Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Schlagadern.
im Mutterkuchen, ohne daß man den Verdacht auf ei-
nige Beihülfe von Nerven werfen könnte; so wie auch
in den knochig gewordnen Schlagadern, wovon an-
derswo gedacht worden, bei vielen Greisen (r) der Lebens-
saft noch wirklich herumgefürt wird, da doch hier keine
einzige Reizbarkeit und nicht das kleinste Zusammen-
drükken Statt haben kann. Es beobachten auch die
Lebenssäfte in vielen Thieren ihren hurtigen Umlauf, die
doch nichts von einem Gehirne, oder was Kopf heissen
könnte, bekommen haben, welches von der ganzen Ab-
teilung der Austern, der Keilmuscheln (mytulus), und ande-
rer zweischaligen Muscheln gilt.

Jch möchte also wohl glauben, daß Nerven, die zu
den Schlagadern hinlaufen, in der That denselben eine
Kraft sich zusammenzuziehen mitteilen, und daß Ner-
ven ihren fleischigen Fasern die Bewegungskraft einhau-
chen, welche das Fleisch von den Nerven her hat. Jch
glaube auch, daß es nicht so gar unwarscheinlich sei, daß
diese Nerven ihre Schlagadern entweder reizbarer, oder
reizloser machen können, nachdem in eben diesen Nerven
diejenige unerklärbare Veränderung vorangegangen ist,
welche ihre jukkende Emfindlichkeit zu erregen die Absicht
hat. Daß aber vor allem andern die reizbare Natur
des Herzens selbst wachsen, und in diesem Werkzeuge eine
Bewegung und ein warer Kramf von der Nervenverän-
derung hervorgebracht werden könne, und daß folglich
dieser Brunnen der Blutbewegung durch einen neuen
Qvell anwachsen kann, alles dieses läst sich wohl vermu-
ten, wie man an dem Herzklopfen offenbar sieht, als
welches man im Zorne, in der Frölichkeit, im Verlan-
gen oder Erwarten warnimmt. Jch sehe aber auch wohl,
daß alles dieses eine Sache ist, welche in den allerlezten
Grundstoffen ihren Sizz hat, und daß man solche von

kei-
(r) [Spaltenumbruch] vesal. Exam. obs. Fallop. S.
36. fischer de senio S. 46. lv-
[Spaltenumbruch] cas
of mineral Waters. T. I.
S.
158. u. f.
X 5

in den Schlagadern.
im Mutterkuchen, ohne daß man den Verdacht auf ei-
nige Beihuͤlfe von Nerven werfen koͤnnte; ſo wie auch
in den knochig gewordnen Schlagadern, wovon an-
derswo gedacht worden, bei vielen Greiſen (r) der Lebens-
ſaft noch wirklich herumgefuͤrt wird, da doch hier keine
einzige Reizbarkeit und nicht das kleinſte Zuſammen-
druͤkken Statt haben kann. Es beobachten auch die
Lebensſaͤfte in vielen Thieren ihren hurtigen Umlauf, die
doch nichts von einem Gehirne, oder was Kopf heiſſen
koͤnnte, bekommen haben, welches von der ganzen Ab-
teilung der Auſtern, der Keilmuſcheln (mytulus), und ande-
rer zweiſchaligen Muſcheln gilt.

Jch moͤchte alſo wohl glauben, daß Nerven, die zu
den Schlagadern hinlaufen, in der That denſelben eine
Kraft ſich zuſammenzuziehen mitteilen, und daß Ner-
ven ihren fleiſchigen Faſern die Bewegungskraft einhau-
chen, welche das Fleiſch von den Nerven her hat. Jch
glaube auch, daß es nicht ſo gar unwarſcheinlich ſei, daß
dieſe Nerven ihre Schlagadern entweder reizbarer, oder
reizloſer machen koͤnnen, nachdem in eben dieſen Nerven
diejenige unerklaͤrbare Veraͤnderung vorangegangen iſt,
welche ihre jukkende Emfindlichkeit zu erregen die Abſicht
hat. Daß aber vor allem andern die reizbare Natur
des Herzens ſelbſt wachſen, und in dieſem Werkzeuge eine
Bewegung und ein warer Kramf von der Nervenveraͤn-
derung hervorgebracht werden koͤnne, und daß folglich
dieſer Brunnen der Blutbewegung durch einen neuen
Qvell anwachſen kann, alles dieſes laͤſt ſich wohl vermu-
ten, wie man an dem Herzklopfen offenbar ſieht, als
welches man im Zorne, in der Froͤlichkeit, im Verlan-
gen oder Erwarten warnimmt. Jch ſehe aber auch wohl,
daß alles dieſes eine Sache iſt, welche in den allerlezten
Grundſtoffen ihren Sizz hat, und daß man ſolche von

kei-
(r) [Spaltenumbruch] veſal. Exam. obſ. Fallop. S.
36. fiſcher de ſenio S. 46. lv-
[Spaltenumbruch] caſ
of mineral Waters. T. I.
S.
158. u. f.
X 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0349" n="329"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Schlagadern.</hi></fw><lb/>
im Mutterkuchen, ohne daß man den Verdacht auf ei-<lb/>
nige Beihu&#x0364;lfe von Nerven werfen ko&#x0364;nnte; &#x017F;o wie auch<lb/>
in den knochig gewordnen Schlagadern, wovon an-<lb/>
derswo gedacht worden, bei vielen Grei&#x017F;en <note place="foot" n="(r)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">ve&#x017F;al.</hi> Exam. ob&#x017F;. Fallop.</hi> S.<lb/>
36. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">fi&#x017F;cher</hi> de &#x017F;enio</hi> S. 46. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">lv-<lb/><cb/>
ca&#x017F;</hi> of mineral Waters. T. I.</hi> S.<lb/>
158. u. f.</note> der Lebens-<lb/>
&#x017F;aft noch wirklich herumgefu&#x0364;rt wird, da doch hier keine<lb/>
einzige Reizbarkeit und nicht das klein&#x017F;te Zu&#x017F;ammen-<lb/>
dru&#x0364;kken Statt haben kann. Es beobachten auch die<lb/>
Lebens&#x017F;a&#x0364;fte in vielen Thieren ihren hurtigen Umlauf, die<lb/>
doch nichts von einem Gehirne, oder was Kopf hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnte, bekommen haben, welches von der ganzen Ab-<lb/>
teilung der Au&#x017F;tern, der Keilmu&#x017F;cheln (<hi rendition="#aq">mytulus</hi>), und ande-<lb/>
rer zwei&#x017F;chaligen Mu&#x017F;cheln gilt.</p><lb/>
            <p>Jch mo&#x0364;chte al&#x017F;o wohl glauben, daß Nerven, die zu<lb/>
den Schlagadern hinlaufen, in der That den&#x017F;elben eine<lb/>
Kraft &#x017F;ich zu&#x017F;ammenzuziehen mitteilen, und daß Ner-<lb/>
ven ihren flei&#x017F;chigen Fa&#x017F;ern die Bewegungskraft einhau-<lb/>
chen, welche das Flei&#x017F;ch von den Nerven her hat. Jch<lb/>
glaube auch, daß es nicht &#x017F;o gar unwar&#x017F;cheinlich &#x017F;ei, daß<lb/>
die&#x017F;e Nerven ihre Schlagadern entweder reizbarer, oder<lb/>
reizlo&#x017F;er machen ko&#x0364;nnen, nachdem in eben die&#x017F;en Nerven<lb/>
diejenige unerkla&#x0364;rbare Vera&#x0364;nderung vorangegangen i&#x017F;t,<lb/>
welche ihre jukkende Emfindlichkeit zu erregen die Ab&#x017F;icht<lb/>
hat. Daß aber vor allem andern die reizbare Natur<lb/>
des Herzens &#x017F;elb&#x017F;t wach&#x017F;en, und in die&#x017F;em Werkzeuge eine<lb/>
Bewegung und ein warer Kramf von der Nervenvera&#x0364;n-<lb/>
derung hervorgebracht werden ko&#x0364;nne, und daß folglich<lb/>
die&#x017F;er Brunnen der Blutbewegung durch einen neuen<lb/>
Qvell anwach&#x017F;en kann, alles die&#x017F;es la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich wohl vermu-<lb/>
ten, wie man an dem Herzklopfen offenbar &#x017F;ieht, als<lb/>
welches man im Zorne, in der Fro&#x0364;lichkeit, im Verlan-<lb/>
gen oder Erwarten warnimmt. Jch &#x017F;ehe aber auch wohl,<lb/>
daß alles die&#x017F;es eine Sache i&#x017F;t, welche in den allerlezten<lb/>
Grund&#x017F;toffen ihren Sizz hat, und daß man &#x017F;olche von<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 5</fw><fw place="bottom" type="catch">kei-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0349] in den Schlagadern. im Mutterkuchen, ohne daß man den Verdacht auf ei- nige Beihuͤlfe von Nerven werfen koͤnnte; ſo wie auch in den knochig gewordnen Schlagadern, wovon an- derswo gedacht worden, bei vielen Greiſen (r) der Lebens- ſaft noch wirklich herumgefuͤrt wird, da doch hier keine einzige Reizbarkeit und nicht das kleinſte Zuſammen- druͤkken Statt haben kann. Es beobachten auch die Lebensſaͤfte in vielen Thieren ihren hurtigen Umlauf, die doch nichts von einem Gehirne, oder was Kopf heiſſen koͤnnte, bekommen haben, welches von der ganzen Ab- teilung der Auſtern, der Keilmuſcheln (mytulus), und ande- rer zweiſchaligen Muſcheln gilt. Jch moͤchte alſo wohl glauben, daß Nerven, die zu den Schlagadern hinlaufen, in der That denſelben eine Kraft ſich zuſammenzuziehen mitteilen, und daß Ner- ven ihren fleiſchigen Faſern die Bewegungskraft einhau- chen, welche das Fleiſch von den Nerven her hat. Jch glaube auch, daß es nicht ſo gar unwarſcheinlich ſei, daß dieſe Nerven ihre Schlagadern entweder reizbarer, oder reizloſer machen koͤnnen, nachdem in eben dieſen Nerven diejenige unerklaͤrbare Veraͤnderung vorangegangen iſt, welche ihre jukkende Emfindlichkeit zu erregen die Abſicht hat. Daß aber vor allem andern die reizbare Natur des Herzens ſelbſt wachſen, und in dieſem Werkzeuge eine Bewegung und ein warer Kramf von der Nervenveraͤn- derung hervorgebracht werden koͤnne, und daß folglich dieſer Brunnen der Blutbewegung durch einen neuen Qvell anwachſen kann, alles dieſes laͤſt ſich wohl vermu- ten, wie man an dem Herzklopfen offenbar ſieht, als welches man im Zorne, in der Froͤlichkeit, im Verlan- gen oder Erwarten warnimmt. Jch ſehe aber auch wohl, daß alles dieſes eine Sache iſt, welche in den allerlezten Grundſtoffen ihren Sizz hat, und daß man ſolche von kei- (r) veſal. Exam. obſ. Fallop. S. 36. fiſcher de ſenio S. 46. lv- caſ of mineral Waters. T. I. S. 158. u. f. X 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/349
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/349>, abgerufen am 24.11.2024.