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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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III. Abschnitt. Ursachen.
entstanden, so können wir die damit verbundne Erschei-
nungen im Körper nicht verwehren.

Was sich im Zorne eräugnet, das geschicht im Herzen,
in der Leber, an der Galle, im Antlizze, und dem ganzen
Körper, ohne unser Bedacht, ohne alle Absicht, und auf
eine tumultuarische Weise, eben so wie von übermäßigem
Weintrinken nicht vernünftige Folgen, sondern der Ver-
nunft widrige Dinge erwartet werden müssen (q). Doch
es klopft auch alsdenn das Herz, wenn es von zu heftigen
Gemütsbewegungen heftiger schlägt, wider unsern Willen;
und wir können es nicht durch unsern Willen dazu vermö-
gen, daß es stärker schlagen mus, so wie alles, was im
Zorne vorgeht, gröstenteils wider unsern Willen, und so
gar mit unserm höchsten Mißfallen geschicht.

Man siehet, daß ein Mensch das Gift des Weines
nach Belieben in sich trinkt, daß eben dieser Wille das
ihm so widrige Gift zu sich nimmt; allein was vom Weine
und von dieser Jdee in dem veränderten Herzen vorgeht,
geschicht alles wider seinen Willen.

Doch es hat der blosse Wille so wenig, als die Nerven
selbst, über das Herz zu befelen, indem durch die Nerven
allein die Befele der Seele nach allen Muskeln versendet
werden. Wenn diese gereizt werden (r), so wird das
Herz nicht zu schlagen veranlast, und wenn diese gebunden
werden (s), so wird es nicht im Schlagen gehemmt.

Nun ist die Kraft, welche die Nerven reizt, viel stär-
ker, als alle Kraft des Willens (t), indem sie einen Mus-
kel, aus der Klasse der Willkürlichen, wider unsern besten
Willen zwingt, daß er sich zusammenziehen mus (u). Und

den-
(q) [Spaltenumbruch] III. WERLHOF obs. de
febrib. pag
307.
(r) Lib. IV. pag. 383. Second.
mem pag. 390. CALDANI
Lett II. p. 470. FONTANA
p. 213. 230. ROGER p
23. 24.
(s) [Spaltenumbruch] CALDANI pag. 149. L.
IV. pag.
463.
(t) WHYTT vital. mot. p. 21.
23. L. IV. pag.
461. 462.
(u) SPENGLER epist. pag.
53.

III. Abſchnitt. Urſachen.
entſtanden, ſo koͤnnen wir die damit verbundne Erſchei-
nungen im Koͤrper nicht verwehren.

Was ſich im Zorne eraͤugnet, das geſchicht im Herzen,
in der Leber, an der Galle, im Antlizze, und dem ganzen
Koͤrper, ohne unſer Bedacht, ohne alle Abſicht, und auf
eine tumultuariſche Weiſe, eben ſo wie von uͤbermaͤßigem
Weintrinken nicht vernuͤnftige Folgen, ſondern der Ver-
nunft widrige Dinge erwartet werden muͤſſen (q). Doch
es klopft auch alsdenn das Herz, wenn es von zu heftigen
Gemuͤtsbewegungen heftiger ſchlaͤgt, wider unſern Willen;
und wir koͤnnen es nicht durch unſern Willen dazu vermoͤ-
gen, daß es ſtaͤrker ſchlagen mus, ſo wie alles, was im
Zorne vorgeht, groͤſtenteils wider unſern Willen, und ſo
gar mit unſerm hoͤchſten Mißfallen geſchicht.

Man ſiehet, daß ein Menſch das Gift des Weines
nach Belieben in ſich trinkt, daß eben dieſer Wille das
ihm ſo widrige Gift zu ſich nimmt; allein was vom Weine
und von dieſer Jdee in dem veraͤnderten Herzen vorgeht,
geſchicht alles wider ſeinen Willen.

Doch es hat der bloſſe Wille ſo wenig, als die Nerven
ſelbſt, uͤber das Herz zu befelen, indem durch die Nerven
allein die Befele der Seele nach allen Muſkeln verſendet
werden. Wenn dieſe gereizt werden (r), ſo wird das
Herz nicht zu ſchlagen veranlaſt, und wenn dieſe gebunden
werden (s), ſo wird es nicht im Schlagen gehemmt.

Nun iſt die Kraft, welche die Nerven reizt, viel ſtaͤr-
ker, als alle Kraft des Willens (t), indem ſie einen Muſ-
kel, aus der Klaſſe der Willkuͤrlichen, wider unſern beſten
Willen zwingt, daß er ſich zuſammenziehen mus (u). Und

den-
(q) [Spaltenumbruch] III. WERLHOF obſ. de
febrib. pag
307.
(r) Lib. IV. pag. 383. Second.
mem pag. 390. CALDANI
Lett II. p. 470. FONTANA
p. 213. 230. ROGER p
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IV. pag.
463.
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53.
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[141/0159] III. Abſchnitt. Urſachen. entſtanden, ſo koͤnnen wir die damit verbundne Erſchei- nungen im Koͤrper nicht verwehren. Was ſich im Zorne eraͤugnet, das geſchicht im Herzen, in der Leber, an der Galle, im Antlizze, und dem ganzen Koͤrper, ohne unſer Bedacht, ohne alle Abſicht, und auf eine tumultuariſche Weiſe, eben ſo wie von uͤbermaͤßigem Weintrinken nicht vernuͤnftige Folgen, ſondern der Ver- nunft widrige Dinge erwartet werden muͤſſen (q). Doch es klopft auch alsdenn das Herz, wenn es von zu heftigen Gemuͤtsbewegungen heftiger ſchlaͤgt, wider unſern Willen; und wir koͤnnen es nicht durch unſern Willen dazu vermoͤ- gen, daß es ſtaͤrker ſchlagen mus, ſo wie alles, was im Zorne vorgeht, groͤſtenteils wider unſern Willen, und ſo gar mit unſerm hoͤchſten Mißfallen geſchicht. Man ſiehet, daß ein Menſch das Gift des Weines nach Belieben in ſich trinkt, daß eben dieſer Wille das ihm ſo widrige Gift zu ſich nimmt; allein was vom Weine und von dieſer Jdee in dem veraͤnderten Herzen vorgeht, geſchicht alles wider ſeinen Willen. Doch es hat der bloſſe Wille ſo wenig, als die Nerven ſelbſt, uͤber das Herz zu befelen, indem durch die Nerven allein die Befele der Seele nach allen Muſkeln verſendet werden. Wenn dieſe gereizt werden (r), ſo wird das Herz nicht zu ſchlagen veranlaſt, und wenn dieſe gebunden werden (s), ſo wird es nicht im Schlagen gehemmt. Nun iſt die Kraft, welche die Nerven reizt, viel ſtaͤr- ker, als alle Kraft des Willens (t), indem ſie einen Muſ- kel, aus der Klaſſe der Willkuͤrlichen, wider unſern beſten Willen zwingt, daß er ſich zuſammenziehen mus (u). Und den- (q) III. WERLHOF obſ. de febrib. pag 307. (r) Lib. IV. pag. 383. Second. mem pag. 390. CALDANI Lett II. p. 470. FONTANA p. 213. 230. ROGER p 23. 24. (s) CALDANI pag. 149. L. IV. pag. 463. (t) WHYTT vital. mot. p. 21. 23. L. IV. pag. 461. 462. (u) SPENGLER epiſt. pag. 53.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/159>, abgerufen am 25.11.2024.