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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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Das Atemholen. VIII. Buch.
habe ich die allerheftigste Einatmungen, über welche sich
keine gewaltsamere gedenken lassen, vor mir gesehen.

Folglich ist diejenige Bewegung der Brust gewönli-
cher, da sich die ersten Ribben nicht erheben, hingegen
die übrige Ribben allerdings ihre Lage verändern, und
sie von ihrer schiefen Richtung in krumme Linien verwan-
deln, die Kreisen näher kommen, und mit dem Brust-
beine und den Wirbeln grössere Winkel machen.

Es geschicht aber diese Bewegung mittelst der Hin-
terbögen der Ribben, als welche offenbar niedersinken,
indem sie sich ein wenig aufwerts heben. Dieses eräug-
net sich an den öbern Ribben leichter, weil die Gelenkflä-
chen gegen die Wirbelkörper herauf sehen (a), und folg-
lich nicht nur dem untersten Theile der Ribben zur
Lehne dienen, sondern auch oberwerts den Weg frei las-
sen, und erleichtern. Wegen dieser, wie auch anderer
Ursachen, heben sich, wiewol weniger, bei den heftigsten
Anstrengungen des Atens, die untern Ribben, theils
weil die Gelenkflächen herabgekert sind (b), und
folglich die hinaufgerichtete Kraft aufhalten, dagegen
aber den niedersinkenden Ribben leichter gehorchen, theils
weil sie zum Heben wenig Kräfte, und kaum andre von
den Zwischenmuskeln der Ribben zum niederziehen, aber
sehr ansenliche Kräfte am vierekkigen Lenden, Heiligbeins-
muskel, die sehr lang sind, haben.

Eben diese Ribben steigen mit der Mitte ihres Vo-
gens weit herauf, und es ist ihre Bewegung um so viel
grösser, weil sie überhaupt von dem Wirbelbeine weit ent-
fernet liegen. Sie sind also Hebel, die sich über die Wir-
bel, wie über den Ruhepunkt, herauf begeben, und sie
beschreiben Bögen, die um desto grösser geraten, je län-
länger sie sind. Jndem sie in die Höhe steigen, ziehen
sie ihre obere Ränder einwerts hinein, und die äussern

Ränder
(a) [Spaltenumbruch] §. 4.
(b) [Spaltenumbruch] Eben da.

Das Atemholen. VIII. Buch.
habe ich die allerheftigſte Einatmungen, uͤber welche ſich
keine gewaltſamere gedenken laſſen, vor mir geſehen.

Folglich iſt diejenige Bewegung der Bruſt gewoͤnli-
cher, da ſich die erſten Ribben nicht erheben, hingegen
die uͤbrige Ribben allerdings ihre Lage veraͤndern, und
ſie von ihrer ſchiefen Richtung in krumme Linien verwan-
deln, die Kreiſen naͤher kommen, und mit dem Bruſt-
beine und den Wirbeln groͤſſere Winkel machen.

Es geſchicht aber dieſe Bewegung mittelſt der Hin-
terboͤgen der Ribben, als welche offenbar niederſinken,
indem ſie ſich ein wenig aufwerts heben. Dieſes eraͤug-
net ſich an den oͤbern Ribben leichter, weil die Gelenkflaͤ-
chen gegen die Wirbelkoͤrper herauf ſehen (a), und folg-
lich nicht nur dem unterſten Theile der Ribben zur
Lehne dienen, ſondern auch oberwerts den Weg frei laſ-
ſen, und erleichtern. Wegen dieſer, wie auch anderer
Urſachen, heben ſich, wiewol weniger, bei den heftigſten
Anſtrengungen des Atens, die untern Ribben, theils
weil die Gelenkflaͤchen herabgekert ſind (b), und
folglich die hinaufgerichtete Kraft aufhalten, dagegen
aber den niederſinkenden Ribben leichter gehorchen, theils
weil ſie zum Heben wenig Kraͤfte, und kaum andre von
den Zwiſchenmuſkeln der Ribben zum niederziehen, aber
ſehr anſenliche Kraͤfte am vierekkigen Lenden, Heiligbeins-
muſkel, die ſehr lang ſind, haben.

Eben dieſe Ribben ſteigen mit der Mitte ihres Vo-
gens weit herauf, und es iſt ihre Bewegung um ſo viel
groͤſſer, weil ſie uͤberhaupt von dem Wirbelbeine weit ent-
fernet liegen. Sie ſind alſo Hebel, die ſich uͤber die Wir-
bel, wie uͤber den Ruhepunkt, herauf begeben, und ſie
beſchreiben Boͤgen, die um deſto groͤſſer geraten, je laͤn-
laͤnger ſie ſind. Jndem ſie in die Hoͤhe ſteigen, ziehen
ſie ihre obere Raͤnder einwerts hinein, und die aͤuſſern

Raͤnder
(a) [Spaltenumbruch] §. 4.
(b) [Spaltenumbruch] Eben da.
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[38/0044] Das Atemholen. VIII. Buch. habe ich die allerheftigſte Einatmungen, uͤber welche ſich keine gewaltſamere gedenken laſſen, vor mir geſehen. Folglich iſt diejenige Bewegung der Bruſt gewoͤnli- cher, da ſich die erſten Ribben nicht erheben, hingegen die uͤbrige Ribben allerdings ihre Lage veraͤndern, und ſie von ihrer ſchiefen Richtung in krumme Linien verwan- deln, die Kreiſen naͤher kommen, und mit dem Bruſt- beine und den Wirbeln groͤſſere Winkel machen. Es geſchicht aber dieſe Bewegung mittelſt der Hin- terboͤgen der Ribben, als welche offenbar niederſinken, indem ſie ſich ein wenig aufwerts heben. Dieſes eraͤug- net ſich an den oͤbern Ribben leichter, weil die Gelenkflaͤ- chen gegen die Wirbelkoͤrper herauf ſehen (a), und folg- lich nicht nur dem unterſten Theile der Ribben zur Lehne dienen, ſondern auch oberwerts den Weg frei laſ- ſen, und erleichtern. Wegen dieſer, wie auch anderer Urſachen, heben ſich, wiewol weniger, bei den heftigſten Anſtrengungen des Atens, die untern Ribben, theils weil die Gelenkflaͤchen herabgekert ſind (b), und folglich die hinaufgerichtete Kraft aufhalten, dagegen aber den niederſinkenden Ribben leichter gehorchen, theils weil ſie zum Heben wenig Kraͤfte, und kaum andre von den Zwiſchenmuſkeln der Ribben zum niederziehen, aber ſehr anſenliche Kraͤfte am vierekkigen Lenden, Heiligbeins- muſkel, die ſehr lang ſind, haben. Eben dieſe Ribben ſteigen mit der Mitte ihres Vo- gens weit herauf, und es iſt ihre Bewegung um ſo viel groͤſſer, weil ſie uͤberhaupt von dem Wirbelbeine weit ent- fernet liegen. Sie ſind alſo Hebel, die ſich uͤber die Wir- bel, wie uͤber den Ruhepunkt, herauf begeben, und ſie beſchreiben Boͤgen, die um deſto groͤſſer geraten, je laͤn- laͤnger ſie ſind. Jndem ſie in die Hoͤhe ſteigen, ziehen ſie ihre obere Raͤnder einwerts hinein, und die aͤuſſern Raͤnder (a) §. 4. (b) Eben da.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/44>, abgerufen am 02.05.2024.