Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Thierische Bewegung. XI. Buch.
vertragen, oder auch den reifen Saamen auswerfen: alle
diese so verschiedne Bewegungen, welche zu einerlei Zeit,
nach ihrem verschiednen Gebrauche, aufgefordert werden,
entstehen, ohne daß man auf die Seele Verdacht werfen
kann (c), und wir haben dieses hier wiederholt, weil wir
es vor nötig finden.

Wenn ich nun die Seele einiger maßen kenne, und
von der Ursache einen Begriff habe, so scheint die Seele
keine Ursache von einer solchen Bewegung zu sein, von der
sie weder die Jnstrumenten, noch das Maas im geringsten
kennt, die sie vorher nie gebraucht, und dennoch jezzt zu
gebrauchen weis, die unzälbar sind, dennoch aber alle zu-
gleich, und auf einmal, wiewohl nach höchst verschiednen
Maaßen, wirken.

Folglich scheint mir diejenige Meinung der Warheit
am nächsten zu kommen, nach der nicht von dem Einflusse
der Seele in den Körper die Entelechia, oder wirksame
Ursache der neuen Bewegung herrührt, sondern in den
Nerven und Muskeln, nach dem Willen der Seele, der-
gleichen Bewegung entsteht, welche erfordert wird, um die
Befele der Seele auszurichten. Wie dieses Gesezze aber
beschaffen, und ob dieses eine neue Bewegung sei, welche
aus dem Willen entspringt, ob dieses eine Bewegung eines
von andern Orten her beweglichen Elements sei, welches
sich, blos zur Bewegung des Muskels, anhäuft, davon
gestehe ich, daß ich nicht das geringste weis. Wir sehen
die Folge von der Bewegung, nämlich die Versezzung der
Körper an andre Oerter, vor uns, ob wir gleich die Natur
der Bewegung nicht verstehen.

§. 30.
Die Ursache von der Erschlaffung des Muskels.

Wie es dem Muskel wesentlich ist, sich zusammen zu
ziehen, so ist es ihm noch viel natürlicher, schlaff zu wer-

den
(c) pag. 531.

Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
vertragen, oder auch den reifen Saamen auswerfen: alle
dieſe ſo verſchiedne Bewegungen, welche zu einerlei Zeit,
nach ihrem verſchiednen Gebrauche, aufgefordert werden,
entſtehen, ohne daß man auf die Seele Verdacht werfen
kann (c), und wir haben dieſes hier wiederholt, weil wir
es vor noͤtig finden.

Wenn ich nun die Seele einiger maßen kenne, und
von der Urſache einen Begriff habe, ſo ſcheint die Seele
keine Urſache von einer ſolchen Bewegung zu ſein, von der
ſie weder die Jnſtrumenten, noch das Maas im geringſten
kennt, die ſie vorher nie gebraucht, und dennoch jezzt zu
gebrauchen weis, die unzaͤlbar ſind, dennoch aber alle zu-
gleich, und auf einmal, wiewohl nach hoͤchſt verſchiednen
Maaßen, wirken.

Folglich ſcheint mir diejenige Meinung der Warheit
am naͤchſten zu kommen, nach der nicht von dem Einfluſſe
der Seele in den Koͤrper die Entelechia, oder wirkſame
Urſache der neuen Bewegung herruͤhrt, ſondern in den
Nerven und Muſkeln, nach dem Willen der Seele, der-
gleichen Bewegung entſteht, welche erfordert wird, um die
Befele der Seele auszurichten. Wie dieſes Geſezze aber
beſchaffen, und ob dieſes eine neue Bewegung ſei, welche
aus dem Willen entſpringt, ob dieſes eine Bewegung eines
von andern Orten her beweglichen Elements ſei, welches
ſich, blos zur Bewegung des Muſkels, anhaͤuft, davon
geſtehe ich, daß ich nicht das geringſte weis. Wir ſehen
die Folge von der Bewegung, naͤmlich die Verſezzung der
Koͤrper an andre Oerter, vor uns, ob wir gleich die Natur
der Bewegung nicht verſtehen.

§. 30.
Die Urſache von der Erſchlaffung des Muſkels.

Wie es dem Muſkel weſentlich iſt, ſich zuſammen zu
ziehen, ſo iſt es ihm noch viel natuͤrlicher, ſchlaff zu wer-

den
(c) pag. 531.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="194"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Thieri&#x017F;che Bewegung. <hi rendition="#aq">XI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
vertragen, oder auch den reifen Saamen auswerfen: alle<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;o ver&#x017F;chiedne Bewegungen, welche zu einerlei Zeit,<lb/>
nach ihrem ver&#x017F;chiednen Gebrauche, aufgefordert werden,<lb/>
ent&#x017F;tehen, ohne daß man auf die Seele Verdacht werfen<lb/>
kann <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 531.</note>, und wir haben die&#x017F;es hier wiederholt, weil wir<lb/>
es vor no&#x0364;tig finden.</p><lb/>
          <p>Wenn ich nun die Seele einiger maßen kenne, und<lb/>
von der Ur&#x017F;ache einen Begriff habe, &#x017F;o &#x017F;cheint die Seele<lb/>
keine Ur&#x017F;ache von einer &#x017F;olchen Bewegung zu &#x017F;ein, von der<lb/>
&#x017F;ie weder die Jn&#x017F;trumenten, noch das Maas im gering&#x017F;ten<lb/>
kennt, die &#x017F;ie vorher nie gebraucht, und dennoch jezzt zu<lb/>
gebrauchen weis, die unza&#x0364;lbar &#x017F;ind, dennoch aber alle zu-<lb/>
gleich, und auf einmal, wiewohl nach ho&#x0364;ch&#x017F;t ver&#x017F;chiednen<lb/>
Maaßen, wirken.</p><lb/>
          <p>Folglich &#x017F;cheint mir diejenige Meinung der Warheit<lb/>
am na&#x0364;ch&#x017F;ten zu kommen, nach der nicht von dem Einflu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Seele in den Ko&#x0364;rper die Entelechia, oder wirk&#x017F;ame<lb/>
Ur&#x017F;ache der neuen Bewegung herru&#x0364;hrt, &#x017F;ondern in den<lb/>
Nerven und Mu&#x017F;keln, nach dem Willen der Seele, der-<lb/>
gleichen Bewegung ent&#x017F;teht, welche erfordert wird, um die<lb/>
Befele der Seele auszurichten. Wie die&#x017F;es Ge&#x017F;ezze aber<lb/>
be&#x017F;chaffen, und ob die&#x017F;es eine neue Bewegung &#x017F;ei, welche<lb/>
aus dem Willen ent&#x017F;pringt, ob die&#x017F;es eine Bewegung eines<lb/>
von andern Orten her beweglichen Elements &#x017F;ei, welches<lb/>
&#x017F;ich, blos zur Bewegung des Mu&#x017F;kels, anha&#x0364;uft, davon<lb/>
ge&#x017F;tehe ich, daß ich nicht das gering&#x017F;te weis. Wir &#x017F;ehen<lb/>
die Folge von der Bewegung, na&#x0364;mlich die Ver&#x017F;ezzung der<lb/>
Ko&#x0364;rper an andre Oerter, vor uns, ob wir gleich die Natur<lb/>
der Bewegung nicht ver&#x017F;tehen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 30.<lb/><hi rendition="#b">Die Ur&#x017F;ache von der Er&#x017F;chlaffung des Mu&#x017F;kels.</hi></head><lb/>
          <p>Wie es dem Mu&#x017F;kel we&#x017F;entlich i&#x017F;t, &#x017F;ich zu&#x017F;ammen zu<lb/>
ziehen, &#x017F;o i&#x017F;t es ihm noch viel natu&#x0364;rlicher, &#x017F;chlaff zu wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0212] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. vertragen, oder auch den reifen Saamen auswerfen: alle dieſe ſo verſchiedne Bewegungen, welche zu einerlei Zeit, nach ihrem verſchiednen Gebrauche, aufgefordert werden, entſtehen, ohne daß man auf die Seele Verdacht werfen kann (c), und wir haben dieſes hier wiederholt, weil wir es vor noͤtig finden. Wenn ich nun die Seele einiger maßen kenne, und von der Urſache einen Begriff habe, ſo ſcheint die Seele keine Urſache von einer ſolchen Bewegung zu ſein, von der ſie weder die Jnſtrumenten, noch das Maas im geringſten kennt, die ſie vorher nie gebraucht, und dennoch jezzt zu gebrauchen weis, die unzaͤlbar ſind, dennoch aber alle zu- gleich, und auf einmal, wiewohl nach hoͤchſt verſchiednen Maaßen, wirken. Folglich ſcheint mir diejenige Meinung der Warheit am naͤchſten zu kommen, nach der nicht von dem Einfluſſe der Seele in den Koͤrper die Entelechia, oder wirkſame Urſache der neuen Bewegung herruͤhrt, ſondern in den Nerven und Muſkeln, nach dem Willen der Seele, der- gleichen Bewegung entſteht, welche erfordert wird, um die Befele der Seele auszurichten. Wie dieſes Geſezze aber beſchaffen, und ob dieſes eine neue Bewegung ſei, welche aus dem Willen entſpringt, ob dieſes eine Bewegung eines von andern Orten her beweglichen Elements ſei, welches ſich, blos zur Bewegung des Muſkels, anhaͤuft, davon geſtehe ich, daß ich nicht das geringſte weis. Wir ſehen die Folge von der Bewegung, naͤmlich die Verſezzung der Koͤrper an andre Oerter, vor uns, ob wir gleich die Natur der Bewegung nicht verſtehen. §. 30. Die Urſache von der Erſchlaffung des Muſkels. Wie es dem Muſkel weſentlich iſt, ſich zuſammen zu ziehen, ſo iſt es ihm noch viel natuͤrlicher, ſchlaff zu wer- den (c) pag. 531.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/212
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/212>, abgerufen am 25.11.2024.