Da das Gedächtnis in dem Körper seinen Sizz hat, und Beurtheilung und Wizz, Wirkungen der Seele sind, so kann es geschehen, daß diese drei Kräfte von einander abgesondert sind, und selten sind sie alle beisammen. Jn- dessen bin ich nicht dawider, daß sie nicht auch beisam- men sein sollten (h).
Jch sehe, daß einige den Wizz ebenfalls vom Körper abhängen lassen, und daß gewisse Länder, die zwischen dem 30 und 45 sten Grade liegen, von jeher eine Menge wizziger Menschen hervorgebracht haben. Daß die Athe- nienser (i) sowol ehedem, als auch jezzt durch ihren glükk- lichen Wizz berühmt sind: daß ein gewisser Grad des Weins eine gewisse, doch nicht übermäßige Geschwindig- keit in den Säften des Gehirns erwekkt; daß eine der- gleichen Dose Wein den Wizz schärfe, und Verse ein- flösse: daß auch ein mäßiges Fieber dergleichen thue, und fruchtbare und beredte Jdeen (k) erzeuge, welches mir selbst mehr als einmal wiederfahren ist, daß es mir ganz leicht wurde, Verse auszuschütten (l). Paul der Zwee- te erlangte während der Fieberhizze, eine bewunderns- würdige und dauerhafte Beredsamkeit (m); ich lese, daß Mabillon(n) durch eine Krankheit wizzig geworden: daß ein Mensch, der so lange er gesund war, ohne Wizz war, durch einen am Kopfe empfangnen Schlag, wizzig geworden (o): und daß dergleichen in einer histerischen Krankheit, von einer Veränderung an einer Nervenfaser
gleich-
(h)[Spaltenumbruch]De HAMEL de corp. anim. L. I. c. 4.
(i)De la GUILLETIERE Athe- nes WHEELER Voyage T. II. p. 106. Von den Cilentinern MOSCA II. p. 197
(k)KLOEKMOS morb anim. p. 153.
(l)CHIFLET peruv. pouv. p. 20.
(m) Poeten durch Krankheit. FRANK de vaticiniis. Vom hizzi- gen Fieber ARETAEUS acut. L. II. [Spaltenumbruch]
c. 4. Jm Wahnwizze sang ein sonst dazu Ungeschikkter. Phil. trans n. 484 SCHURIG chylolog p. 205. in unbekannten Sprachen sollen ei- nige geredet baben, siehe CARDA- NUM variet p 321. Gal Minerv. VI. p. 82. Einige sind durch Krank- heiten Astronomen, Philosophen und Musici geworden ARETAEUS acut. L. I. c. 6.
(n)Histoir de l'Ame p. 110.
(o)ROBINSON of the spleen pag. 70. 71.
Der Verſtand. XVII. Buch.
Da das Gedaͤchtnis in dem Koͤrper ſeinen Sizz hat, und Beurtheilung und Wizz, Wirkungen der Seele ſind, ſo kann es geſchehen, daß dieſe drei Kraͤfte von einander abgeſondert ſind, und ſelten ſind ſie alle beiſammen. Jn- deſſen bin ich nicht dawider, daß ſie nicht auch beiſam- men ſein ſollten (h).
Jch ſehe, daß einige den Wizz ebenfalls vom Koͤrper abhaͤngen laſſen, und daß gewiſſe Laͤnder, die zwiſchen dem 30 und 45 ſten Grade liegen, von jeher eine Menge wizziger Menſchen hervorgebracht haben. Daß die Athe- nienſer (i) ſowol ehedem, als auch jezzt durch ihren gluͤkk- lichen Wizz beruͤhmt ſind: daß ein gewiſſer Grad des Weins eine gewiſſe, doch nicht uͤbermaͤßige Geſchwindig- keit in den Saͤften des Gehirns erwekkt; daß eine der- gleichen Doſe Wein den Wizz ſchaͤrfe, und Verſe ein- floͤſſe: daß auch ein maͤßiges Fieber dergleichen thue, und fruchtbare und beredte Jdeen (k) erzeuge, welches mir ſelbſt mehr als einmal wiederfahren iſt, daß es mir ganz leicht wurde, Verſe auszuſchuͤtten (l). Paul der Zwee- te erlangte waͤhrend der Fieberhizze, eine bewunderns- wuͤrdige und dauerhafte Beredſamkeit (m); ich leſe, daß Mabillon(n) durch eine Krankheit wizzig geworden: daß ein Menſch, der ſo lange er geſund war, ohne Wizz war, durch einen am Kopfe empfangnen Schlag, wizzig geworden (o): und daß dergleichen in einer hiſteriſchen Krankheit, von einer Veraͤnderung an einer Nervenfaſer
gleich-
(h)[Spaltenumbruch]De HAMEL de corp. anim. L. I. c. 4.
(i)De la GUILLETIERE Athe- nes WHEELER Voyage T. II. p. 106. Von den Cilentinern MOSCA II. p. 197
(k)KLOEKMOS morb anim. p. 153.
(l)CHIFLET peruv. pouv. p. 20.
(m) Poeten durch Krankheit. FRANK de vaticiniis. Vom hizzi- gen Fieber ARETÆUS acut. L. II. [Spaltenumbruch]
c. 4. Jm Wahnwizze ſang ein ſonſt dazu Ungeſchikkter. Phil. tranſ n. 484 SCHURIG chylolog p. 205. in unbekannten Sprachen ſollen ei- nige geredet baben, ſiehe CARDA- NUM variet p 321. Gal Minerv. VI. p. 82. Einige ſind durch Krank- heiten Aſtronomen, Philoſophen und Muſici geworden ARETÆUS acut. L. I. c. 6.
(n)Hiſtoir de l’Ame p. 110.
(o)ROBINSON of the ſpleen pag. 70. 71.
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Der Verſtand. XVII. Buch.
Da das Gedaͤchtnis in dem Koͤrper ſeinen Sizz hat,
und Beurtheilung und Wizz, Wirkungen der Seele ſind,
ſo kann es geſchehen, daß dieſe drei Kraͤfte von einander
abgeſondert ſind, und ſelten ſind ſie alle beiſammen. Jn-
deſſen bin ich nicht dawider, daß ſie nicht auch beiſam-
men ſein ſollten (h).
Jch ſehe, daß einige den Wizz ebenfalls vom Koͤrper
abhaͤngen laſſen, und daß gewiſſe Laͤnder, die zwiſchen
dem 30 und 45 ſten Grade liegen, von jeher eine Menge
wizziger Menſchen hervorgebracht haben. Daß die Athe-
nienſer (i) ſowol ehedem, als auch jezzt durch ihren gluͤkk-
lichen Wizz beruͤhmt ſind: daß ein gewiſſer Grad des
Weins eine gewiſſe, doch nicht uͤbermaͤßige Geſchwindig-
keit in den Saͤften des Gehirns erwekkt; daß eine der-
gleichen Doſe Wein den Wizz ſchaͤrfe, und Verſe ein-
floͤſſe: daß auch ein maͤßiges Fieber dergleichen thue, und
fruchtbare und beredte Jdeen (k) erzeuge, welches mir
ſelbſt mehr als einmal wiederfahren iſt, daß es mir ganz
leicht wurde, Verſe auszuſchuͤtten (l). Paul der Zwee-
te erlangte waͤhrend der Fieberhizze, eine bewunderns-
wuͤrdige und dauerhafte Beredſamkeit (m); ich leſe, daß
Mabillon (n) durch eine Krankheit wizzig geworden:
daß ein Menſch, der ſo lange er geſund war, ohne Wizz
war, durch einen am Kopfe empfangnen Schlag, wizzig
geworden (o): und daß dergleichen in einer hiſteriſchen
Krankheit, von einer Veraͤnderung an einer Nervenfaſer
gleich-
(h)
De HAMEL de corp. anim.
L. I. c. 4.
(i) De la GUILLETIERE Athe-
nes WHEELER Voyage T. II. p.
106. Von den Cilentinern MOSCA
II. p. 197
(k) KLOEKMOS morb anim.
p. 153.
(l) CHIFLET peruv. pouv.
p. 20.
(m) Poeten durch Krankheit.
FRANK de vaticiniis. Vom hizzi-
gen Fieber ARETÆUS acut. L. II.
c. 4. Jm Wahnwizze ſang ein ſonſt
dazu Ungeſchikkter. Phil. tranſ n.
484 SCHURIG chylolog p. 205.
in unbekannten Sprachen ſollen ei-
nige geredet baben, ſiehe CARDA-
NUM variet p 321. Gal Minerv.
VI. p. 82. Einige ſind durch Krank-
heiten Aſtronomen, Philoſophen
und Muſici geworden ARETÆUS
acut. L. I. c. 6.
(n) Hiſtoir de l’Ame p. 110.
(o) ROBINSON of the ſpleen
pag. 70. 71.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1086. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1104>, abgerufen am 23.11.2024.
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