Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Sehen. XVI. Buch.
kürzere Bogen verwandeln, die nicht so convex sind,
und folglich wird sowol die Hornhaut, als Crystallinse
flächer werden. Daher kömmt es, daß Kinder die kurz-
sichtig sind, wenn sie zu erwachsenen Jahren kommen,
allmählig entfernte Dinge sehen lernen (y).

Es ist diese Kur freilich nicht so vollkommen, daß eine
Person, welche in der Jugend kurzsichtig gewesen, leicht
zu einem mittelmäßigen Gesichte gelangen sollte (a), oder
gar weitsichtig werden könnte: Denn da hier durch einer-
lei Ursachen Flüßigkeiten und Membranen verdichtet wer-
den, und sie sich wie die Dichtigkeiten verhalten, so kön-
nen die brechende Kräfte der Körper, und so kann einer-
lei Alter, welches einen Theil der Krankheit mindert,
den andern Theil der Krankheit hingegen vergrössern. Es
ist auch hiebei schädlich, daß der Stern uunmehr weniger
beweglich ist, ein gar zu häufiges Licht durchläst, und
schwach ist (b), um undeutlich zusehen: und schaden thut
es auch, daß die Nezzhaut callöser geworden (b*). Da-
her sind das bessere Kurzsichtige, die einen kleinen Stern
haben (c). So viel aber läst sich dennoch erhalten, daß
das Uebel nicht größer wird. Dahero hat schon Con-
rad Gesner
(d) die Augen der Kurzsichtigen für unver-
besserlich erklärt. Wenigstens sind meine Augen durch
den häufigen Gebrauch der Vergrösserungsgläser, bei
hellem Sonnenscheine, und nach dem häufigen Lesen und
Schreiben, nicht im mindesten schlechter geworden, als
sie in der Jugend waren.

Dem Kurzsichtigen hilft es ferner, wenn sie sich von
nahen künstlichen Arbeiten enthalten, und verschaffen, daß
sie recht paralele Strahlen ins Auge bekommen. Wenn
(z)

dem-
(y) [Spaltenumbruch] BUFFON Memoire. de
l'Academie ann. 1743. p.
241.
(a) Die Kur längnet AYS-
COUGH of the eye p.
13. daß es
selten sei la HIRE p. 627.
(b) [Spaltenumbruch] BOERHAAVE de morb.
ocnl. p.
193.
(b*) Jn diesem Zustande hilft
kein Hohlglaß. la HIRE p. 553.
(c) De la HIRE p. 562.
(d) Epist. p. 136. b.
(z) Daß es doch geschehe THO-
MIN p. 120. seqq.

Das Sehen. XVI. Buch.
kuͤrzere Bogen verwandeln, die nicht ſo convex ſind,
und folglich wird ſowol die Hornhaut, als Cryſtallinſe
flaͤcher werden. Daher koͤmmt es, daß Kinder die kurz-
ſichtig ſind, wenn ſie zu erwachſenen Jahren kommen,
allmaͤhlig entfernte Dinge ſehen lernen (y).

Es iſt dieſe Kur freilich nicht ſo vollkommen, daß eine
Perſon, welche in der Jugend kurzſichtig geweſen, leicht
zu einem mittelmaͤßigen Geſichte gelangen ſollte (a), oder
gar weitſichtig werden koͤnnte: Denn da hier durch einer-
lei Urſachen Fluͤßigkeiten und Membranen verdichtet wer-
den, und ſie ſich wie die Dichtigkeiten verhalten, ſo koͤn-
nen die brechende Kraͤfte der Koͤrper, und ſo kann einer-
lei Alter, welches einen Theil der Krankheit mindert,
den andern Theil der Krankheit hingegen vergroͤſſern. Es
iſt auch hiebei ſchaͤdlich, daß der Stern uunmehr weniger
beweglich iſt, ein gar zu haͤufiges Licht durchlaͤſt, und
ſchwach iſt (b), um undeutlich zuſehen: und ſchaden thut
es auch, daß die Nezzhaut calloͤſer geworden (b*). Da-
her ſind das beſſere Kurzſichtige, die einen kleinen Stern
haben (c). So viel aber laͤſt ſich dennoch erhalten, daß
das Uebel nicht groͤßer wird. Dahero hat ſchon Con-
rad Gesner
(d) die Augen der Kurzſichtigen fuͤr unver-
beſſerlich erklaͤrt. Wenigſtens ſind meine Augen durch
den haͤufigen Gebrauch der Vergroͤſſerungsglaͤſer, bei
hellem Sonnenſcheine, und nach dem haͤufigen Leſen und
Schreiben, nicht im mindeſten ſchlechter geworden, als
ſie in der Jugend waren.

Dem Kurzſichtigen hilft es ferner, wenn ſie ſich von
nahen kuͤnſtlichen Arbeiten enthalten, und verſchaffen, daß
ſie recht paralele Strahlen ins Auge bekommen. Wenn
(z)

dem-
(y) [Spaltenumbruch] BUFFON Mémoire. de
l’Academie ann. 1743. p.
241.
(a) Die Kur laͤngnet AYS-
COUGH of the eye p.
13. daß es
ſelten ſei la HIRE p. 627.
(b) [Spaltenumbruch] BOERHAAVE de morb.
ocnl. p.
193.
(b*) Jn dieſem Zuſtande hilft
kein Hohlglaß. la HIRE p. 553.
(c) De la HIRE p. 562.
(d) Epiſt. p. 136. b.
(z) Daß es doch geſchehe THO-
MIN p. 120. ſeqq.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f1016" n="998"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Sehen. <hi rendition="#aq">XVI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
ku&#x0364;rzere Bogen verwandeln, die nicht &#x017F;o convex &#x017F;ind,<lb/>
und folglich wird &#x017F;owol die Hornhaut, als Cry&#x017F;tallin&#x017F;e<lb/>
fla&#x0364;cher werden. Daher ko&#x0364;mmt es, daß Kinder die kurz-<lb/>
&#x017F;ichtig &#x017F;ind, wenn &#x017F;ie zu erwach&#x017F;enen Jahren kommen,<lb/>
allma&#x0364;hlig entfernte Dinge &#x017F;ehen lernen <note place="foot" n="(y)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BUFFON</hi> Mémoire. de<lb/>
l&#x2019;Academie ann. 1743. p.</hi> 241.</note>.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t die&#x017F;e Kur freilich nicht &#x017F;o vollkommen, daß eine<lb/>
Per&#x017F;on, welche in der Jugend kurz&#x017F;ichtig gewe&#x017F;en, leicht<lb/>
zu einem mittelma&#x0364;ßigen Ge&#x017F;ichte gelangen &#x017F;ollte <note place="foot" n="(a)">Die Kur la&#x0364;ngnet <hi rendition="#aq">AYS-<lb/>
COUGH of the eye p.</hi> 13. daß es<lb/>
&#x017F;elten &#x017F;ei <hi rendition="#aq">la HIRE p.</hi> 627.</note>, oder<lb/>
gar weit&#x017F;ichtig werden ko&#x0364;nnte: Denn da hier durch einer-<lb/>
lei Ur&#x017F;achen Flu&#x0364;ßigkeiten und Membranen verdichtet wer-<lb/>
den, und &#x017F;ie &#x017F;ich wie die Dichtigkeiten verhalten, &#x017F;o ko&#x0364;n-<lb/>
nen die brechende Kra&#x0364;fte der Ko&#x0364;rper, und &#x017F;o kann einer-<lb/>
lei Alter, welches einen Theil der Krankheit mindert,<lb/>
den andern Theil der Krankheit hingegen vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern. Es<lb/>
i&#x017F;t auch hiebei &#x017F;cha&#x0364;dlich, daß der Stern uunmehr weniger<lb/>
beweglich i&#x017F;t, ein gar zu ha&#x0364;ufiges Licht durchla&#x0364;&#x017F;t, und<lb/>
&#x017F;chwach i&#x017F;t <note place="foot" n="(b)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BOERHAAVE</hi> de morb.<lb/>
ocnl. p.</hi> 193.</note>, um undeutlich zu&#x017F;ehen: und &#x017F;chaden thut<lb/>
es auch, daß die Nezzhaut callo&#x0364;&#x017F;er geworden <note place="foot" n="(b*)">Jn die&#x017F;em Zu&#x017F;tande hilft<lb/>
kein Hohlglaß. <hi rendition="#aq">la HIRE p.</hi> 553.</note>. Da-<lb/>
her &#x017F;ind das be&#x017F;&#x017F;ere Kurz&#x017F;ichtige, die einen kleinen Stern<lb/>
haben <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">De la HIRE p.</hi> 562.</note>. So viel aber la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich dennoch erhalten, daß<lb/>
das Uebel nicht gro&#x0364;ßer wird. Dahero hat &#x017F;chon <hi rendition="#fr">Con-<lb/>
rad Gesner</hi> <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">Epi&#x017F;t. p. 136. b.</hi></note> die Augen der Kurz&#x017F;ichtigen fu&#x0364;r unver-<lb/>
be&#x017F;&#x017F;erlich erkla&#x0364;rt. Wenig&#x017F;tens &#x017F;ind meine Augen durch<lb/>
den ha&#x0364;ufigen Gebrauch der Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erungsgla&#x0364;&#x017F;er, bei<lb/>
hellem Sonnen&#x017F;cheine, und nach dem ha&#x0364;ufigen Le&#x017F;en und<lb/>
Schreiben, nicht im minde&#x017F;ten &#x017F;chlechter geworden, als<lb/>
&#x017F;ie in der Jugend waren.</p><lb/>
            <p>Dem Kurz&#x017F;ichtigen hilft es ferner, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich von<lb/>
nahen ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Arbeiten enthalten, und ver&#x017F;chaffen, daß<lb/>
&#x017F;ie recht paralele Strahlen ins Auge bekommen. Wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem-</fw><lb/><note place="foot" n="(z)">Daß es doch ge&#x017F;chehe <hi rendition="#aq">THO-<lb/>
MIN p. 120. &#x017F;eqq.</hi></note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[998/1016] Das Sehen. XVI. Buch. kuͤrzere Bogen verwandeln, die nicht ſo convex ſind, und folglich wird ſowol die Hornhaut, als Cryſtallinſe flaͤcher werden. Daher koͤmmt es, daß Kinder die kurz- ſichtig ſind, wenn ſie zu erwachſenen Jahren kommen, allmaͤhlig entfernte Dinge ſehen lernen (y). Es iſt dieſe Kur freilich nicht ſo vollkommen, daß eine Perſon, welche in der Jugend kurzſichtig geweſen, leicht zu einem mittelmaͤßigen Geſichte gelangen ſollte (a), oder gar weitſichtig werden koͤnnte: Denn da hier durch einer- lei Urſachen Fluͤßigkeiten und Membranen verdichtet wer- den, und ſie ſich wie die Dichtigkeiten verhalten, ſo koͤn- nen die brechende Kraͤfte der Koͤrper, und ſo kann einer- lei Alter, welches einen Theil der Krankheit mindert, den andern Theil der Krankheit hingegen vergroͤſſern. Es iſt auch hiebei ſchaͤdlich, daß der Stern uunmehr weniger beweglich iſt, ein gar zu haͤufiges Licht durchlaͤſt, und ſchwach iſt (b), um undeutlich zuſehen: und ſchaden thut es auch, daß die Nezzhaut calloͤſer geworden (b*). Da- her ſind das beſſere Kurzſichtige, die einen kleinen Stern haben (c). So viel aber laͤſt ſich dennoch erhalten, daß das Uebel nicht groͤßer wird. Dahero hat ſchon Con- rad Gesner (d) die Augen der Kurzſichtigen fuͤr unver- beſſerlich erklaͤrt. Wenigſtens ſind meine Augen durch den haͤufigen Gebrauch der Vergroͤſſerungsglaͤſer, bei hellem Sonnenſcheine, und nach dem haͤufigen Leſen und Schreiben, nicht im mindeſten ſchlechter geworden, als ſie in der Jugend waren. Dem Kurzſichtigen hilft es ferner, wenn ſie ſich von nahen kuͤnſtlichen Arbeiten enthalten, und verſchaffen, daß ſie recht paralele Strahlen ins Auge bekommen. Wenn dem- (z) (y) BUFFON Mémoire. de l’Academie ann. 1743. p. 241. (a) Die Kur laͤngnet AYS- COUGH of the eye p. 13. daß es ſelten ſei la HIRE p. 627. (b) BOERHAAVE de morb. ocnl. p. 193. (b*) Jn dieſem Zuſtande hilft kein Hohlglaß. la HIRE p. 553. (c) De la HIRE p. 562. (d) Epiſt. p. 136. b. (z) Daß es doch geſchehe THO- MIN p. 120. ſeqq.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1016
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 998. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1016>, abgerufen am 23.11.2024.