Wollte man aber einen gewissen Grad der Fäulnis annehmen, oder Urinsalze in ölige Theilchen wirken lassen, um darinnen eine Ursache der Wärme zu entdek- ken, so steht auch hier vieles im Wege, um uns diese Meinung völlig zu verekeln. Freigebig handelt man, wenn man harnhafte Stoffe in dem Blute einräumt, da doch diese erst im Feuer harnhaft werden (p). Es sey aber, daß sie im Blute wären, so lösen sie darum doch nicht, in gesundem Menschen, die öligen Theilchen auf. Denn es behalten die Blutkügelchen, die in der That entzündbar (verbrennlich) sind, ihre Figur in allen Thieren mit der grösten Standhaftigkeit (p*), so lange das Leben und der Kreislauf des Blutes fort- dauern; folglich werden sie nie, so lange ein Thier noch seine Wärme hat oder munter ist, zerstört oder aufge- löst, und es bewegen sich die Kügelchen im Kreise um- her mit dem Blute.
Ferner, wenn allerdings ein Alkali gegenwärtig wäre, und von selbigem das Blutöl aufgelöst würde, so erhellte doch aus keinem Grunde, daß ein Alkali, indem es Oel verdünnt; Hizze errege. Was die Fäulnis an- belangt, so erkennen wir zwar, daß grosse Massen von Pflanzenteilen, die in Haufen liegen (q) und zusammen- gedrükkt werden, besonders an verschlossnen Orten, in- dem sie faul werden, eine starke Hizze erregen. Doch man mus diese Veränderung nicht auf die so weit ent- fernte thierische Natur ziehen wollen. Gebratenes Fleisch mit Habermeele und Speichel vermengt, erzeugt eine Wärme von drei Graden (r): aber dies ist Gärung, und hat ein Bestreben sauer zu werden. Es ist aber die Gärung nicht nur von dem harnhaftem Wesen weit ent- fernt, sondern sie erzeugt auch, wenn sie gleich noch so gros ist, nur eine Hizze von 75 Graden, welche um ein
vie-
(p)[Spaltenumbruch]
S. 96.
(p*) S. 58. 59.
(q)[Spaltenumbruch]boerhaave. Element. Che- mi. T. II. S. 289.
(r)pringle S. 400.
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bewegten Blutes, in den Schlagadern.
Wollte man aber einen gewiſſen Grad der Faͤulnis annehmen, oder Urinſalze in oͤlige Theilchen wirken laſſen, um darinnen eine Urſache der Waͤrme zu entdek- ken, ſo ſteht auch hier vieles im Wege, um uns dieſe Meinung voͤllig zu verekeln. Freigebig handelt man, wenn man harnhafte Stoffe in dem Blute einraͤumt, da doch dieſe erſt im Feuer harnhaft werden (p). Es ſey aber, daß ſie im Blute waͤren, ſo loͤſen ſie darum doch nicht, in geſundem Menſchen, die oͤligen Theilchen auf. Denn es behalten die Blutkuͤgelchen, die in der That entzuͤndbar (verbrennlich) ſind, ihre Figur in allen Thieren mit der groͤſten Standhaftigkeit (p*), ſo lange das Leben und der Kreislauf des Blutes fort- dauern; folglich werden ſie nie, ſo lange ein Thier noch ſeine Waͤrme hat oder munter iſt, zerſtoͤrt oder aufge- loͤſt, und es bewegen ſich die Kuͤgelchen im Kreiſe um- her mit dem Blute.
Ferner, wenn allerdings ein Alkali gegenwaͤrtig waͤre, und von ſelbigem das Blutoͤl aufgeloͤſt wuͤrde, ſo erhellte doch aus keinem Grunde, daß ein Alkali, indem es Oel verduͤnnt; Hizze errege. Was die Faͤulnis an- belangt, ſo erkennen wir zwar, daß groſſe Maſſen von Pflanzenteilen, die in Haufen liegen (q) und zuſammen- gedruͤkkt werden, beſonders an verſchloſſnen Orten, in- dem ſie faul werden, eine ſtarke Hizze erregen. Doch man mus dieſe Veraͤnderung nicht auf die ſo weit ent- fernte thieriſche Natur ziehen wollen. Gebratenes Fleiſch mit Habermeele und Speichel vermengt, erzeugt eine Waͤrme von drei Graden (r): aber dies iſt Gaͤrung, und hat ein Beſtreben ſauer zu werden. Es iſt aber die Gaͤrung nicht nur von dem harnhaftem Weſen weit ent- fernt, ſondern ſie erzeugt auch, wenn ſie gleich noch ſo gros iſt, nur eine Hizze von 75 Graden, welche um ein
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(p*) S. 58. 59.
(q)[Spaltenumbruch]boerhaave. Element. Che- mi. T. II. S. 289.
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bewegten Blutes, in den Schlagadern.
Wollte man aber einen gewiſſen Grad der Faͤulnis
annehmen, oder Urinſalze in oͤlige Theilchen wirken
laſſen, um darinnen eine Urſache der Waͤrme zu entdek-
ken, ſo ſteht auch hier vieles im Wege, um uns dieſe
Meinung voͤllig zu verekeln. Freigebig handelt man,
wenn man harnhafte Stoffe in dem Blute einraͤumt,
da doch dieſe erſt im Feuer harnhaft werden (p). Es
ſey aber, daß ſie im Blute waͤren, ſo loͤſen ſie darum
doch nicht, in geſundem Menſchen, die oͤligen Theilchen
auf. Denn es behalten die Blutkuͤgelchen, die in der
That entzuͤndbar (verbrennlich) ſind, ihre Figur in
allen Thieren mit der groͤſten Standhaftigkeit (p*), ſo
lange das Leben und der Kreislauf des Blutes fort-
dauern; folglich werden ſie nie, ſo lange ein Thier noch
ſeine Waͤrme hat oder munter iſt, zerſtoͤrt oder aufge-
loͤſt, und es bewegen ſich die Kuͤgelchen im Kreiſe um-
her mit dem Blute.
Ferner, wenn allerdings ein Alkali gegenwaͤrtig
waͤre, und von ſelbigem das Blutoͤl aufgeloͤſt wuͤrde, ſo
erhellte doch aus keinem Grunde, daß ein Alkali, indem
es Oel verduͤnnt; Hizze errege. Was die Faͤulnis an-
belangt, ſo erkennen wir zwar, daß groſſe Maſſen von
Pflanzenteilen, die in Haufen liegen (q) und zuſammen-
gedruͤkkt werden, beſonders an verſchloſſnen Orten, in-
dem ſie faul werden, eine ſtarke Hizze erregen. Doch
man mus dieſe Veraͤnderung nicht auf die ſo weit ent-
fernte thieriſche Natur ziehen wollen. Gebratenes
Fleiſch mit Habermeele und Speichel vermengt, erzeugt
eine Waͤrme von drei Graden (r): aber dies iſt Gaͤrung,
und hat ein Beſtreben ſauer zu werden. Es iſt aber die
Gaͤrung nicht nur von dem harnhaftem Weſen weit ent-
fernt, ſondern ſie erzeugt auch, wenn ſie gleich noch ſo
gros iſt, nur eine Hizze von 75 Graden, welche um ein
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/491>, abgerufen am 22.11.2024.
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