de (l) und der Lebensmuskeln, folglich auch in den Fa- sern des Herzens, der Lunge (m) und der Knochen (n), eine lebendige Bewegung, nämlich eine reizbare Natur, oder die Stahlische Springkraft (tonus) befinde. Er brachte ferner die Muthmassung vor, und bildete sich ein, es entstünde in der Bewegung eine wechselnde und immerwährende Dauer, so oft eine zusammengezogene Faser ihren Nerven zusammendrükket, und folglich ent- wendeten sich die Muskelfäden, wenn sie sich zusammen- zögen, die [n]ervenhafte Kraft selbst, von der doch die Stärke derer Muskeln herrührete. Hingegen gäbe ei- ne schlaff gewordene Faser dem Nerven die Freiheit wie- der (o), daß er kurz darauf den Muskel wieder zu seiner vorigen Verkürzung veranlassen könnte.
Es hat aber der vortrefliche Mann auch in dieser Hi- pothese die Herrschaft der reizbaren Beschaffenheit allzu- weit ausgebreitet, die sonsten von der Natur nur allein der Muskelfaser ist zugestanden, und einer jeden anderen Faser oder thierischen kleinen Theile gänzlich versagt wor- den. Denn ich halte gewiß dafür, daß dieses Gesezze durch meine Versuche sey bestätiget worden. Hiernächst widerspricht auch diese abwechselnde Thätigkeit der Fasern und Nerven denen Erscheinungen. Denn so oft ir- gend ein Muskel in seiner Beschäftigung begriffen ist, so oft ziehen sich in der That nicht nur die Fasern desselben zusammen, sondern es äussern auch die Nerven zu glei- cher Zeit ihre Kraft gegen den Muskel. Solchemnach sind hier keine abwechselnde Zeiten vorhanden, da die Fa- sern ihre zusammenziehende Kraft, und die Nerven ihre Wirksamkeit beweisen. Endlich, wenn in der That die abwechselnde Ruhe derer Muskelschnüren im Herzen von dieser Zusammendrükkung der Nerven, die sie von den Fleischfasern erleiden, herrühret, so sehe ich keinen Unter-
schied,
(l)[Spaltenumbruch]N. 60. 61. 68. 69.
(m)N. 70.
(n)[Spaltenumbruch]N. 71.
(o)N. 39.
Viertes Buch. Das Herz.
de (l) und der Lebensmuskeln, folglich auch in den Fa- ſern des Herzens, der Lunge (m) und der Knochen (n), eine lebendige Bewegung, naͤmlich eine reizbare Natur, oder die Stahliſche Springkraft (tonus) befinde. Er brachte ferner die Muthmaſſung vor, und bildete ſich ein, es entſtuͤnde in der Bewegung eine wechſelnde und immerwaͤhrende Dauer, ſo oft eine zuſammengezogene Faſer ihren Nerven zuſammendruͤkket, und folglich ent- wendeten ſich die Muskelfaͤden, wenn ſie ſich zuſammen- zoͤgen, die [n]ervenhafte Kraft ſelbſt, von der doch die Staͤrke derer Muskeln herruͤhrete. Hingegen gaͤbe ei- ne ſchlaff gewordene Faſer dem Nerven die Freiheit wie- der (o), daß er kurz darauf den Muskel wieder zu ſeiner vorigen Verkuͤrzung veranlaſſen koͤnnte.
Es hat aber der vortrefliche Mann auch in dieſer Hi- potheſe die Herrſchaft der reizbaren Beſchaffenheit allzu- weit ausgebreitet, die ſonſten von der Natur nur allein der Muskelfaſer iſt zugeſtanden, und einer jeden anderen Faſer oder thieriſchen kleinen Theile gaͤnzlich verſagt wor- den. Denn ich halte gewiß dafuͤr, daß dieſes Geſezze durch meine Verſuche ſey beſtaͤtiget worden. Hiernaͤchſt widerſpricht auch dieſe abwechſelnde Thaͤtigkeit der Faſern und Nerven denen Erſcheinungen. Denn ſo oft ir- gend ein Muskel in ſeiner Beſchaͤftigung begriffen iſt, ſo oft ziehen ſich in der That nicht nur die Faſern deſſelben zuſammen, ſondern es aͤuſſern auch die Nerven zu glei- cher Zeit ihre Kraft gegen den Muskel. Solchemnach ſind hier keine abwechſelnde Zeiten vorhanden, da die Fa- ſern ihre zuſammenziehende Kraft, und die Nerven ihre Wirkſamkeit beweiſen. Endlich, wenn in der That die abwechſelnde Ruhe derer Muskelſchnuͤren im Herzen von dieſer Zuſammendruͤkkung der Nerven, die ſie von den Fleiſchfaſern erleiden, herruͤhret, ſo ſehe ich keinen Unter-
ſchied,
(l)[Spaltenumbruch]N. 60. 61. 68. 69.
(m)N. 70.
(n)[Spaltenumbruch]N. 71.
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Viertes Buch. Das Herz.
de (l) und der Lebensmuskeln, folglich auch in den Fa-
ſern des Herzens, der Lunge (m) und der Knochen (n),
eine lebendige Bewegung, naͤmlich eine reizbare Natur,
oder die Stahliſche Springkraft (tonus) befinde. Er
brachte ferner die Muthmaſſung vor, und bildete ſich
ein, es entſtuͤnde in der Bewegung eine wechſelnde und
immerwaͤhrende Dauer, ſo oft eine zuſammengezogene
Faſer ihren Nerven zuſammendruͤkket, und folglich ent-
wendeten ſich die Muskelfaͤden, wenn ſie ſich zuſammen-
zoͤgen, die nervenhafte Kraft ſelbſt, von der doch die
Staͤrke derer Muskeln herruͤhrete. Hingegen gaͤbe ei-
ne ſchlaff gewordene Faſer dem Nerven die Freiheit wie-
der (o), daß er kurz darauf den Muskel wieder zu ſeiner
vorigen Verkuͤrzung veranlaſſen koͤnnte.
Es hat aber der vortrefliche Mann auch in dieſer Hi-
potheſe die Herrſchaft der reizbaren Beſchaffenheit allzu-
weit ausgebreitet, die ſonſten von der Natur nur allein
der Muskelfaſer iſt zugeſtanden, und einer jeden anderen
Faſer oder thieriſchen kleinen Theile gaͤnzlich verſagt wor-
den. Denn ich halte gewiß dafuͤr, daß dieſes Geſezze
durch meine Verſuche ſey beſtaͤtiget worden. Hiernaͤchſt
widerſpricht auch dieſe abwechſelnde Thaͤtigkeit der Faſern
und Nerven denen Erſcheinungen. Denn ſo oft ir-
gend ein Muskel in ſeiner Beſchaͤftigung begriffen iſt, ſo
oft ziehen ſich in der That nicht nur die Faſern deſſelben
zuſammen, ſondern es aͤuſſern auch die Nerven zu glei-
cher Zeit ihre Kraft gegen den Muskel. Solchemnach
ſind hier keine abwechſelnde Zeiten vorhanden, da die Fa-
ſern ihre zuſammenziehende Kraft, und die Nerven ihre
Wirkſamkeit beweiſen. Endlich, wenn in der That die
abwechſelnde Ruhe derer Muskelſchnuͤren im Herzen von
dieſer Zuſammendruͤkkung der Nerven, die ſie von den
Fleiſchfaſern erleiden, herruͤhret, ſo ſehe ich keinen Unter-
ſchied,
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 918. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/974>, abgerufen am 23.11.2024.
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