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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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Das Atemholen. VIII. Buch.
Freund war, noch durch den, aus dieser Streitigkeit er-
wachsnen Verdrus, noch durch irgend eine andre Sache,
ausser den folgenden Gründen, bewegen lassen, die Gegen-
meinung zu behaupten. Selbst eine unzeitige Scham-
hastigkeit soll mich nicht zurükke halten. Ja ich sehe leicht
ein, wenn ich emfände, daß die gegenseitige Meinung
von der Wahrheit das Uebergewichte bekäme, wie ich bei
aufrichtigen Verehrern der Tugend ein wahres Lob, und
einen offenherzigen Beifall verdienen müste, wofern ich,
bei diesem so langwierigen Werke, welches ich bis in mein
Alter, und weiter fortgesezzt wünsche, einen noch so spät
erkannten Jrrtum selbst ablegte, und wiederriefe.

1. Um endlich in einem so langen Gezänke einmal
entscheiden zu können, so schien mir dazu der leichteste Weg
dieser zu seyn, wenn ich die Lungen der Vögel, der vierfüssi-
gen Thiere, und des Menschen, selbst gegen einander verglei-
che. Denn es ist die Sache ausgemacht, daß sich in der
Brust der Vögel Luft befindet. Wenn nun auch in der
Brust der Vierfüssigen, zwischen der Ribbenhaut, und
Lunge, Luft vorhanden ist, so müssen auch in der Brust
der Vögel, und Vierfüssigen, bei einerlei Anwendung, auch
einerlei Erscheinungen vorgehen. Es hängen also die
Lungen der Vögel an der Ribbenhaut, vom zehnten Tage
des Brütens, mit zellförmigen Fäden, an (z), und die Lun-
ge ist im erwachsnen Vogel völlig unbeweglich (a), sie liegt
nahe am Rükken, in dem Grunde der bläsigen Mem-
bran. Zwischen dieser Lunge, und ihren Membranen,
ist viel Plazz; diesen füllt die Luft an, welche sich durch
die weite Löcher der Lunge, zwischen der erhabnen Ober-
fläche dieses Eingeweides, und zwischen die Membranen,
ergiest. Durch eben diese Löcher wird die Luft wieder
durchs Blasen, in die Luftröhre getrieben (b). Und so ist

es
(z) [Spaltenumbruch] Observ. sur le poulet. T. II.
S. 121.
(a) Exper. sur la respiration.
[Spaltenumbruch] S. 308. n. 89. 90. needham.
angef. Orte.
(b) Ebendas. und exper. 117.

Das Atemholen. VIII. Buch.
Freund war, noch durch den, aus dieſer Streitigkeit er-
wachſnen Verdrus, noch durch irgend eine andre Sache,
auſſer den folgenden Gruͤnden, bewegen laſſen, die Gegen-
meinung zu behaupten. Selbſt eine unzeitige Scham-
haſtigkeit ſoll mich nicht zuruͤkke halten. Ja ich ſehe leicht
ein, wenn ich emfaͤnde, daß die gegenſeitige Meinung
von der Wahrheit das Uebergewichte bekaͤme, wie ich bei
aufrichtigen Verehrern der Tugend ein wahres Lob, und
einen offenherzigen Beifall verdienen muͤſte, wofern ich,
bei dieſem ſo langwierigen Werke, welches ich bis in mein
Alter, und weiter fortgeſezzt wuͤnſche, einen noch ſo ſpaͤt
erkannten Jrrtum ſelbſt ablegte, und wiederriefe.

1. Um endlich in einem ſo langen Gezaͤnke einmal
entſcheiden zu koͤnnen, ſo ſchien mir dazu der leichteſte Weg
dieſer zu ſeyn, wenn ich die Lungen der Voͤgel, der vierfuͤſſi-
gen Thiere, und des Menſchen, ſelbſt gegen einander verglei-
che. Denn es iſt die Sache ausgemacht, daß ſich in der
Bruſt der Voͤgel Luft befindet. Wenn nun auch in der
Bruſt der Vierfuͤſſigen, zwiſchen der Ribbenhaut, und
Lunge, Luft vorhanden iſt, ſo muͤſſen auch in der Bruſt
der Voͤgel, und Vierfuͤſſigen, bei einerlei Anwendung, auch
einerlei Erſcheinungen vorgehen. Es haͤngen alſo die
Lungen der Voͤgel an der Ribbenhaut, vom zehnten Tage
des Bruͤtens, mit zellfoͤrmigen Faͤden, an (z), und die Lun-
ge iſt im erwachſnen Vogel voͤllig unbeweglich (a), ſie liegt
nahe am Ruͤkken, in dem Grunde der blaͤſigen Mem-
bran. Zwiſchen dieſer Lunge, und ihren Membranen,
iſt viel Plazz; dieſen fuͤllt die Luft an, welche ſich durch
die weite Loͤcher der Lunge, zwiſchen der erhabnen Ober-
flaͤche dieſes Eingeweides, und zwiſchen die Membranen,
ergieſt. Durch eben dieſe Loͤcher wird die Luft wieder
durchs Blaſen, in die Luftroͤhre getrieben (b). Und ſo iſt

es
(z) [Spaltenumbruch] Obſerv. ſur le poulet. T. II.
S. 121.
(a) Exper. ſur la reſpiration.
[Spaltenumbruch] S. 308. n. 89. 90. needham.
angef. Orte.
(b) Ebendaſ. und exper. 117.
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[204/0210] Das Atemholen. VIII. Buch. Freund war, noch durch den, aus dieſer Streitigkeit er- wachſnen Verdrus, noch durch irgend eine andre Sache, auſſer den folgenden Gruͤnden, bewegen laſſen, die Gegen- meinung zu behaupten. Selbſt eine unzeitige Scham- haſtigkeit ſoll mich nicht zuruͤkke halten. Ja ich ſehe leicht ein, wenn ich emfaͤnde, daß die gegenſeitige Meinung von der Wahrheit das Uebergewichte bekaͤme, wie ich bei aufrichtigen Verehrern der Tugend ein wahres Lob, und einen offenherzigen Beifall verdienen muͤſte, wofern ich, bei dieſem ſo langwierigen Werke, welches ich bis in mein Alter, und weiter fortgeſezzt wuͤnſche, einen noch ſo ſpaͤt erkannten Jrrtum ſelbſt ablegte, und wiederriefe. 1. Um endlich in einem ſo langen Gezaͤnke einmal entſcheiden zu koͤnnen, ſo ſchien mir dazu der leichteſte Weg dieſer zu ſeyn, wenn ich die Lungen der Voͤgel, der vierfuͤſſi- gen Thiere, und des Menſchen, ſelbſt gegen einander verglei- che. Denn es iſt die Sache ausgemacht, daß ſich in der Bruſt der Voͤgel Luft befindet. Wenn nun auch in der Bruſt der Vierfuͤſſigen, zwiſchen der Ribbenhaut, und Lunge, Luft vorhanden iſt, ſo muͤſſen auch in der Bruſt der Voͤgel, und Vierfuͤſſigen, bei einerlei Anwendung, auch einerlei Erſcheinungen vorgehen. Es haͤngen alſo die Lungen der Voͤgel an der Ribbenhaut, vom zehnten Tage des Bruͤtens, mit zellfoͤrmigen Faͤden, an (z), und die Lun- ge iſt im erwachſnen Vogel voͤllig unbeweglich (a), ſie liegt nahe am Ruͤkken, in dem Grunde der blaͤſigen Mem- bran. Zwiſchen dieſer Lunge, und ihren Membranen, iſt viel Plazz; dieſen fuͤllt die Luft an, welche ſich durch die weite Loͤcher der Lunge, zwiſchen der erhabnen Ober- flaͤche dieſes Eingeweides, und zwiſchen die Membranen, ergieſt. Durch eben dieſe Loͤcher wird die Luft wieder durchs Blaſen, in die Luftroͤhre getrieben (b). Und ſo iſt es (z) Obſerv. ſur le poulet. T. II. S. 121. (a) Exper. ſur la reſpiration. S. 308. n. 89. 90. needham. angef. Orte. (b) Ebendaſ. und exper. 117.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/210>, abgerufen am 18.05.2024.