Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Das Blut.
entfernt sind, und also langsamer umgetrieben werden,
fliessen nicht eben so gegen den weniger widerstehenden
Ort herbei, und sie ergiessen sich durch die Oefnung nicht
in eben demselben Ebenmaasse (e*). Aus der Ursache
stellet sich nach öfterm Aderlassen, oder nach einer Ver-
blutung, in den Gefässen ein dünnes und wässriges Blut,
als ein bleicher Ueberbleibsel, ein (f), so wie ich an mir
selbst erfaren habe, nachdem ich durch starkes Nasenbluten
eine Menge Bluts verloren. Nun aber, da ein grössrer
Vorrat von einem dünnen Safte in den roten Gefässen
übrig ist, so können die roten Gefässe denselben nicht im
Zaume halten, denn es findet erwärmtes Wasser einen
gar zu leichten Weg aus den Schlagadern in das Zellge-
webe überzuschwizzen. Und dieses ist der gröste Feler an
dem Leime, den man aus dem Welse (Silurus) oder dem
Hausen kocht, wenn man selbigen in die Gefässe eines
Leichnames heis einsprizzt: denn es begibt sich selbiger
aus den Gefässen, die er nur unvollkommen ausfüllt, den
Augenblik in das Zellgewebe hinüber. Da nun das
Wasser des Blutes in das übrige Zellgewebe flüchtet, so
ist, wiewol auch noch andre Ursachen statt finden, der
Uebergang von der Schleimblütigkeit zur Wassersucht
ganz leicht zu bewerkstelligen (h), und es ergiest sich das
häufig getrunkne Wasser sogleich in dem Körper aus. Es
haben aber die roten Kügelchen des Blutes zu allerlei aus-
damfenden Gefäsmündungen ein solches Maas bekom-
men, daß sie in den Gefässen eines gesunden Menschen
allemal zurükkebleiben, wofern nicht eine stärkre, oder
mit den Naturgesezzen nicht übereinstimmende Kraft diese
(g)

Poros
(e*) [Spaltenumbruch] Vergl. quesnai de la
saignee
S. 15. Vom roten Blute
flissen 180 Theile fort, von weissen
Säften 40 Theile.
(f) michelotti in Historia An-
gelae Pisanae.
S. 14. Essays of
a Society at Edimburg T. II.
S. 20.
morton Phtisiolog. S. 18.
(h) Vorhergeh. 4 §. Ein ein-
ziges Aderlassen macht die Euro-
päer auf dem Eilande Hispaniola,
die schon sonst schwach sind, so
schwach, daß daraus eine Wasser-
sucht erwächst. charlevoix Hist.
de S. Domingue T. I.
S. 14.
(g) [Spaltenumbruch] Buch 1. Buch 2.

Fuͤnftes Buch. Das Blut.
entfernt ſind, und alſo langſamer umgetrieben werden,
flieſſen nicht eben ſo gegen den weniger widerſtehenden
Ort herbei, und ſie ergieſſen ſich durch die Oefnung nicht
in eben demſelben Ebenmaaſſe (e*). Aus der Urſache
ſtellet ſich nach oͤfterm Aderlaſſen, oder nach einer Ver-
blutung, in den Gefaͤſſen ein duͤnnes und waͤſſriges Blut,
als ein bleicher Ueberbleibſel, ein (f), ſo wie ich an mir
ſelbſt erfaren habe, nachdem ich durch ſtarkes Naſenbluten
eine Menge Bluts verloren. Nun aber, da ein groͤſſrer
Vorrat von einem duͤnnen Safte in den roten Gefaͤſſen
uͤbrig iſt, ſo koͤnnen die roten Gefaͤſſe denſelben nicht im
Zaume halten, denn es findet erwaͤrmtes Waſſer einen
gar zu leichten Weg aus den Schlagadern in das Zellge-
webe uͤberzuſchwizzen. Und dieſes iſt der groͤſte Feler an
dem Leime, den man aus dem Welſe (Silurus) oder dem
Hauſen kocht, wenn man ſelbigen in die Gefaͤſſe eines
Leichnames heis einſprizzt: denn es begibt ſich ſelbiger
aus den Gefaͤſſen, die er nur unvollkommen ausfuͤllt, den
Augenblik in das Zellgewebe hinuͤber. Da nun das
Waſſer des Blutes in das uͤbrige Zellgewebe fluͤchtet, ſo
iſt, wiewol auch noch andre Urſachen ſtatt finden, der
Uebergang von der Schleimbluͤtigkeit zur Waſſerſucht
ganz leicht zu bewerkſtelligen (h), und es ergieſt ſich das
haͤufig getrunkne Waſſer ſogleich in dem Koͤrper aus. Es
haben aber die roten Kuͤgelchen des Blutes zu allerlei aus-
damfenden Gefaͤsmuͤndungen ein ſolches Maas bekom-
men, daß ſie in den Gefaͤſſen eines geſunden Menſchen
allemal zuruͤkkebleiben, wofern nicht eine ſtaͤrkre, oder
mit den Naturgeſezzen nicht uͤbereinſtimmende Kraft dieſe
(g)

Poros
(e*) [Spaltenumbruch] Vergl. queſnai de la
ſaignée
S. 15. Vom roten Blute
fliſſen 180 Theile fort, von weiſſen
Saͤften 40 Theile.
(f) michelotti in Hiſtoria An-
gelae Piſanae.
S. 14. Eſſays of
a Society at Edimburg T. II.
S. 20.
morton Phtiſiolog. S. 18.
(h) Vorhergeh. 4 §. Ein ein-
ziges Aderlaſſen macht die Euro-
paͤer auf dem Eilande Hiſpaniola,
die ſchon ſonſt ſchwach ſind, ſo
ſchwach, daß daraus eine Waſſer-
ſucht erwaͤchſt. charlevoix Hiſt.
de S. Domingue T. I.
S. 14.
(g) [Spaltenumbruch] Buch 1. Buch 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0256" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nftes Buch. Das Blut.</hi></fw><lb/>
entfernt &#x017F;ind, und al&#x017F;o lang&#x017F;amer umgetrieben werden,<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;en nicht eben &#x017F;o gegen den weniger wider&#x017F;tehenden<lb/>
Ort herbei, und &#x017F;ie ergie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich durch die Oefnung nicht<lb/>
in eben dem&#x017F;elben Ebenmaa&#x017F;&#x017F;e <note place="foot" n="(e*)"><cb/>
Vergl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">que&#x017F;nai</hi></hi> de la<lb/>
&#x017F;aignée</hi> S. 15. Vom roten Blute<lb/>
fli&#x017F;&#x017F;en 180 Theile fort, von wei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sa&#x0364;ften 40 Theile.</note>. Aus der Ur&#x017F;ache<lb/>
&#x017F;tellet &#x017F;ich nach o&#x0364;fterm Aderla&#x017F;&#x017F;en, oder nach einer Ver-<lb/>
blutung, in den Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ein du&#x0364;nnes und wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;riges Blut,<lb/>
als ein bleicher Ueberbleib&#x017F;el, ein <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">michelotti</hi> in Hi&#x017F;toria An-<lb/>
gelae Pi&#x017F;anae.</hi> S. 14. <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ays of<lb/>
a Society at Edimburg T. II.</hi> S. 20.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">morton</hi> Phti&#x017F;iolog.</hi> S. 18.</note>, &#x017F;o wie ich an mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t erfaren habe, nachdem ich durch &#x017F;tarkes Na&#x017F;enbluten<lb/>
eine Menge Bluts verloren. Nun aber, da ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;rer<lb/>
Vorrat von einem du&#x0364;nnen Safte in den roten Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
u&#x0364;brig i&#x017F;t, &#x017F;o ko&#x0364;nnen die roten Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e den&#x017F;elben nicht im<lb/>
Zaume halten, denn es findet erwa&#x0364;rmtes Wa&#x017F;&#x017F;er einen<lb/>
gar zu leichten Weg aus den Schlagadern in das Zellge-<lb/>
webe u&#x0364;berzu&#x017F;chwizzen. Und die&#x017F;es i&#x017F;t der gro&#x0364;&#x017F;te Feler an<lb/>
dem Leime, den man aus dem Wel&#x017F;e (<hi rendition="#aq">Silurus</hi>) oder dem<lb/>
Hau&#x017F;en kocht, wenn man &#x017F;elbigen in die Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e eines<lb/>
Leichnames heis ein&#x017F;prizzt: denn es begibt &#x017F;ich &#x017F;elbiger<lb/>
aus den Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, die er nur unvollkommen ausfu&#x0364;llt, den<lb/>
Augenblik in das Zellgewebe hinu&#x0364;ber. Da nun das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er des Blutes in das u&#x0364;brige Zellgewebe flu&#x0364;chtet, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t, wiewol auch noch andre Ur&#x017F;achen &#x017F;tatt finden, der<lb/>
Uebergang von der Schleimblu&#x0364;tigkeit zur Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht<lb/>
ganz leicht zu bewerk&#x017F;telligen <note place="foot" n="(h)">Vorhergeh. 4 §. Ein ein-<lb/>
ziges Aderla&#x017F;&#x017F;en macht die Euro-<lb/>
pa&#x0364;er auf dem Eilande Hi&#x017F;paniola,<lb/>
die &#x017F;chon &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;chwach &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwach, daß daraus eine Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;ucht erwa&#x0364;ch&#x017F;t. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">charlevoix</hi> Hi&#x017F;t.<lb/>
de S. Domingue T. I.</hi> S. 14.</note>, und es ergie&#x017F;t &#x017F;ich das<lb/>
ha&#x0364;ufig getrunkne Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ogleich in dem Ko&#x0364;rper aus. Es<lb/>
haben aber die roten Ku&#x0364;gelchen des Blutes zu allerlei aus-<lb/>
damfenden Gefa&#x0364;smu&#x0364;ndungen ein &#x017F;olches Maas bekom-<lb/>
men, daß &#x017F;ie in den Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en eines ge&#x017F;unden Men&#x017F;chen<lb/>
allemal zuru&#x0364;kkebleiben, wofern nicht eine &#x017F;ta&#x0364;rkre, oder<lb/>
mit den Naturge&#x017F;ezzen nicht u&#x0364;berein&#x017F;timmende Kraft die&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Poros</fw><lb/><note place="foot" n="(g)"><cb/>
Buch 1. Buch 2.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0256] Fuͤnftes Buch. Das Blut. entfernt ſind, und alſo langſamer umgetrieben werden, flieſſen nicht eben ſo gegen den weniger widerſtehenden Ort herbei, und ſie ergieſſen ſich durch die Oefnung nicht in eben demſelben Ebenmaaſſe (e*). Aus der Urſache ſtellet ſich nach oͤfterm Aderlaſſen, oder nach einer Ver- blutung, in den Gefaͤſſen ein duͤnnes und waͤſſriges Blut, als ein bleicher Ueberbleibſel, ein (f), ſo wie ich an mir ſelbſt erfaren habe, nachdem ich durch ſtarkes Naſenbluten eine Menge Bluts verloren. Nun aber, da ein groͤſſrer Vorrat von einem duͤnnen Safte in den roten Gefaͤſſen uͤbrig iſt, ſo koͤnnen die roten Gefaͤſſe denſelben nicht im Zaume halten, denn es findet erwaͤrmtes Waſſer einen gar zu leichten Weg aus den Schlagadern in das Zellge- webe uͤberzuſchwizzen. Und dieſes iſt der groͤſte Feler an dem Leime, den man aus dem Welſe (Silurus) oder dem Hauſen kocht, wenn man ſelbigen in die Gefaͤſſe eines Leichnames heis einſprizzt: denn es begibt ſich ſelbiger aus den Gefaͤſſen, die er nur unvollkommen ausfuͤllt, den Augenblik in das Zellgewebe hinuͤber. Da nun das Waſſer des Blutes in das uͤbrige Zellgewebe fluͤchtet, ſo iſt, wiewol auch noch andre Urſachen ſtatt finden, der Uebergang von der Schleimbluͤtigkeit zur Waſſerſucht ganz leicht zu bewerkſtelligen (h), und es ergieſt ſich das haͤufig getrunkne Waſſer ſogleich in dem Koͤrper aus. Es haben aber die roten Kuͤgelchen des Blutes zu allerlei aus- damfenden Gefaͤsmuͤndungen ein ſolches Maas bekom- men, daß ſie in den Gefaͤſſen eines geſunden Menſchen allemal zuruͤkkebleiben, wofern nicht eine ſtaͤrkre, oder mit den Naturgeſezzen nicht uͤbereinſtimmende Kraft dieſe Poros (g) (e*) Vergl. queſnai de la ſaignée S. 15. Vom roten Blute fliſſen 180 Theile fort, von weiſſen Saͤften 40 Theile. (f) michelotti in Hiſtoria An- gelae Piſanae. S. 14. Eſſays of a Society at Edimburg T. II. S. 20. morton Phtiſiolog. S. 18. (h) Vorhergeh. 4 §. Ein ein- ziges Aderlaſſen macht die Euro- paͤer auf dem Eilande Hiſpaniola, die ſchon ſonſt ſchwach ſind, ſo ſchwach, daß daraus eine Waſſer- ſucht erwaͤchſt. charlevoix Hiſt. de S. Domingue T. I. S. 14. (g) Buch 1. Buch 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/256
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/256>, abgerufen am 15.05.2024.