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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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II. Abschnitt. Erscheinungen.
mit einander. Er betrachtet den Muskel, wie er queer
über das Gelenke fortgeht, und bemerkt, daß derselbe,
wegen Geschwulstes des Knochenkopfes, ein wenig von dem
Centro der Bewegung und der Knochenachse abweiche;
und daraus schlist er, daß seine Kraft, welche ausserdem,
so viel als Nichts sein würde, in so fern zunehme, und daß
selbige gegen die ganze Kraft, die ein senkrecht in den Kno-
chen eingelassener Muskel ausüben würde, wie die halbe
Dikke des Gelenks oder wie die senkrechte Linie sei, die vom
Ruhepunkte, zur Directionslinie gezogen, zu dem Abstande
der Einlenkung vom Ruhepunkte ist (t). Man pflegt näm-
lich in allen dergleichen schiefen Zügen die wirksame Kraft
nach dem senkrechten Abstande des Ruhepunktes von der
Linie zu schäzzen (u), längst welcher der Zug geschicht. Es
hat Borell diesen Sazz in verschiednen Beispielen auf
die Muskeln des Ellbogens (x) und des Fusses (y) ange-
wandt, und es erweiset Sturm (z) an einem wirklichen
Hebel, auf den ein andrer bald so, bald anders schiefer Hebel
in einem beweglichen Gelenke aufliegt, daß sich die ganze
Sache wirklich so verhalte. Wäre daher ein Gewichte
an den Fingern angehängt, so würde sich die thätige Kraft
des Muskels, welcher dieses Gewicht aufheben will, zu
dem Gewichte verhalten, wie der Abstand der Muskelachse,
oder der Linie, längst welcher der Zug verrichtet wird,
von dem Centro der Vergliederung, zur Länge des Ell-
bogens, oder der Hand, denjenigen Theil der Finger aus-
genommen, welcher sich ausserhalb dem Gewichte befindet.
Wenn daher die Dikke des Gelenkes zunimmt, so nimmt
zugleich die Kraft des Muskels zu. Dieses stimmt aber
mit unsern Säzzen überein, und es kömmt auf den Win-
kel an, unter welchem ein Muskel an seinen Knochen befe-

stigt
(t) [Spaltenumbruch] prop. 13. 14. SEGNER
loc. cit. p. 105. CHESELDEN
pag. 63. SAUVAGES disp. X.
sur le mouv. musc. p.
89.
(u) Conf. DESAGULIERS
[Spaltenumbruch] T. I. p. 147. MUSSCHENBR.
Essays p. 153. 155. etc.
(x) prop. 22 - - 26.
(y) prop. 27 - 29.
(z) Eph. natur. cur. Dec. II.
ann.
11.
F 2

II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
mit einander. Er betrachtet den Muſkel, wie er queer
uͤber das Gelenke fortgeht, und bemerkt, daß derſelbe,
wegen Geſchwulſtes des Knochenkopfes, ein wenig von dem
Centro der Bewegung und der Knochenachſe abweiche;
und daraus ſchliſt er, daß ſeine Kraft, welche auſſerdem,
ſo viel als Nichts ſein wuͤrde, in ſo fern zunehme, und daß
ſelbige gegen die ganze Kraft, die ein ſenkrecht in den Kno-
chen eingelaſſener Muſkel ausuͤben wuͤrde, wie die halbe
Dikke des Gelenks oder wie die ſenkrechte Linie ſei, die vom
Ruhepunkte, zur Directionslinie gezogen, zu dem Abſtande
der Einlenkung vom Ruhepunkte iſt (t). Man pflegt naͤm-
lich in allen dergleichen ſchiefen Zuͤgen die wirkſame Kraft
nach dem ſenkrechten Abſtande des Ruhepunktes von der
Linie zu ſchaͤzzen (u), laͤngſt welcher der Zug geſchicht. Es
hat Borell dieſen Sazz in verſchiednen Beiſpielen auf
die Muſkeln des Ellbogens (x) und des Fuſſes (y) ange-
wandt, und es erweiſet Sturm (z) an einem wirklichen
Hebel, auf den ein andrer bald ſo, bald anders ſchiefer Hebel
in einem beweglichen Gelenke aufliegt, daß ſich die ganze
Sache wirklich ſo verhalte. Waͤre daher ein Gewichte
an den Fingern angehaͤngt, ſo wuͤrde ſich die thaͤtige Kraft
des Muſkels, welcher dieſes Gewicht aufheben will, zu
dem Gewichte verhalten, wie der Abſtand der Muſkelachſe,
oder der Linie, laͤngſt welcher der Zug verrichtet wird,
von dem Centro der Vergliederung, zur Laͤnge des Ell-
bogens, oder der Hand, denjenigen Theil der Finger aus-
genommen, welcher ſich auſſerhalb dem Gewichte befindet.
Wenn daher die Dikke des Gelenkes zunimmt, ſo nimmt
zugleich die Kraft des Muſkels zu. Dieſes ſtimmt aber
mit unſern Saͤzzen uͤberein, und es koͤmmt auf den Win-
kel an, unter welchem ein Muſkel an ſeinen Knochen befe-

ſtigt
(t) [Spaltenumbruch] prop. 13. 14. SEGNER
loc. cit. p. 105. CHESELDEN
pag. 63. SAUVAGES diſp. X.
ſur le mouv. muſc. p.
89.
(u) Conf. DESAGULIERS
[Spaltenumbruch] T. I. p. 147. MUSSCHENBR.
Eſſays p. 153. 155. etc.
(x) prop. 22 - - 26.
(y) prop. 27 - 29.
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ann.
11.
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[83/0101] II. Abſchnitt. Erſcheinungen. mit einander. Er betrachtet den Muſkel, wie er queer uͤber das Gelenke fortgeht, und bemerkt, daß derſelbe, wegen Geſchwulſtes des Knochenkopfes, ein wenig von dem Centro der Bewegung und der Knochenachſe abweiche; und daraus ſchliſt er, daß ſeine Kraft, welche auſſerdem, ſo viel als Nichts ſein wuͤrde, in ſo fern zunehme, und daß ſelbige gegen die ganze Kraft, die ein ſenkrecht in den Kno- chen eingelaſſener Muſkel ausuͤben wuͤrde, wie die halbe Dikke des Gelenks oder wie die ſenkrechte Linie ſei, die vom Ruhepunkte, zur Directionslinie gezogen, zu dem Abſtande der Einlenkung vom Ruhepunkte iſt (t). Man pflegt naͤm- lich in allen dergleichen ſchiefen Zuͤgen die wirkſame Kraft nach dem ſenkrechten Abſtande des Ruhepunktes von der Linie zu ſchaͤzzen (u), laͤngſt welcher der Zug geſchicht. Es hat Borell dieſen Sazz in verſchiednen Beiſpielen auf die Muſkeln des Ellbogens (x) und des Fuſſes (y) ange- wandt, und es erweiſet Sturm (z) an einem wirklichen Hebel, auf den ein andrer bald ſo, bald anders ſchiefer Hebel in einem beweglichen Gelenke aufliegt, daß ſich die ganze Sache wirklich ſo verhalte. Waͤre daher ein Gewichte an den Fingern angehaͤngt, ſo wuͤrde ſich die thaͤtige Kraft des Muſkels, welcher dieſes Gewicht aufheben will, zu dem Gewichte verhalten, wie der Abſtand der Muſkelachſe, oder der Linie, laͤngſt welcher der Zug verrichtet wird, von dem Centro der Vergliederung, zur Laͤnge des Ell- bogens, oder der Hand, denjenigen Theil der Finger aus- genommen, welcher ſich auſſerhalb dem Gewichte befindet. Wenn daher die Dikke des Gelenkes zunimmt, ſo nimmt zugleich die Kraft des Muſkels zu. Dieſes ſtimmt aber mit unſern Saͤzzen uͤberein, und es koͤmmt auf den Win- kel an, unter welchem ein Muſkel an ſeinen Knochen befe- ſtigt (t) prop. 13. 14. SEGNER loc. cit. p. 105. CHESELDEN pag. 63. SAUVAGES diſp. X. ſur le mouv. muſc. p. 89. (u) Conf. DESAGULIERS T. I. p. 147. MUSSCHENBR. Eſſays p. 153. 155. etc. (x) prop. 22 - - 26. (y) prop. 27 - 29. (z) Eph. natur. cur. Dec. II. ann. 11. F 2

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/101>, abgerufen am 07.05.2024.