Wenn demnach die sinnlichen Eindrücke in dem Ge- hirne aufbehalten werden, so müssen solche auch nothwen- dig dahin gebracht worden sein.
§. 23. Ob die Eindrücke der Sinnen durch die Nerven auch anderswohin übertragen werden.
Daß die sinnlichen Eindrücke auch von einem Ner- ven zum andern übergeleitet werden, lehret zwar die Zer- gliederungskunst nicht. Es scheinen aber die Vorfälle in den Krankheiten solches allerdings zubeiahen. Jch habe in anatomischen Versuchen niemals gesehen, daß die Zeichen des Schmerzens an einem andern Theile er- schienen wären, als in dem, welches verletzt worden. So habe ich niemals gesehen, wenn man den Nerven des rechten Schenkels gezerrt, daß man an dem lin- ken Schenkel oder Arme einigen Schmerz empfunden hätte [Spaltenumbruch]d.
Es weint die Thränendrüse Thränen, wenn man die Hornhaut, nämlich die gemeinschaftliche Augenhaut reitzt, ob iene gleich von dieser entfernt ist. Es ist aber hier dieser Nerve auf beiden Seiten einerlei. Es geht von einem Auge zum andern der Schmerz und die Ent- zündung über. Diese Nerven aber laufen in eins zu- sammen.
Es scheint aber in Krankheiten vieles vorzukommen, woraus man sehen kann, daß die Empfindung, und die Veränderung, welche von der Empfindung herrührt, nicht blos im Gehirn, sondern auch zu andern entfernten Theilen des menschlichen Körpers, deren Nerve mit
dem
dMem. sur les part. sensibl. 237. Lawrence praelect. p. 78. Nach Verletzung des Ribbennerven er- folgte ein Krampf, Ruysch thes. 6. n. 21. und da der Schenkelnerve [Spaltenumbruch]
gereitzt worden, Duverney II. p. 565. da der Nerve unter der Augenhöle an einem Menschen gereitzt wurde, Marechall bei Sauvages nosol. II. p. 2. p. 25. 26.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
Wenn demnach die ſinnlichen Eindruͤcke in dem Ge- hirne aufbehalten werden, ſo muͤſſen ſolche auch nothwen- dig dahin gebracht worden ſein.
§. 23. Ob die Eindruͤcke der Sinnen durch die Nerven auch anderswohin uͤbertragen werden.
Daß die ſinnlichen Eindruͤcke auch von einem Ner- ven zum andern uͤbergeleitet werden, lehret zwar die Zer- gliederungskunſt nicht. Es ſcheinen aber die Vorfaͤlle in den Krankheiten ſolches allerdings zubeiahen. Jch habe in anatomiſchen Verſuchen niemals geſehen, daß die Zeichen des Schmerzens an einem andern Theile er- ſchienen waͤren, als in dem, welches verletzt worden. So habe ich niemals geſehen, wenn man den Nerven des rechten Schenkels gezerrt, daß man an dem lin- ken Schenkel oder Arme einigen Schmerz empfunden haͤtte [Spaltenumbruch]d.
Es weint die Thraͤnendruͤſe Thraͤnen, wenn man die Hornhaut, naͤmlich die gemeinſchaftliche Augenhaut reitzt, ob iene gleich von dieſer entfernt iſt. Es iſt aber hier dieſer Nerve auf beiden Seiten einerlei. Es geht von einem Auge zum andern der Schmerz und die Ent- zuͤndung uͤber. Dieſe Nerven aber laufen in eins zu- ſammen.
Es ſcheint aber in Krankheiten vieles vorzukommen, woraus man ſehen kann, daß die Empfindung, und die Veraͤnderung, welche von der Empfindung herruͤhrt, nicht blos im Gehirn, ſondern auch zu andern entfernten Theilen des menſchlichen Koͤrpers, deren Nerve mit
dem
dMem. ſur les part. ſenſibl. 237. Lawrence praelect. p. 78. Nach Verletzung des Ribbennerven er- folgte ein Krampf, Ruyſch theſ. 6. n. 21. und da der Schenkelnerve [Spaltenumbruch]
gereitzt worden, Duverney II. p. 565. da der Nerve unter der Augenhoͤle an einem Menſchen gereitzt wurde, Marechall bei Sauvages noſol. II. p. 2. p. 25. 26.
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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
Wenn demnach die ſinnlichen Eindruͤcke in dem Ge-
hirne aufbehalten werden, ſo muͤſſen ſolche auch nothwen-
dig dahin gebracht worden ſein.
§. 23.
Ob die Eindruͤcke der Sinnen durch die Nerven
auch anderswohin uͤbertragen werden.
Daß die ſinnlichen Eindruͤcke auch von einem Ner-
ven zum andern uͤbergeleitet werden, lehret zwar die Zer-
gliederungskunſt nicht. Es ſcheinen aber die Vorfaͤlle
in den Krankheiten ſolches allerdings zubeiahen. Jch
habe in anatomiſchen Verſuchen niemals geſehen, daß
die Zeichen des Schmerzens an einem andern Theile er-
ſchienen waͤren, als in dem, welches verletzt worden.
So habe ich niemals geſehen, wenn man den Nerven
des rechten Schenkels gezerrt, daß man an dem lin-
ken Schenkel oder Arme einigen Schmerz empfunden
haͤtte
d.
Es weint die Thraͤnendruͤſe Thraͤnen, wenn man die
Hornhaut, naͤmlich die gemeinſchaftliche Augenhaut
reitzt, ob iene gleich von dieſer entfernt iſt. Es iſt aber
hier dieſer Nerve auf beiden Seiten einerlei. Es geht
von einem Auge zum andern der Schmerz und die Ent-
zuͤndung uͤber. Dieſe Nerven aber laufen in eins zu-
ſammen.
Es ſcheint aber in Krankheiten vieles vorzukommen,
woraus man ſehen kann, daß die Empfindung, und die
Veraͤnderung, welche von der Empfindung herruͤhrt,
nicht blos im Gehirn, ſondern auch zu andern entfernten
Theilen des menſchlichen Koͤrpers, deren Nerve mit
dem
d Mem. ſur les part. ſenſibl.
237. Lawrence praelect. p. 78. Nach
Verletzung des Ribbennerven er-
folgte ein Krampf, Ruyſch theſ.
6. n. 21. und da der Schenkelnerve
gereitzt worden, Duverney II. p. 565.
da der Nerve unter der Augenhoͤle
an einem Menſchen gereitzt wurde,
Marechall bei Sauvages noſol. II. p.
2. p. 25. 26.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/538>, abgerufen am 22.11.2024.
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