3. Es ist nichts seltnes, daß aus einer verwundeten Brust, Luft, oder die Karpei herausgedrungen, und es nimmt mich gar nicht wunder, daß im nächsten Ausat- men die Luft mit solcher Gewalt herausgefahren, daß sie Queksilber neun Zoll hoch getrieben (o). Denn es dringt, in die Brust eines Thieres, weil solche warm ist, die dichtere, und kältere Atmosphär eben so ein, wie es die Winde zu thun pflegen, welche auf denjenigen Theil der Luft einen Einfall thun, den die Sonnenhizze verdünnt hat: und eben diese Luft wird kurz darauf im Ausatmen ausgestossen (p).
4. Bei dem Versuche des Hales, scheint sich die Ur- sache zu ändern. Es ist nämlich gar zu bekannt, daßdie Luft in unsren körperlichen Flüßigkeiten, welche sonst darinnen beständig (Fixus) gemacht ist, und keine elastische Kraft äussert, wenn man den Drukk der Luft aufhebt, wunder- bahr ausgedehnt werde (q): und daß daher auch oft, ohne einige andre Zerreissung, die Gefässe zerreissen, und diese Lunge mit Geblüte angefüllt werde. Eben das eräugnete sich auch in dem Versuche unsers berühmten Amtsgehülfen, da sich die innere Luft, indem man die geöffnete Brust, in einen Luftleeren Raum hinablies, ausbreitete. Allein dieser berühmte Mann thut Unrecht, wenn er sagt, daß die Lunge, welche in einer unbeschädigter Brust, unter die Luftpumpe gebracht wird, weis, und zusammenge- drükkt sey; denn man findet an einem unter der Glokke getödteten Thiere, die Lunge mit Blut unterlaufen, und voller Blut, welches sich in die Zellen ergossen hat (r). Es ist auch hier nichts daran gelegen, ob sich um die Lunge
Luft
[Spaltenumbruch]
de, die durch beide Seiten eindrang, ohne Zufälle zu machen, und ohne ein einziges Eingeweide zu beschä- digen, mveller. biga observ. S. 27.
(o)HALES vegetabl. stat. exp. 13. S. 251.
(p)[Spaltenumbruch]SHEB BEARE. S. 155. Vergl. Comment. boerh. T. V. P. II. S. 25.
(q)BORELLVS. L. II. prop. 20. bohn. S. 86. u. s. f.
(r)Exp. nostr. 142. und 143.
Das Atemholen. VIII. Buch
3. Es iſt nichts ſeltnes, daß aus einer verwundeten Bruſt, Luft, oder die Karpei herausgedrungen, und es nimmt mich gar nicht wunder, daß im naͤchſten Ausat- men die Luft mit ſolcher Gewalt herausgefahren, daß ſie Quekſilber neun Zoll hoch getrieben (o). Denn es dringt, in die Bruſt eines Thieres, weil ſolche warm iſt, die dichtere, und kaͤltere Atmoſphaͤr eben ſo ein, wie es die Winde zu thun pflegen, welche auf denjenigen Theil der Luft einen Einfall thun, den die Sonnenhizze verduͤnnt hat: und eben dieſe Luft wird kurz darauf im Ausatmen ausgeſtoſſen (p).
4. Bei dem Verſuche des Hales, ſcheint ſich die Ur- ſache zu aͤndern. Es iſt naͤmlich gar zu bekannt, daßdie Luft in unſren koͤrperlichen Fluͤßigkeiten, welche ſonſt darinnen beſtaͤndig (Fixus) gemacht iſt, und keine elaſtiſche Kraft aͤuſſert, wenn man den Drukk der Luft aufhebt, wunder- bahr ausgedehnt werde (q): und daß daher auch oft, ohne einige andre Zerreiſſung, die Gefaͤſſe zerreiſſen, und dieſe Lunge mit Gebluͤte angefuͤllt werde. Eben das eraͤugnete ſich auch in dem Verſuche unſers beruͤhmten Amtsgehuͤlfen, da ſich die innere Luft, indem man die geoͤffnete Bruſt, in einen Luftleeren Raum hinablies, ausbreitete. Allein dieſer beruͤhmte Mann thut Unrecht, wenn er ſagt, daß die Lunge, welche in einer unbeſchaͤdigter Bruſt, unter die Luftpumpe gebracht wird, weis, und zuſammenge- druͤkkt ſey; denn man findet an einem unter der Glokke getoͤdteten Thiere, die Lunge mit Blut unterlaufen, und voller Blut, welches ſich in die Zellen ergoſſen hat (r). Es iſt auch hier nichts daran gelegen, ob ſich um die Lunge
Luft
[Spaltenumbruch]
de, die durch beide Seiten eindrang, ohne Zufaͤlle zu machen, und ohne ein einziges Eingeweide zu beſchaͤ- digen, mveller. biga obſerv. S. 27.
(o)HALES vegetabl. ſtat. exp. 13. S. 251.
(p)[Spaltenumbruch]SHEB BEARE. S. 155. Vergl. Comment. boerh. T. V. P. II. S. 25.
(q)BORELLVS. L. II. prop. 20. bohn. S. 86. u. ſ. f.
(r)Exp. noſtr. 142. und 143.
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Das Atemholen. VIII. Buch
3. Es iſt nichts ſeltnes, daß aus einer verwundeten
Bruſt, Luft, oder die Karpei herausgedrungen, und es
nimmt mich gar nicht wunder, daß im naͤchſten Ausat-
men die Luft mit ſolcher Gewalt herausgefahren, daß ſie
Quekſilber neun Zoll hoch getrieben (o). Denn es dringt,
in die Bruſt eines Thieres, weil ſolche warm iſt, die
dichtere, und kaͤltere Atmoſphaͤr eben ſo ein, wie es die
Winde zu thun pflegen, welche auf denjenigen Theil der
Luft einen Einfall thun, den die Sonnenhizze verduͤnnt
hat: und eben dieſe Luft wird kurz darauf im Ausatmen
ausgeſtoſſen (p).
4. Bei dem Verſuche des Hales, ſcheint ſich die Ur-
ſache zu aͤndern. Es iſt naͤmlich gar zu bekannt, daßdie Luft
in unſren koͤrperlichen Fluͤßigkeiten, welche ſonſt darinnen
beſtaͤndig (Fixus) gemacht iſt, und keine elaſtiſche Kraft
aͤuſſert, wenn man den Drukk der Luft aufhebt, wunder-
bahr ausgedehnt werde (q): und daß daher auch oft, ohne
einige andre Zerreiſſung, die Gefaͤſſe zerreiſſen, und dieſe
Lunge mit Gebluͤte angefuͤllt werde. Eben das eraͤugnete
ſich auch in dem Verſuche unſers beruͤhmten Amtsgehuͤlfen,
da ſich die innere Luft, indem man die geoͤffnete Bruſt,
in einen Luftleeren Raum hinablies, ausbreitete. Allein
dieſer beruͤhmte Mann thut Unrecht, wenn er ſagt, daß
die Lunge, welche in einer unbeſchaͤdigter Bruſt, unter
die Luftpumpe gebracht wird, weis, und zuſammenge-
druͤkkt ſey; denn man findet an einem unter der Glokke
getoͤdteten Thiere, die Lunge mit Blut unterlaufen, und
voller Blut, welches ſich in die Zellen ergoſſen hat (r). Es
iſt auch hier nichts daran gelegen, ob ſich um die Lunge
Luft
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(o) HALES vegetabl. ſtat. exp.
13. S. 251.
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SHEB BEARE. S. 155.
Vergl. Comment. boerh. T. V.
P. II. S. 25.
(q) BORELLVS. L. II. prop.
20. bohn. S. 86. u. ſ. f.
(r) Exp. noſtr. 142. und 143.
(n)
de, die durch beide Seiten eindrang,
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digen, mveller. biga obſerv.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/224>, abgerufen am 24.11.2024.
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