein, und diesen folgen die Muskelnstreifen an der Mem- bran oder Harnblase, am Magen, welche doch an den Schlagadern noch etwas härter sind (k*). Stärker sind
die
(k*)[Spaltenumbruch]Physiolog. die ohnlängst in holländischer Sprache heraus- gekommen, und mir viel zu spät [Spaltenumbruch]
zu Händen gekommen, als ein kur- zer Begriff der albinischen Vor- lesungen. p. 384.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
Jndeſſen iſt es doch warſcheinlich, daß auch alsdenn noch eine geheime Verkuͤrzungskraft ruͤkkſtaͤndig ſei, wel- che ſich kuͤnftig aͤuſſern kann, wofern man die Hinderniſſe aus dem Wege zu raͤumen vermag, welche dem Beruͤren der Grundſtoffe hinderlich ſind. Wir kennen naͤmlich kein koͤrperliches Weſen, welches nicht ſeine Poros und Raͤume zwiſchen den Grundſtoffen haͤtte, durch welche ſich die Grundſtoffe einander naͤhern koͤnnen.
Vielleicht iſt kein einziger Theil im menſchlichen Koͤr- per von dieſer Gewalt voͤllig ausgeſchloſſen. Sie offen- baret ſich indeſſen am deutlichſten an den Muskeln, und naͤchſt dieſen an den Membranen, an der Ribbenhaut, dem Knochenhaͤutchen, dem Mittelfelle, wie auch an den Sehnen, Baͤndern, und am Zellgewebe. Wenn ſie ja mangelt, ſo mangelt ſie den ungemein weichen Theilen, dergleichen das Mark, die Markrinde im Gehirne, oder das Nezhaͤutchen im Auge iſt; oder ſie felet auch den ganz harten Theilen, als den Knochen und Zaͤhnen.
Alle die Theile, welche ſich wieder zuſammenziehen, geben alle nach, wenn man ſie durch Gewichter ausdehnt, ſie werden laͤnger, behalten aber immer noch das Beſtre- ben, ſich, ſobald ſie koͤnnen, wieder in ihre erſte Kuͤrze zuruͤkke zu ziehen. Man kann leicht begreifen, daß ver- ſchiedne Theile auch eine verſchiedne Staͤrke beſizzen. Un- ter allen ſcheinen die Muskeln darunter die ſchwaͤchſten zu ſein, und dieſen folgen die Muſkelnſtreifen an der Mem- bran oder Harnblaſe, am Magen, welche doch an den Schlagadern noch etwas haͤrter ſind (k*). Staͤrker ſind
die
(k*)[Spaltenumbruch]Phyſiolog. die ohnlaͤngſt in hollaͤndiſcher Sprache heraus- gekommen, und mir viel zu ſpaͤt [Spaltenumbruch]
zu Haͤnden gekommen, als ein kur- zer Begriff der albiniſchen Vor- leſungen. p. 384.
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Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
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che ſich kuͤnftig aͤuſſern kann, wofern man die Hinderniſſe
aus dem Wege zu raͤumen vermag, welche dem Beruͤren
der Grundſtoffe hinderlich ſind. Wir kennen naͤmlich
kein koͤrperliches Weſen, welches nicht ſeine Poros und
Raͤume zwiſchen den Grundſtoffen haͤtte, durch welche ſich
die Grundſtoffe einander naͤhern koͤnnen.
§. 2.
Jn welchen Theilen dieſe Verkuͤrzungskraft
angetroffen werde.
Vielleicht iſt kein einziger Theil im menſchlichen Koͤr-
per von dieſer Gewalt voͤllig ausgeſchloſſen. Sie offen-
baret ſich indeſſen am deutlichſten an den Muskeln, und
naͤchſt dieſen an den Membranen, an der Ribbenhaut,
dem Knochenhaͤutchen, dem Mittelfelle, wie auch an den
Sehnen, Baͤndern, und am Zellgewebe. Wenn ſie ja
mangelt, ſo mangelt ſie den ungemein weichen Theilen,
dergleichen das Mark, die Markrinde im Gehirne, oder
das Nezhaͤutchen im Auge iſt; oder ſie felet auch den
ganz harten Theilen, als den Knochen und Zaͤhnen.
Alle die Theile, welche ſich wieder zuſammenziehen,
geben alle nach, wenn man ſie durch Gewichter ausdehnt,
ſie werden laͤnger, behalten aber immer noch das Beſtre-
ben, ſich, ſobald ſie koͤnnen, wieder in ihre erſte Kuͤrze
zuruͤkke zu ziehen. Man kann leicht begreifen, daß ver-
ſchiedne Theile auch eine verſchiedne Staͤrke beſizzen. Un-
ter allen ſcheinen die Muskeln darunter die ſchwaͤchſten zu
ſein, und dieſen folgen die Muſkelnſtreifen an der Mem-
bran oder Harnblaſe, am Magen, welche doch an den
Schlagadern noch etwas haͤrter ſind (k*). Staͤrker ſind
die
(k*)
Phyſiolog. die ohnlaͤngſt
in hollaͤndiſcher Sprache heraus-
gekommen, und mir viel zu ſpaͤt
zu Haͤnden gekommen, als ein kur-
zer Begriff der albiniſchen Vor-
leſungen. p. 384.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/22>, abgerufen am 23.11.2024.
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