sind, nicht zugeben wollen, daß das Blut durch eine Blutaderwunde schneller laufe (s), daß vielmehr eine Unterbindung notwendig sey, damit solches nur heraus- flissen könne (t).
Wollte man einwenden, ich wiederspräche meinem eignen Vortrage, da ich doch gesagt, daß Blutadern keine Muskelfasern und folglich keine Reizbarkeit hät- ten (u), so kann ich auch diese Beschuldigung ohne grosse Schwierigkeit abfertigen, wenn ich nicht irre. Es ist ein Zusammenziehen, welches allen thierischen Fasern gemein ist, seiner Ausdehnung wiederstrebt, und welches sich bemüht, sich so kurz als möglich, der Länge nach zu machen. Diese Kraft erwekken keine Gifte oder Mes- ser (x), sie wird durch keine Nerven vermert oder vermin- dert, und sie ist auch dem Zellgewebe eigen, aus welchem Blutadern erzeugt werden; sie klebt den Blut-und Schlagadern auch in Leichnamen und noch eigensinniger an, sie ist blos in so fern thätig, daß sie der Erweite- rung einer Röhre Wiederstand thut, welches nun nicht geschehen kann, ohne daß die Länge der Fasern, die eine Blutader ausmachen, zunimmt. Uebrigens haben wir vorlängst (y), und nur noch in diesem Werke (z), das Ueberleiten von einem den Augen nicht deutlichen Zu- sammenziehn der Gefässe gefolgert.
Man ersiehet übrigens leicht daraus, weil Blutadern im Fortkrichen immer enger werden, daß dieser Drukk in den kleinsten Gefässen kleiner seyn, in den Blutaderstäm- men hingegen beständig wachsen müsse, so wie diese Stäm- me grösser und dem Herzen näher sind. Selbiger muste aber um die Gegend des Herzens am grösten, und mit
einer
(s)[Spaltenumbruch]morisson Lettres sur les choix des saignees. L. V. Essavs de physique. Ausg. von 1735. S. 522. hamberger de venaesectio. n. 43.
(t) Ebendas.
(u)[Spaltenumbruch]Premi. Memo. sur les part. irrit. et sensibl. S. 53.
(x) 2. Buch.
(y)Second Memoi. u. f. S. 338.
(z) Oben. 1. Absch. §. 39.
Sechſtes Buch. Der Seitendrukk
ſind, nicht zugeben wollen, daß das Blut durch eine Blutaderwunde ſchneller laufe (s), daß vielmehr eine Unterbindung notwendig ſey, damit ſolches nur heraus- fliſſen koͤnne (t).
Wollte man einwenden, ich wiederſpraͤche meinem eignen Vortrage, da ich doch geſagt, daß Blutadern keine Muskelfaſern und folglich keine Reizbarkeit haͤt- ten (u), ſo kann ich auch dieſe Beſchuldigung ohne groſſe Schwierigkeit abfertigen, wenn ich nicht irre. Es iſt ein Zuſammenziehen, welches allen thieriſchen Faſern gemein iſt, ſeiner Ausdehnung wiederſtrebt, und welches ſich bemuͤht, ſich ſo kurz als moͤglich, der Laͤnge nach zu machen. Dieſe Kraft erwekken keine Gifte oder Meſ- ſer (x), ſie wird durch keine Nerven vermert oder vermin- dert, und ſie iſt auch dem Zellgewebe eigen, aus welchem Blutadern erzeugt werden; ſie klebt den Blut-und Schlagadern auch in Leichnamen und noch eigenſinniger an, ſie iſt blos in ſo fern thaͤtig, daß ſie der Erweite- rung einer Roͤhre Wiederſtand thut, welches nun nicht geſchehen kann, ohne daß die Laͤnge der Faſern, die eine Blutader ausmachen, zunimmt. Uebrigens haben wir vorlaͤngſt (y), und nur noch in dieſem Werke (z), das Ueberleiten von einem den Augen nicht deutlichen Zu- ſammenziehn der Gefaͤſſe gefolgert.
Man erſiehet uͤbrigens leicht daraus, weil Blutadern im Fortkrichen immer enger werden, daß dieſer Drukk in den kleinſten Gefaͤſſen kleiner ſeyn, in den Blutaderſtaͤm- men hingegen beſtaͤndig wachſen muͤſſe, ſo wie dieſe Staͤm- me groͤſſer und dem Herzen naͤher ſind. Selbiger muſte aber um die Gegend des Herzens am groͤſten, und mit
einer
(s)[Spaltenumbruch]moriſſon Lettres ſur les choix des ſaignées. L. V. Eſſavs de phyſique. Ausg. von 1735. S. 522. hamberger de venaeſectio. n. 43.
(t) Ebendaſ.
(u)[Spaltenumbruch]Premi. Memo. ſur les part. irrit. et ſenſibl. S. 53.
(x) 2. Buch.
(y)Second Memoi. u. f. S. 338.
(z) Oben. 1. Abſch. §. 39.
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Sechſtes Buch. Der Seitendrukk
ſind, nicht zugeben wollen, daß das Blut durch eine
Blutaderwunde ſchneller laufe (s), daß vielmehr eine
Unterbindung notwendig ſey, damit ſolches nur heraus-
fliſſen koͤnne (t).
Wollte man einwenden, ich wiederſpraͤche meinem
eignen Vortrage, da ich doch geſagt, daß Blutadern
keine Muskelfaſern und folglich keine Reizbarkeit haͤt-
ten (u), ſo kann ich auch dieſe Beſchuldigung ohne groſſe
Schwierigkeit abfertigen, wenn ich nicht irre. Es iſt
ein Zuſammenziehen, welches allen thieriſchen Faſern
gemein iſt, ſeiner Ausdehnung wiederſtrebt, und welches
ſich bemuͤht, ſich ſo kurz als moͤglich, der Laͤnge nach zu
machen. Dieſe Kraft erwekken keine Gifte oder Meſ-
ſer (x), ſie wird durch keine Nerven vermert oder vermin-
dert, und ſie iſt auch dem Zellgewebe eigen, aus welchem
Blutadern erzeugt werden; ſie klebt den Blut-und
Schlagadern auch in Leichnamen und noch eigenſinniger
an, ſie iſt blos in ſo fern thaͤtig, daß ſie der Erweite-
rung einer Roͤhre Wiederſtand thut, welches nun nicht
geſchehen kann, ohne daß die Laͤnge der Faſern, die eine
Blutader ausmachen, zunimmt. Uebrigens haben wir
vorlaͤngſt (y), und nur noch in dieſem Werke (z), das
Ueberleiten von einem den Augen nicht deutlichen Zu-
ſammenziehn der Gefaͤſſe gefolgert.
Man erſiehet uͤbrigens leicht daraus, weil Blutadern
im Fortkrichen immer enger werden, daß dieſer Drukk in
den kleinſten Gefaͤſſen kleiner ſeyn, in den Blutaderſtaͤm-
men hingegen beſtaͤndig wachſen muͤſſe, ſo wie dieſe Staͤm-
me groͤſſer und dem Herzen naͤher ſind. Selbiger muſte
aber um die Gegend des Herzens am groͤſten, und mit
einer
(s)
moriſſon Lettres ſur les
choix des ſaignées. L. V. Eſſavs
de phyſique. Ausg. von 1735. S.
522. hamberger de venaeſectio.
n. 43.
(t) Ebendaſ.
(u)
Premi. Memo. ſur les part.
irrit. et ſenſibl. S. 53.
(x) 2. Buch.
(y) Second Memoi. u. f. S. 338.
(z) Oben. 1. Abſch. §. 39.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/590>, abgerufen am 22.11.2024.
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