tier(c) diesen Versuch zur Erklärung der Muskelbewe- gung angewandt. Es begegnet zugleich der scharfsinnige Mann einem Einwurfe, welchen man gegen diese Thätig- keit einer gedrehten Faser, von der Langsamkeit ihrer Be- wegung herzunehmen pflegt. Er fand nämlich, daß war- mes Wasser ein Strikk besser verkürze, und daß ein Seil mit kaltem Wasser besprengt, acht Zoll (d), mit heissem hingegen zween Fus kürzer werde; folglich könne die Wär- me des Blutes, wenn dieses eine Faser anfeuchtet (e), die Bewegung schneller machen.
Doch wenn gleich die Hizze eines siedenden Wassers, die doch gewis grösser ist, als die Wärme im Blute, das Seil etwas mehr verkürzen kann, so ist doch dieser Vorteil gegen die unglaubliche Geschwindigkeit nichts, mit der die Muskeln spielen. Denn da das Wasser, kraft der An- ziehung in das Seil eindringt, und in die Höhe steigt, wie es überhaupt zwischen zwo Glasplatten in die Höhe steigt, oder im Zukker eindringt, so kann dieses niemals anders, als langsam geschehen, weil die Wege verdreht und verwikkelt sind, durch welche sich das Wasser hindurch zieht, und selbiges nicht ehe die Anziehungskräfte eines festen Grundstoffes empfindet, als bis es demselben ganz nahe kömmt, oder ihn berührt. Man betrachte nur, wie langsam das Wasser in eine zollhohe Piramide von Zuk- ker, und in ein zolllanges Strikk eindringe. Jndem das Wasser nun diesen Raum zurükke legt, so durchläuft die be- wegende Kraft der Muskeln tausend Fus und drüber (f).
Es dringt aber Wasser geschwinder ein, wenn Kör- per, von denen es angezogen wird, trokken sind, und schwerlich, wenn solche feuchte sind. Es sind aber unsre Fasern allezeit in einem feuchten Zustande.
End-
(c)[Spaltenumbruch]pag. 282. 285. 287. 288.
(d)pag. 287. 288.
(e)[Spaltenumbruch]pag. 543.
(f)pag. 483.
H. Phisiol. 5. B. M
III. Abſchnitt. Urſachen.
tier(c) dieſen Verſuch zur Erklaͤrung der Muſkelbewe- gung angewandt. Es begegnet zugleich der ſcharfſinnige Mann einem Einwurfe, welchen man gegen dieſe Thaͤtig- keit einer gedrehten Faſer, von der Langſamkeit ihrer Be- wegung herzunehmen pflegt. Er fand naͤmlich, daß war- mes Waſſer ein Strikk beſſer verkuͤrze, und daß ein Seil mit kaltem Waſſer beſprengt, acht Zoll (d), mit heiſſem hingegen zween Fus kuͤrzer werde; folglich koͤnne die Waͤr- me des Blutes, wenn dieſes eine Faſer anfeuchtet (e), die Bewegung ſchneller machen.
Doch wenn gleich die Hizze eines ſiedenden Waſſers, die doch gewis groͤſſer iſt, als die Waͤrme im Blute, das Seil etwas mehr verkuͤrzen kann, ſo iſt doch dieſer Vorteil gegen die unglaubliche Geſchwindigkeit nichts, mit der die Muſkeln ſpielen. Denn da das Waſſer, kraft der An- ziehung in das Seil eindringt, und in die Hoͤhe ſteigt, wie es uͤberhaupt zwiſchen zwo Glasplatten in die Hoͤhe ſteigt, oder im Zukker eindringt, ſo kann dieſes niemals anders, als langſam geſchehen, weil die Wege verdreht und verwikkelt ſind, durch welche ſich das Waſſer hindurch zieht, und ſelbiges nicht ehe die Anziehungskraͤfte eines feſten Grundſtoffes empfindet, als bis es demſelben ganz nahe koͤmmt, oder ihn beruͤhrt. Man betrachte nur, wie langſam das Waſſer in eine zollhohe Piramide von Zuk- ker, und in ein zolllanges Strikk eindringe. Jndem das Waſſer nun dieſen Raum zuruͤkke legt, ſo durchlaͤuft die be- wegende Kraft der Muſkeln tauſend Fus und druͤber (f).
Es dringt aber Waſſer geſchwinder ein, wenn Koͤr- per, von denen es angezogen wird, trokken ſind, und ſchwerlich, wenn ſolche feuchte ſind. Es ſind aber unſre Faſern allezeit in einem feuchten Zuſtande.
End-
(c)[Spaltenumbruch]pag. 282. 285. 287. 288.
(d)pag. 287. 288.
(e)[Spaltenumbruch]pag. 543.
(f)pag. 483.
H. Phiſiol. 5. B. M
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III. Abſchnitt. Urſachen.
tier (c) dieſen Verſuch zur Erklaͤrung der Muſkelbewe-
gung angewandt. Es begegnet zugleich der ſcharfſinnige
Mann einem Einwurfe, welchen man gegen dieſe Thaͤtig-
keit einer gedrehten Faſer, von der Langſamkeit ihrer Be-
wegung herzunehmen pflegt. Er fand naͤmlich, daß war-
mes Waſſer ein Strikk beſſer verkuͤrze, und daß ein Seil
mit kaltem Waſſer beſprengt, acht Zoll (d), mit heiſſem
hingegen zween Fus kuͤrzer werde; folglich koͤnne die Waͤr-
me des Blutes, wenn dieſes eine Faſer anfeuchtet (e), die
Bewegung ſchneller machen.
Doch wenn gleich die Hizze eines ſiedenden Waſſers,
die doch gewis groͤſſer iſt, als die Waͤrme im Blute, das
Seil etwas mehr verkuͤrzen kann, ſo iſt doch dieſer Vorteil
gegen die unglaubliche Geſchwindigkeit nichts, mit der die
Muſkeln ſpielen. Denn da das Waſſer, kraft der An-
ziehung in das Seil eindringt, und in die Hoͤhe ſteigt,
wie es uͤberhaupt zwiſchen zwo Glasplatten in die Hoͤhe
ſteigt, oder im Zukker eindringt, ſo kann dieſes niemals
anders, als langſam geſchehen, weil die Wege verdreht
und verwikkelt ſind, durch welche ſich das Waſſer hindurch
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feſten Grundſtoffes empfindet, als bis es demſelben ganz
nahe koͤmmt, oder ihn beruͤhrt. Man betrachte nur, wie
langſam das Waſſer in eine zollhohe Piramide von Zuk-
ker, und in ein zolllanges Strikk eindringe. Jndem das
Waſſer nun dieſen Raum zuruͤkke legt, ſo durchlaͤuft die be-
wegende Kraft der Muſkeln tauſend Fus und druͤber (f).
Es dringt aber Waſſer geſchwinder ein, wenn Koͤr-
per, von denen es angezogen wird, trokken ſind, und
ſchwerlich, wenn ſolche feuchte ſind. Es ſind aber unſre
Faſern allezeit in einem feuchten Zuſtande.
End-
(c)
pag. 282. 285. 287. 288.
(d) pag. 287. 288.
(e)
pag. 543.
(f) pag. 483.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/195>, abgerufen am 28.11.2024.
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