Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Durchseiher.
zu notwendigen Nuzzen geschikkt gemacht, und überhaupt
nach den Versuchen schnell bewegt zu werden. Folglich
können sie nicht durch Durchseiher, da deren Natur alle
Geschwindigkeit aufhebt, abgesondert werden. Folglich
kann weder der Harn, noch die Hautausdünstung oder
der Nervensaft durch Bläschen durchgeseihet werden.

Eben so kan kein Saft, der nicht schleimig oder trä-
ge ist, durch Bläschen abgesondert werden. Denn es
haben alle menschliche Säfte diese unzertrennliche Natur
unter sich gemein, daß sie dikk werden, wenn sie stille
stehen, und ohne Bewegung sind, wie davon die Galle,
der Schleim, der Saame, das Fett, das Ohrenschmalz,
und die Milch ein Exempel geben: es sind nämlich über-
all in den Behältern einsaugende Blutäderchen da, wel-
che von einem stillstehenden Safte alles dünne Wasser
wegsaugen. Folglich ist es ein Wiederspruch in Absicht
auf die Sache selbst, und auf die Weisheit der Natur,
daß flüssige Säfte durch Bläschen durchgeseiht werden
sollten.

§. 14.
Es behält indessen die Sache Ruyschens
den Preis.

Da nun hin und wieder berümte Männer, sowol
diese, als andre Gründe für den Ruysch beibrachten,
und er selbst seine Sache durch eine Anzal sehr schöner,
und mit eigner Hand ausgesprizzter Leichname, in ihr
Licht sezzte, so geschahe es nach und nach, daß seine Sa-
che die Oberhand bekam. Er zeigte also, daß die zum
Absondern bestimmte Eingeweide, und vornämlich ihre
Kernchen, und die zusammengesezzte Drüsen, aus lauter
Gefässen bestehen, welche mit Hülfe des Zellgewebes un-
ter einander verbunden, und so stark verbunden sind, daß
das Kernchen an seinem Orte stehen bleibt, und wegen
der losen Fäden, an denen es hängt, ganz und gar und

ohne

Die Durchſeiher.
zu notwendigen Nuzzen geſchikkt gemacht, und uͤberhaupt
nach den Verſuchen ſchnell bewegt zu werden. Folglich
koͤnnen ſie nicht durch Durchſeiher, da deren Natur alle
Geſchwindigkeit aufhebt, abgeſondert werden. Folglich
kann weder der Harn, noch die Hautausduͤnſtung oder
der Nervenſaft durch Blaͤschen durchgeſeihet werden.

Eben ſo kan kein Saft, der nicht ſchleimig oder traͤ-
ge iſt, durch Blaͤschen abgeſondert werden. Denn es
haben alle menſchliche Saͤfte dieſe unzertrennliche Natur
unter ſich gemein, daß ſie dikk werden, wenn ſie ſtille
ſtehen, und ohne Bewegung ſind, wie davon die Galle,
der Schleim, der Saame, das Fett, das Ohrenſchmalz,
und die Milch ein Exempel geben: es ſind naͤmlich uͤber-
all in den Behaͤltern einſaugende Blutaͤderchen da, wel-
che von einem ſtillſtehenden Safte alles duͤnne Waſſer
wegſaugen. Folglich iſt es ein Wiederſpruch in Abſicht
auf die Sache ſelbſt, und auf die Weisheit der Natur,
daß fluͤſſige Saͤfte durch Blaͤschen durchgeſeiht werden
ſollten.

§. 14.
Es behaͤlt indeſſen die Sache Ruyſchens
den Preis.

Da nun hin und wieder beruͤmte Maͤnner, ſowol
dieſe, als andre Gruͤnde fuͤr den Ruyſch beibrachten,
und er ſelbſt ſeine Sache durch eine Anzal ſehr ſchoͤner,
und mit eigner Hand ausgeſprizzter Leichname, in ihr
Licht ſezzte, ſo geſchahe es nach und nach, daß ſeine Sa-
che die Oberhand bekam. Er zeigte alſo, daß die zum
Abſondern beſtimmte Eingeweide, und vornaͤmlich ihre
Kernchen, und die zuſammengeſezzte Druͤſen, aus lauter
Gefaͤſſen beſtehen, welche mit Huͤlfe des Zellgewebes un-
ter einander verbunden, und ſo ſtark verbunden ſind, daß
das Kernchen an ſeinem Orte ſtehen bleibt, und wegen
der loſen Faͤden, an denen es haͤngt, ganz und gar und

ohne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0659" n="639"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Durch&#x017F;eiher.</hi></fw><lb/>
zu notwendigen Nuzzen ge&#x017F;chikkt gemacht, und u&#x0364;berhaupt<lb/>
nach den Ver&#x017F;uchen &#x017F;chnell bewegt zu werden. Folglich<lb/>
ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht durch Durch&#x017F;eiher, da deren Natur alle<lb/>
Ge&#x017F;chwindigkeit aufhebt, abge&#x017F;ondert werden. Folglich<lb/>
kann weder der Harn, noch die Hautausdu&#x0364;n&#x017F;tung oder<lb/>
der Nerven&#x017F;aft durch Bla&#x0364;schen durchge&#x017F;eihet werden.</p><lb/>
            <p>Eben &#x017F;o kan kein Saft, der nicht &#x017F;chleimig oder tra&#x0364;-<lb/>
ge i&#x017F;t, durch Bla&#x0364;schen abge&#x017F;ondert werden. Denn es<lb/>
haben alle men&#x017F;chliche Sa&#x0364;fte die&#x017F;e unzertrennliche Natur<lb/>
unter &#x017F;ich gemein, daß &#x017F;ie dikk werden, wenn &#x017F;ie &#x017F;tille<lb/>
&#x017F;tehen, und ohne Bewegung &#x017F;ind, wie davon die Galle,<lb/>
der Schleim, der Saame, das Fett, das Ohren&#x017F;chmalz,<lb/>
und die Milch ein Exempel geben: es &#x017F;ind na&#x0364;mlich u&#x0364;ber-<lb/>
all in den Beha&#x0364;ltern ein&#x017F;augende Bluta&#x0364;derchen da, wel-<lb/>
che von einem &#x017F;till&#x017F;tehenden Safte alles du&#x0364;nne Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
weg&#x017F;augen. Folglich i&#x017F;t es ein Wieder&#x017F;pruch in Ab&#x017F;icht<lb/>
auf die Sache &#x017F;elb&#x017F;t, und auf die Weisheit der Natur,<lb/>
daß flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Sa&#x0364;fte durch Bla&#x0364;schen durchge&#x017F;eiht werden<lb/>
&#x017F;ollten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 14.<lb/>
Es beha&#x0364;lt inde&#x017F;&#x017F;en die Sache Ruy&#x017F;chens<lb/>
den Preis.</head><lb/>
            <p>Da nun hin und wieder beru&#x0364;mte Ma&#x0364;nner, &#x017F;owol<lb/>
die&#x017F;e, als andre Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r den <hi rendition="#fr">Ruy&#x017F;ch</hi> beibrachten,<lb/>
und er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine Sache durch eine Anzal &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ner,<lb/>
und mit eigner Hand ausge&#x017F;prizzter Leichname, in ihr<lb/>
Licht &#x017F;ezzte, &#x017F;o ge&#x017F;chahe es nach und nach, daß &#x017F;eine Sa-<lb/>
che die Oberhand bekam. Er zeigte al&#x017F;o, daß die zum<lb/>
Ab&#x017F;ondern be&#x017F;timmte Eingeweide, und vorna&#x0364;mlich ihre<lb/>
Kernchen, und die zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezzte Dru&#x0364;&#x017F;en, aus lauter<lb/>
Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;tehen, welche mit Hu&#x0364;lfe des Zellgewebes un-<lb/>
ter einander verbunden, und &#x017F;o &#x017F;tark verbunden &#x017F;ind, daß<lb/>
das Kernchen an &#x017F;einem Orte &#x017F;tehen bleibt, und wegen<lb/>
der lo&#x017F;en Fa&#x0364;den, an denen es ha&#x0364;ngt, ganz und gar und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ohne</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[639/0659] Die Durchſeiher. zu notwendigen Nuzzen geſchikkt gemacht, und uͤberhaupt nach den Verſuchen ſchnell bewegt zu werden. Folglich koͤnnen ſie nicht durch Durchſeiher, da deren Natur alle Geſchwindigkeit aufhebt, abgeſondert werden. Folglich kann weder der Harn, noch die Hautausduͤnſtung oder der Nervenſaft durch Blaͤschen durchgeſeihet werden. Eben ſo kan kein Saft, der nicht ſchleimig oder traͤ- ge iſt, durch Blaͤschen abgeſondert werden. Denn es haben alle menſchliche Saͤfte dieſe unzertrennliche Natur unter ſich gemein, daß ſie dikk werden, wenn ſie ſtille ſtehen, und ohne Bewegung ſind, wie davon die Galle, der Schleim, der Saame, das Fett, das Ohrenſchmalz, und die Milch ein Exempel geben: es ſind naͤmlich uͤber- all in den Behaͤltern einſaugende Blutaͤderchen da, wel- che von einem ſtillſtehenden Safte alles duͤnne Waſſer wegſaugen. Folglich iſt es ein Wiederſpruch in Abſicht auf die Sache ſelbſt, und auf die Weisheit der Natur, daß fluͤſſige Saͤfte durch Blaͤschen durchgeſeiht werden ſollten. §. 14. Es behaͤlt indeſſen die Sache Ruyſchens den Preis. Da nun hin und wieder beruͤmte Maͤnner, ſowol dieſe, als andre Gruͤnde fuͤr den Ruyſch beibrachten, und er ſelbſt ſeine Sache durch eine Anzal ſehr ſchoͤner, und mit eigner Hand ausgeſprizzter Leichname, in ihr Licht ſezzte, ſo geſchahe es nach und nach, daß ſeine Sa- che die Oberhand bekam. Er zeigte alſo, daß die zum Abſondern beſtimmte Eingeweide, und vornaͤmlich ihre Kernchen, und die zuſammengeſezzte Druͤſen, aus lauter Gefaͤſſen beſtehen, welche mit Huͤlfe des Zellgewebes un- ter einander verbunden, und ſo ſtark verbunden ſind, daß das Kernchen an ſeinem Orte ſtehen bleibt, und wegen der loſen Faͤden, an denen es haͤngt, ganz und gar und ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/659
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/659>, abgerufen am 23.11.2024.