man nach der Analogie, von kalten Thieren auf die war- men schlissen darf. Jch habe oft die Kügelchen auf die Wände ihrer Schlagader (d) und Blutaderkanäle (e), wie auch auf die Ekken der Zerästlungen, losströmen gesehen, aber jederzeit wargenommen, daß sie ohne Strudel und Sturz gegen diese Wände getrieben wurden.
Daß die Länge der Kanäle nicht einen Theil der Ge- schwindigkeit rauben sollte, daran läst sich nicht im ge- ringsten zweifeln, und wir folgern hieraus, daß daher die Füsse einen geringern Grad von Wärme besizzen, daß man an ihnen viel ehe Wassergeschwülste zu befürchten hat, und daß hier die brennende Kälte am ersten den heis- sen Brand erzeugt.
Wenn Jakob Keil die Enge der kleinsten Gefässe auf eines Zolls schäzzt, so finden wir selbige höch- stens so klein, daß sie ein Blutkügelchen leicht und ohne Reiben durchlassen kann. Aber oft lehren auch die Ver- suche, daß sie allerdings ansehnlicher, und zum Durch- messer für mehrere Kügelchen gros genung sei (g)!
Solchergestalt vermindert sich ein wenig die Kraft des Reibens, aber doch mus man sich wundern, daß man sie in Versuchen nicht grösser befindet.
Es ist von uns gezeigt worden, daß die Verwei- lungskraft, welche Falten in den Adern hervorbringen, ansenlich bleibt. Es ist aber die Kegelfigur, wofern sie irgend Gefässen zukömmt, wenigstens einzig und allein ein Vorrecht grosser Schlagadern, indem die kleinsten Gefässe, sie mögen nur ein Kügelchen fassen, oder in die Blutadern zurükkgebogen, oder sonsten ungeästelt seyn, überhaupt einen cilindrischen Bau haben (h): und hie- durch wird gewis ein grosser Theil von dem Anfalle des Flüßigen auf die Wände der Gefässe vernichtet werden müssen (i).
Den
(d)[Spaltenumbruch]Exp. 69. 70. 82.
(e)Exp. 125. 131.
(g) S. 176.
(h)[Spaltenumbruch]
2. Buch.
(i)staehelin de pulsu S. 4.
Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
man nach der Analogie, von kalten Thieren auf die war- men ſchliſſen darf. Jch habe oft die Kuͤgelchen auf die Waͤnde ihrer Schlagader (d) und Blutaderkanaͤle (e), wie auch auf die Ekken der Zeraͤſtlungen, losſtroͤmen geſehen, aber jederzeit wargenommen, daß ſie ohne Strudel und Sturz gegen dieſe Waͤnde getrieben wurden.
Daß die Laͤnge der Kanaͤle nicht einen Theil der Ge- ſchwindigkeit rauben ſollte, daran laͤſt ſich nicht im ge- ringſten zweifeln, und wir folgern hieraus, daß daher die Fuͤſſe einen geringern Grad von Waͤrme beſizzen, daß man an ihnen viel ehe Waſſergeſchwuͤlſte zu befuͤrchten hat, und daß hier die brennende Kaͤlte am erſten den heiſ- ſen Brand erzeugt.
Wenn Jakob Keil die Enge der kleinſten Gefaͤſſe auf eines Zolls ſchaͤzzt, ſo finden wir ſelbige hoͤch- ſtens ſo klein, daß ſie ein Blutkuͤgelchen leicht und ohne Reiben durchlaſſen kann. Aber oft lehren auch die Ver- ſuche, daß ſie allerdings anſehnlicher, und zum Durch- meſſer fuͤr mehrere Kuͤgelchen gros genung ſei (g)!
Solchergeſtalt vermindert ſich ein wenig die Kraft des Reibens, aber doch mus man ſich wundern, daß man ſie in Verſuchen nicht groͤſſer befindet.
Es iſt von uns gezeigt worden, daß die Verwei- lungskraft, welche Falten in den Adern hervorbringen, anſenlich bleibt. Es iſt aber die Kegelfigur, wofern ſie irgend Gefaͤſſen zukoͤmmt, wenigſtens einzig und allein ein Vorrecht groſſer Schlagadern, indem die kleinſten Gefaͤſſe, ſie moͤgen nur ein Kuͤgelchen faſſen, oder in die Blutadern zuruͤkkgebogen, oder ſonſten ungeaͤſtelt ſeyn, uͤberhaupt einen cilindriſchen Bau haben (h): und hie- durch wird gewis ein groſſer Theil von dem Anfalle des Fluͤßigen auf die Waͤnde der Gefaͤſſe vernichtet werden muͤſſen (i).
Den
(d)[Spaltenumbruch]Exp. 69. 70. 82.
(e)Exp. 125. 131.
(g) S. 176.
(h)[Spaltenumbruch]
2. Buch.
(i)ſtaehelin de pulſu S. 4.
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Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
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Waͤnde ihrer Schlagader (d) und Blutaderkanaͤle (e), wie
auch auf die Ekken der Zeraͤſtlungen, losſtroͤmen geſehen,
aber jederzeit wargenommen, daß ſie ohne Strudel und
Sturz gegen dieſe Waͤnde getrieben wurden.
Daß die Laͤnge der Kanaͤle nicht einen Theil der Ge-
ſchwindigkeit rauben ſollte, daran laͤſt ſich nicht im ge-
ringſten zweifeln, und wir folgern hieraus, daß daher
die Fuͤſſe einen geringern Grad von Waͤrme beſizzen, daß
man an ihnen viel ehe Waſſergeſchwuͤlſte zu befuͤrchten
hat, und daß hier die brennende Kaͤlte am erſten den heiſ-
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Wenn Jakob Keil die Enge der kleinſten Gefaͤſſe
auf [FORMEL] eines Zolls ſchaͤzzt, ſo finden wir ſelbige hoͤch-
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Reiben durchlaſſen kann. Aber oft lehren auch die Ver-
ſuche, daß ſie allerdings anſehnlicher, und zum Durch-
meſſer fuͤr mehrere Kuͤgelchen gros genung ſei (g)!
Solchergeſtalt vermindert ſich ein wenig die Kraft
des Reibens, aber doch mus man ſich wundern, daß man
ſie in Verſuchen nicht groͤſſer befindet.
Es iſt von uns gezeigt worden, daß die Verwei-
lungskraft, welche Falten in den Adern hervorbringen,
anſenlich bleibt. Es iſt aber die Kegelfigur, wofern ſie
irgend Gefaͤſſen zukoͤmmt, wenigſtens einzig und allein
ein Vorrecht groſſer Schlagadern, indem die kleinſten
Gefaͤſſe, ſie moͤgen nur ein Kuͤgelchen faſſen, oder in
die Blutadern zuruͤkkgebogen, oder ſonſten ungeaͤſtelt ſeyn,
uͤberhaupt einen cilindriſchen Bau haben (h): und hie-
durch wird gewis ein groſſer Theil von dem Anfalle des
Fluͤßigen auf die Waͤnde der Gefaͤſſe vernichtet werden
muͤſſen (i).
Den
(d)
Exp. 69. 70. 82.
(e) Exp. 125. 131.
(g) S. 176.
(h)
2. Buch.
(i) ſtaehelin de pulſu S. 4.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/336>, abgerufen am 25.11.2024.
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