vortrefliche Johann von Gorter, daß die sonderbaren und topischen (von äusserlichen Hauptumschlägen) Bewe- gungen in den Schlagadern, von der Kraft des Reizes entstünden (p), und Karl Malouin sagt, daß die Ner- ven der Drüsen den Lauf der Säfte hemmen sollen, wenn der Antrieb des Herzens gleich unverändert bliebe (q).
Da man sich nun überredte, daß man sichre Bei- spiele aufzeigen könne, da die Nerven eine Herrschaft über das Blut hätten, so hingen berümte Männer dieser Meinung desto williger an, Kraft welcher man annahm, daß Nerven, auch ohne das Gewül einer gereizten Lei- denschaft zu rechnen, doch noch eine Kraft besässen, wech- selweise das Blut zu beflügeln, oder träger zu machen.
Man hat sich so gar auch die Art ausgedacht, wie Nerven das Blut in den Schlagadern träger oder schnel- ler machen sollen. Es lehrt der vortrefliche Leib- arzt (s), die Schlagadern würden von dem Nervensafte zusammengeschnürt, die Schlagadern würden davon steif, und ihre Schnellkraft nehme davon zu, und es würde die Bewegung des Blutes unter der Hizze des Zorns schneller, so wie es gegenteils in der Lämung schwächer umgetrieben wird. Ferner halten, nach der Meinung dieses vortreflichen Mannes, eben diese Nerven die klein- sten Gefässe zusammengeschnürt und so verengert, daß nicht das mindeste Blut hindurch kann, wovon die Kälte histerischer Personen ein Exempel sei (t), und es flisse das Blut vielmehr gerades weges durch die Schlagader wie- der ins Herze zurükke. Endlich glaubt derselbe, daß die Leidenschaften, wie zu vermuten stünde, das Herze selbst verengerten, daß nur ein dünner Stral von Blute dar- aus hervorstiege (u). So leitet Franz Qvesnai(x) die
schlim-
(p)[Spaltenumbruch]Chirurg. repurg. S. 98.
(q)De solid. et fluid. S. 63.
(s)senac du Coeur T. III. S. [Spaltenumbruch]
170. 208. qvesnai de la gangre- ne S. 330.
(t) S. 170. 208.
(u) S. 534.
(x)Des Fievres S. 212.
Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
vortrefliche Johann von Gorter, daß die ſonderbaren und topiſchen (von aͤuſſerlichen Hauptumſchlaͤgen) Bewe- gungen in den Schlagadern, von der Kraft des Reizes entſtuͤnden (p), und Karl Malouin ſagt, daß die Ner- ven der Druͤſen den Lauf der Saͤfte hemmen ſollen, wenn der Antrieb des Herzens gleich unveraͤndert bliebe (q).
Da man ſich nun uͤberredte, daß man ſichre Bei- ſpiele aufzeigen koͤnne, da die Nerven eine Herrſchaft uͤber das Blut haͤtten, ſo hingen beruͤmte Maͤnner dieſer Meinung deſto williger an, Kraft welcher man annahm, daß Nerven, auch ohne das Gewuͤl einer gereizten Lei- denſchaft zu rechnen, doch noch eine Kraft beſaͤſſen, wech- ſelweiſe das Blut zu befluͤgeln, oder traͤger zu machen.
Man hat ſich ſo gar auch die Art ausgedacht, wie Nerven das Blut in den Schlagadern traͤger oder ſchnel- ler machen ſollen. Es lehrt der vortrefliche Leib- arzt (s), die Schlagadern wuͤrden von dem Nervenſafte zuſammengeſchnuͤrt, die Schlagadern wuͤrden davon ſteif, und ihre Schnellkraft nehme davon zu, und es wuͤrde die Bewegung des Blutes unter der Hizze des Zorns ſchneller, ſo wie es gegenteils in der Laͤmung ſchwaͤcher umgetrieben wird. Ferner halten, nach der Meinung dieſes vortreflichen Mannes, eben dieſe Nerven die klein- ſten Gefaͤſſe zuſammengeſchnuͤrt und ſo verengert, daß nicht das mindeſte Blut hindurch kann, wovon die Kaͤlte hiſteriſcher Perſonen ein Exempel ſei (t), und es fliſſe das Blut vielmehr gerades weges durch die Schlagader wie- der ins Herze zuruͤkke. Endlich glaubt derſelbe, daß die Leidenſchaften, wie zu vermuten ſtuͤnde, das Herze ſelbſt verengerten, daß nur ein duͤnner Stral von Blute dar- aus hervorſtiege (u). So leitet Franz Qvesnai(x) die
ſchlim-
(p)[Spaltenumbruch]Chirurg. repurg. S. 98.
(q)De ſolid. et fluid. S. 63.
(s)ſenac du Coeur T. III. S. [Spaltenumbruch]
170. 208. qveſnai de la gangre- ne S. 330.
(t) S. 170. 208.
(u) S. 534.
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Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
vortrefliche Johann von Gorter, daß die ſonderbaren
und topiſchen (von aͤuſſerlichen Hauptumſchlaͤgen) Bewe-
gungen in den Schlagadern, von der Kraft des Reizes
entſtuͤnden (p), und Karl Malouin ſagt, daß die Ner-
ven der Druͤſen den Lauf der Saͤfte hemmen ſollen, wenn
der Antrieb des Herzens gleich unveraͤndert bliebe (q).
Da man ſich nun uͤberredte, daß man ſichre Bei-
ſpiele aufzeigen koͤnne, da die Nerven eine Herrſchaft
uͤber das Blut haͤtten, ſo hingen beruͤmte Maͤnner dieſer
Meinung deſto williger an, Kraft welcher man annahm,
daß Nerven, auch ohne das Gewuͤl einer gereizten Lei-
denſchaft zu rechnen, doch noch eine Kraft beſaͤſſen, wech-
ſelweiſe das Blut zu befluͤgeln, oder traͤger zu machen.
Man hat ſich ſo gar auch die Art ausgedacht, wie
Nerven das Blut in den Schlagadern traͤger oder ſchnel-
ler machen ſollen. Es lehrt der vortrefliche Leib-
arzt (s), die Schlagadern wuͤrden von dem Nervenſafte
zuſammengeſchnuͤrt, die Schlagadern wuͤrden davon ſteif,
und ihre Schnellkraft nehme davon zu, und es wuͤrde
die Bewegung des Blutes unter der Hizze des Zorns
ſchneller, ſo wie es gegenteils in der Laͤmung ſchwaͤcher
umgetrieben wird. Ferner halten, nach der Meinung
dieſes vortreflichen Mannes, eben dieſe Nerven die klein-
ſten Gefaͤſſe zuſammengeſchnuͤrt und ſo verengert, daß
nicht das mindeſte Blut hindurch kann, wovon die Kaͤlte
hiſteriſcher Perſonen ein Exempel ſei (t), und es fliſſe das
Blut vielmehr gerades weges durch die Schlagader wie-
der ins Herze zuruͤkke. Endlich glaubt derſelbe, daß die
Leidenſchaften, wie zu vermuten ſtuͤnde, das Herze ſelbſt
verengerten, daß nur ein duͤnner Stral von Blute dar-
aus hervorſtiege (u). So leitet Franz Qvesnai (x) die
ſchlim-
(p)
Chirurg. repurg. S. 98.
(q) De ſolid. et fluid. S. 63.
(s) ſenac du Coeur T. III. S.
170. 208. qveſnai de la gangre-
ne S. 330.
(t) S. 170. 208.
(u) S. 534.
(x) Des Fievres S. 212.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/344>, abgerufen am 25.11.2024.
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