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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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IIII. Abschn. dessen Erscheinungen.
habe diesen durch keine Kunst aus Thieren erzwingen
können.

Jch empfinde es selbst, wie schwer es sey, die Em-
findung von einer Aengstlichkeit, in vollkomnem Schlafe (o),
und in vollkommnem Schlage zu verteidigen. Allein
wenn man die Stufen des Schlafes durchgeht (p), so
wird es so unerklärlich nichr seyn. Das Rasen ist ein
Schlaf, und nicht eine Ruhe der Seele (p*). Jn dem
unruhigen Schlafe der Nachtwandler wirken fast alle
Werkzeuge des Willens; in einem, etwas weniger feh-
lerhaften Schlafe, reden dennoch einige Menschen, und
wenige sind, die nicht dann und wann den Körper um-
wenden.

Man kan die starken Affekten der Sele so gar aus
dem Atmungstone der schlafenden errathen, und es unter-
scheidet sich die Furcht, die Betrübnis, die Empfindung
von Ungemächlichkeit, und die Freude durch ihre Karak-
tere. Ein Mensch krümmt, und jeder nach seiner Ge-
wonheit, die Gelenke der Gliedmaaßen, und die dem
Willen gehorchende Muskeln, erhalten sie in solcher Lage.
Es sind die Schliesmuskeln geschlossen, die Augenlieder
niedergelassen, man schliest sie aus willkührlicher Gewon-
heit, vor Furcht, und wenn die Furcht vorrüber ist, so
werden sie doch von eben diesen Muskeln, die blos der
Wille lenkt, geschlossen. Folglich kommen im Schlafen
viele Spuren von dem Willen, und diesem untergeordne-
ten Muskeln vor. Der Schlag ist ein schlimmer, und
verderblicher Schlaf. Und es hat hier Whytt Recht (q),

daß
(o) [Spaltenumbruch] Es gesteht Galen, er wisse
diesen Knoten nicht aufzulösen.
Vergl. damit eine Stelle von ähnli-
chem Sinne beim EABRICIO.
S. 26. Jndessen pflegte sich doch Ga-
len
auf die Nothwendigkeit zu beru-
fen, welche Ursache wäre, daß das
Atemholen niemals aufhöre, in
aphor. II. n.
42.
(p) [Spaltenumbruch] Dieses alles wird erst im Bu-
che von den innerlichen Sinnen
erwiesen werden können; vorjezzt
nehme ich es, als vor wahr an, weil
ich glaube, daß es ein jeder zugeben
wird.
(p*) Vergl. den ber. PORTER-
FIELDS
on the Eyes T. II.
S. 56.
(q) On vitals motions. S. 192.

IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.
habe dieſen durch keine Kunſt aus Thieren erzwingen
koͤnnen.

Jch empfinde es ſelbſt, wie ſchwer es ſey, die Em-
findung von einer Aengſtlichkeit, in vollkomnem Schlafe (o),
und in vollkommnem Schlage zu verteidigen. Allein
wenn man die Stufen des Schlafes durchgeht (p), ſo
wird es ſo unerklaͤrlich nichr ſeyn. Das Raſen iſt ein
Schlaf, und nicht eine Ruhe der Seele (p*). Jn dem
unruhigen Schlafe der Nachtwandler wirken faſt alle
Werkzeuge des Willens; in einem, etwas weniger feh-
lerhaften Schlafe, reden dennoch einige Menſchen, und
wenige ſind, die nicht dann und wann den Koͤrper um-
wenden.

Man kan die ſtarken Affekten der Sele ſo gar aus
dem Atmungstone der ſchlafenden errathen, und es unter-
ſcheidet ſich die Furcht, die Betruͤbnis, die Empfindung
von Ungemaͤchlichkeit, und die Freude durch ihre Karak-
tere. Ein Menſch kruͤmmt, und jeder nach ſeiner Ge-
wonheit, die Gelenke der Gliedmaaßen, und die dem
Willen gehorchende Muskeln, erhalten ſie in ſolcher Lage.
Es ſind die Schliesmuskeln geſchloſſen, die Augenlieder
niedergelaſſen, man ſchlieſt ſie aus willkuͤhrlicher Gewon-
heit, vor Furcht, und wenn die Furcht vorruͤber iſt, ſo
werden ſie doch von eben dieſen Muskeln, die blos der
Wille lenkt, geſchloſſen. Folglich kommen im Schlafen
viele Spuren von dem Willen, und dieſem untergeordne-
ten Muskeln vor. Der Schlag iſt ein ſchlimmer, und
verderblicher Schlaf. Und es hat hier Whytt Recht (q),

daß
(o) [Spaltenumbruch] Es geſteht Galen, er wiſſe
dieſen Knoten nicht aufzuloͤſen.
Vergl. damit eine Stelle von aͤhnli-
chem Sinne beim EABRICIO.
S. 26. Jndeſſen pflegte ſich doch Ga-
len
auf die Nothwendigkeit zu beru-
fen, welche Urſache waͤre, daß das
Atemholen niemals aufhoͤre, in
aphor. II. n.
42.
(p) [Spaltenumbruch] Dieſes alles wird erſt im Bu-
che von den innerlichen Sinnen
erwieſen werden koͤnnen; vorjezzt
nehme ich es, als vor wahr an, weil
ich glaube, daß es ein jeder zugeben
wird.
(p*) Vergl. den ber. PORTER-
FIELDS
on the Eyes T. II.
S. 56.
(q) On vitals motions. S. 192.
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[415/0421] IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen. habe dieſen durch keine Kunſt aus Thieren erzwingen koͤnnen. Jch empfinde es ſelbſt, wie ſchwer es ſey, die Em- findung von einer Aengſtlichkeit, in vollkomnem Schlafe (o), und in vollkommnem Schlage zu verteidigen. Allein wenn man die Stufen des Schlafes durchgeht (p), ſo wird es ſo unerklaͤrlich nichr ſeyn. Das Raſen iſt ein Schlaf, und nicht eine Ruhe der Seele (p*). Jn dem unruhigen Schlafe der Nachtwandler wirken faſt alle Werkzeuge des Willens; in einem, etwas weniger feh- lerhaften Schlafe, reden dennoch einige Menſchen, und wenige ſind, die nicht dann und wann den Koͤrper um- wenden. Man kan die ſtarken Affekten der Sele ſo gar aus dem Atmungstone der ſchlafenden errathen, und es unter- ſcheidet ſich die Furcht, die Betruͤbnis, die Empfindung von Ungemaͤchlichkeit, und die Freude durch ihre Karak- tere. Ein Menſch kruͤmmt, und jeder nach ſeiner Ge- wonheit, die Gelenke der Gliedmaaßen, und die dem Willen gehorchende Muskeln, erhalten ſie in ſolcher Lage. Es ſind die Schliesmuskeln geſchloſſen, die Augenlieder niedergelaſſen, man ſchlieſt ſie aus willkuͤhrlicher Gewon- heit, vor Furcht, und wenn die Furcht vorruͤber iſt, ſo werden ſie doch von eben dieſen Muskeln, die blos der Wille lenkt, geſchloſſen. Folglich kommen im Schlafen viele Spuren von dem Willen, und dieſem untergeordne- ten Muskeln vor. Der Schlag iſt ein ſchlimmer, und verderblicher Schlaf. Und es hat hier Whytt Recht (q), daß (o) Es geſteht Galen, er wiſſe dieſen Knoten nicht aufzuloͤſen. Vergl. damit eine Stelle von aͤhnli- chem Sinne beim EABRICIO. S. 26. Jndeſſen pflegte ſich doch Ga- len auf die Nothwendigkeit zu beru- fen, welche Urſache waͤre, daß das Atemholen niemals aufhoͤre, in aphor. II. n. 42. (p) Dieſes alles wird erſt im Bu- che von den innerlichen Sinnen erwieſen werden koͤnnen; vorjezzt nehme ich es, als vor wahr an, weil ich glaube, daß es ein jeder zugeben wird. (p*) Vergl. den ber. PORTER- FIELDS on the Eyes T. II. S. 56. (q) On vitals motions. S. 192.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/421>, abgerufen am 22.11.2024.