Eben dieses Beispiel findet bei allen Gliedmaßen statt. Es fügte Jakob Benignus Winslow(h), demjenigen Muskel, welcher mit dem geraden z. E. dem obern über- einstimmt oder dem mittlern an seinem Gliede, die Sei- tenmuskeln als Helfer bei. Man hat hiervon an den Fingern deutliche Beispiele, indem der Ausstrekker selbige gerade ausstrekkt, und die beigefügte Knochen und wurm- förmige Muskeln solche zwar ausstrekken, aber auch zu- gleich nach der Ellbogen - oder Daumengegend ziehen, so wie entweder der Ellbogenmuskel zwischen den Knochen, wenn der Spindelmuskel erschlaffet, oder der Spindel- muskel zwischen den Knochen, nach Erschlaffung des Ell- bogenmuskels wirket.
Jn den zusammengesezzten straligen Muskeln kann einerlei Muskel schiefe Bewegungen verrichten, und es sind die äussersten Fleischstreifen desselben die Leiter der mittlern Sehne (i). Es kann der Deltamuskel die Schul- ter theils rükkwerts in die Höhe ziehen, wenn blos die vom Schulterblate herkommende Fasern wirken, oder wenn sie stärker wirken, und theils nach vorwerts lenken, wenn die von dem Schlüsselbeine herrürende Fasern die Oberhand haben, denn es ist gewiß, daß sich etliche Fleischstreifen dieser Muskeln zusammenziehen können, wenn die übrige gleich in Ruhe bleiben (k).
Da ausserdem Muskeln keine Linien, sondern Körper sind, und da sie sich nicht in einem rechten flachen, son- dern in einem rechten festen Winkel bewegen lassen, fer- ner drei Linien sind, nach welchen sich Gliedmaßen bewe- gen können, nämlich hinauf, nach vorne, und denn ein- werts (oder auch nach den Gegenrichtungen), so können allerdings drei verwante Muskeln zugleich und dergestalt wirken, daß sich ein Glied nach einer jeden in diesem Win- kel begreiflichen Schiefheit bewegen lasse. So kann am
Auge
(h)[Spaltenumbruch]pag. 88.
(i)WINTER loc. cit.
(k)[Spaltenumbruch]pag. 471.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
Eben dieſes Beiſpiel findet bei allen Gliedmaßen ſtatt. Es fuͤgte Jakob Benignus Winslow(h), demjenigen Muſkel, welcher mit dem geraden z. E. dem obern uͤber- einſtimmt oder dem mittlern an ſeinem Gliede, die Sei- tenmuſkeln als Helfer bei. Man hat hiervon an den Fingern deutliche Beiſpiele, indem der Ausſtrekker ſelbige gerade ausſtrekkt, und die beigefuͤgte Knochen und wurm- foͤrmige Muſkeln ſolche zwar ausſtrekken, aber auch zu- gleich nach der Ellbogen - oder Daumengegend ziehen, ſo wie entweder der Ellbogenmuſkel zwiſchen den Knochen, wenn der Spindelmuſkel erſchlaffet, oder der Spindel- muſkel zwiſchen den Knochen, nach Erſchlaffung des Ell- bogenmuſkels wirket.
Jn den zuſammengeſezzten ſtraligen Muſkeln kann einerlei Muſkel ſchiefe Bewegungen verrichten, und es ſind die aͤuſſerſten Fleiſchſtreifen deſſelben die Leiter der mittlern Sehne (i). Es kann der Deltamuſkel die Schul- ter theils ruͤkkwerts in die Hoͤhe ziehen, wenn blos die vom Schulterblate herkommende Faſern wirken, oder wenn ſie ſtaͤrker wirken, und theils nach vorwerts lenken, wenn die von dem Schluͤſſelbeine herruͤrende Faſern die Oberhand haben, denn es iſt gewiß, daß ſich etliche Fleiſchſtreifen dieſer Muſkeln zuſammenziehen koͤnnen, wenn die uͤbrige gleich in Ruhe bleiben (k).
Da auſſerdem Muſkeln keine Linien, ſondern Koͤrper ſind, und da ſie ſich nicht in einem rechten flachen, ſon- dern in einem rechten feſten Winkel bewegen laſſen, fer- ner drei Linien ſind, nach welchen ſich Gliedmaßen bewe- gen koͤnnen, naͤmlich hinauf, nach vorne, und denn ein- werts (oder auch nach den Gegenrichtungen), ſo koͤnnen allerdings drei verwante Muſkeln zugleich und dergeſtalt wirken, daß ſich ein Glied nach einer jeden in dieſem Win- kel begreiflichen Schiefheit bewegen laſſe. So kann am
Auge
(h)[Spaltenumbruch]pag. 88.
(i)WINTER loc. cit.
(k)[Spaltenumbruch]pag. 471.
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Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
Eben dieſes Beiſpiel findet bei allen Gliedmaßen ſtatt.
Es fuͤgte Jakob Benignus Winslow (h), demjenigen
Muſkel, welcher mit dem geraden z. E. dem obern uͤber-
einſtimmt oder dem mittlern an ſeinem Gliede, die Sei-
tenmuſkeln als Helfer bei. Man hat hiervon an den
Fingern deutliche Beiſpiele, indem der Ausſtrekker ſelbige
gerade ausſtrekkt, und die beigefuͤgte Knochen und wurm-
foͤrmige Muſkeln ſolche zwar ausſtrekken, aber auch zu-
gleich nach der Ellbogen - oder Daumengegend ziehen, ſo
wie entweder der Ellbogenmuſkel zwiſchen den Knochen,
wenn der Spindelmuſkel erſchlaffet, oder der Spindel-
muſkel zwiſchen den Knochen, nach Erſchlaffung des Ell-
bogenmuſkels wirket.
Jn den zuſammengeſezzten ſtraligen Muſkeln kann
einerlei Muſkel ſchiefe Bewegungen verrichten, und es
ſind die aͤuſſerſten Fleiſchſtreifen deſſelben die Leiter der
mittlern Sehne (i). Es kann der Deltamuſkel die Schul-
ter theils ruͤkkwerts in die Hoͤhe ziehen, wenn blos die vom
Schulterblate herkommende Faſern wirken, oder wenn ſie
ſtaͤrker wirken, und theils nach vorwerts lenken, wenn die
von dem Schluͤſſelbeine herruͤrende Faſern die Oberhand
haben, denn es iſt gewiß, daß ſich etliche Fleiſchſtreifen
dieſer Muſkeln zuſammenziehen koͤnnen, wenn die uͤbrige
gleich in Ruhe bleiben (k).
Da auſſerdem Muſkeln keine Linien, ſondern Koͤrper
ſind, und da ſie ſich nicht in einem rechten flachen, ſon-
dern in einem rechten feſten Winkel bewegen laſſen, fer-
ner drei Linien ſind, nach welchen ſich Gliedmaßen bewe-
gen koͤnnen, naͤmlich hinauf, nach vorne, und denn ein-
werts (oder auch nach den Gegenrichtungen), ſo koͤnnen
allerdings drei verwante Muſkeln zugleich und dergeſtalt
wirken, daß ſich ein Glied nach einer jeden in dieſem Win-
kel begreiflichen Schiefheit bewegen laſſe. So kann am
Auge
(h)
pag. 88.
(i) WINTER loc. cit.
(k)
pag. 471.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/132>, abgerufen am 24.11.2024.
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