Diese Künste sind eigentlich nur allein auf taube Per- sonen gerichtet, denn, wenn diese nicht taub, aber wohl stumm sind (r), so müssen an diesen Menschen die Werk- zeuge der Sprache selbst verlezzet seyn, wenn diese aber zu ihren Bewegungen ungeschikkt sind, so kann kein Acht- geben auf einen Redenden helfen, diese Bewegungen wieder herzustellen.
Ferner verlangt die Kunst wenigstens Personen, die acht Jahr alt sind (s), wenn sie auf die Lehren des Mei- sters mit Geduld, und beständiger Aufmerksamkeit acht geben sollen; ferner so ließ Ammann erst einen solchen Schüler mit den Fingern das Zittern des Luftröhrenkop- fes in der Zeit bemerken, wenn er selbsten sprach, und er mußte dieses Zittern an seiner eigenen Kehle nachma- chen (t). Wenn er also gelernet, eine Stimme von sich zu geben, so läst er ihn die Selbstlauter aussprechen, in- dem er vor einem Spiegel solche Bewegungen der Lippen und des Mundes studiret, dergleichen er an seinem Sprachlehrer (u) gesehen hatte, hierauf mus er die Hand an die Kehle des Lehrers legen, und wenn dieser seine Nase zugedrükkt, so lernt er ein ganzes und vollständiges Wort heraus bringen (x). Jndem er nun spricht, so schreibet er zugleich eben diese Selbstlauter nieder (y), damit sie im festen Sinne bleiben mögen, und zwar nur wenig auf einmal, doch aber alle Tage einige. Hierauf lehrt er dem Untergebenen allmälig die Halbvocales (z), wie auch die übrigen Buchstaben hervorbringen, wobei er sich allemal in acht nimt, daß er nicht zugleich die Namen seiner Mitlau- ter beifügt (a). Hierauf läst er die Buchstaben, die man recht begriffen, schnell zu Silben werden (b), nach diesem bringt er
ihm
(r)[Spaltenumbruch]dom. pamarolvs Pentec. IX. obs. 17. Menschen sind nicht stumm, wenn sie nicht zugleich taub sind, plin. Lib. X. c. 69.
(s)[Spaltenumbruch]
S. 81.
(t)[Spaltenumbruch]
S. 83.
(u) S. 84.
(x) S. 87.
(y) S. 86.
(z) S. 88.
(a)[Spaltenumbruch]
S. 89.
(b) S. 97,
IIII. Abſchn. Das Reden.
§. 13. Etwas von dieſer Kunſt.
Dieſe Kuͤnſte ſind eigentlich nur allein auf taube Per- ſonen gerichtet, denn, wenn dieſe nicht taub, aber wohl ſtumm ſind (r), ſo muͤſſen an dieſen Menſchen die Werk- zeuge der Sprache ſelbſt verlezzet ſeyn, wenn dieſe aber zu ihren Bewegungen ungeſchikkt ſind, ſo kann kein Acht- geben auf einen Redenden helfen, dieſe Bewegungen wieder herzuſtellen.
Ferner verlangt die Kunſt wenigſtens Perſonen, die acht Jahr alt ſind (s), wenn ſie auf die Lehren des Mei- ſters mit Geduld, und beſtaͤndiger Aufmerkſamkeit acht geben ſollen; ferner ſo ließ Ammann erſt einen ſolchen Schuͤler mit den Fingern das Zittern des Luftroͤhrenkop- fes in der Zeit bemerken, wenn er ſelbſten ſprach, und er mußte dieſes Zittern an ſeiner eigenen Kehle nachma- chen (t). Wenn er alſo gelernet, eine Stimme von ſich zu geben, ſo laͤſt er ihn die Selbſtlauter ausſprechen, in- dem er vor einem Spiegel ſolche Bewegungen der Lippen und des Mundes ſtudiret, dergleichen er an ſeinem Sprachlehrer (u) geſehen hatte, hierauf mus er die Hand an die Kehle des Lehrers legen, und wenn dieſer ſeine Naſe zugedruͤkkt, ſo lernt er ein ganzes und vollſtaͤndiges Wort heraus bringen (x). Jndem er nun ſpricht, ſo ſchreibet er zugleich eben dieſe Selbſtlauter nieder (y), damit ſie im feſten Sinne bleiben moͤgen, und zwar nur wenig auf einmal, doch aber alle Tage einige. Hierauf lehrt er dem Untergebenen allmaͤlig die Halbvocales (z), wie auch die uͤbrigen Buchſtaben hervorbringen, wobei er ſich allemal in acht nimt, daß er nicht zugleich die Namen ſeiner Mitlau- ter beifuͤgt (a). Hierauf laͤſt er die Buchſtaben, die man recht begriffen, ſchnell zu Silben werden (b), nach dieſem bringt er
ihm
(r)[Spaltenumbruch]dom. pamarolvſ Pentec. IX. obſ. 17. Menſchen ſind nicht ſtumm, wenn ſie nicht zugleich taub ſind, plin. Lib. X. c. 69.
(s)[Spaltenumbruch]
S. 81.
(t)[Spaltenumbruch]
S. 83.
(u) S. 84.
(x) S. 87.
(y) S. 86.
(z) S. 88.
(a)[Spaltenumbruch]
S. 89.
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[649[751]/0757]
IIII. Abſchn. Das Reden.
§. 13.
Etwas von dieſer Kunſt.
Dieſe Kuͤnſte ſind eigentlich nur allein auf taube Per-
ſonen gerichtet, denn, wenn dieſe nicht taub, aber wohl
ſtumm ſind (r), ſo muͤſſen an dieſen Menſchen die Werk-
zeuge der Sprache ſelbſt verlezzet ſeyn, wenn dieſe aber
zu ihren Bewegungen ungeſchikkt ſind, ſo kann kein Acht-
geben auf einen Redenden helfen, dieſe Bewegungen
wieder herzuſtellen.
Ferner verlangt die Kunſt wenigſtens Perſonen, die
acht Jahr alt ſind (s), wenn ſie auf die Lehren des Mei-
ſters mit Geduld, und beſtaͤndiger Aufmerkſamkeit acht
geben ſollen; ferner ſo ließ Ammann erſt einen ſolchen
Schuͤler mit den Fingern das Zittern des Luftroͤhrenkop-
fes in der Zeit bemerken, wenn er ſelbſten ſprach, und
er mußte dieſes Zittern an ſeiner eigenen Kehle nachma-
chen (t). Wenn er alſo gelernet, eine Stimme von ſich
zu geben, ſo laͤſt er ihn die Selbſtlauter ausſprechen, in-
dem er vor einem Spiegel ſolche Bewegungen der Lippen
und des Mundes ſtudiret, dergleichen er an ſeinem
Sprachlehrer (u) geſehen hatte, hierauf mus er die Hand an
die Kehle des Lehrers legen, und wenn dieſer ſeine Naſe
zugedruͤkkt, ſo lernt er ein ganzes und vollſtaͤndiges Wort
heraus bringen (x). Jndem er nun ſpricht, ſo ſchreibet
er zugleich eben dieſe Selbſtlauter nieder (y), damit ſie
im feſten Sinne bleiben moͤgen, und zwar nur wenig auf
einmal, doch aber alle Tage einige. Hierauf lehrt er
dem Untergebenen allmaͤlig die Halbvocales (z), wie auch
die uͤbrigen Buchſtaben hervorbringen, wobei er ſich allemal
in acht nimt, daß er nicht zugleich die Namen ſeiner Mitlau-
ter beifuͤgt (a). Hierauf laͤſt er die Buchſtaben, die man recht
begriffen, ſchnell zu Silben werden (b), nach dieſem bringt er
ihm
(r)
dom. pamarolvſ Pentec.
IX. obſ. 17. Menſchen ſind nicht
ſtumm, wenn ſie nicht zugleich taub
ſind, plin. Lib. X. c. 69.
(s)
S. 81.
(t)
S. 83.
(u) S. 84.
(x) S. 87.
(y) S. 86.
(z) S. 88.
(a)
S. 89.
(b) S. 97,
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 649[751]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/757>, abgerufen am 23.11.2024.
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