Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede des Verfassers.
so, wie ein Swammerdam, zergliedern, die
Nerven wie ein Mekel, und die Muskeln
wie Albinus entwikkeln möchte?

Jch bin zwar wohl überzeuget, daß das
Bücherlesen mühsam sey, daß fast unzähl-
bare Werke, die in verschiedenen Sprachen
geschrieben worden, vorhanden sind, und
daß die meisten dererselben viel unnüzzes,
und viel wiederholte Sachen enthalten, ja
daß auch die Aufrichtigkeit, und der Fleiß
derer Schriftsteller nicht allemal so beschaf-
fen sey, daß man bündige Folgesäzze darauf
gründen könne. Es wird eine beständige Arbeit,
und zugleich auch eine starke, und mit vie-
ler Beschwerlichkeit verknüpfte Beurthei-
lungskraft müssen angewendet werden, um
die wahren Erfolge derer Dinge von den
Fehlern zu reinigen, die ein eingesogenes Vor-
urtheil, das grosse Ansehn derer Schulen,
und die Lust, eine Hipothese auszuschmük-
ken, sehr oft in denen besten Schriften hin
und wieder ausgestreuet hat. Jndessen ge-
het doch das mühsame Lesen noch nicht über
die menschliche Fähigkeiten hinaus, und man
hat allerdings Ursache zu hoffen, daß das
Wahre von den Einbildungen werde können
unterschieden werden, wozu dann unsre eigne

Ver-

Vorrede des Verfaſſers.
ſo, wie ein Swammerdam, zergliedern, die
Nerven wie ein Mekel, und die Muskeln
wie Albinus entwikkeln moͤchte?

Jch bin zwar wohl uͤberzeuget, daß das
Buͤcherleſen muͤhſam ſey, daß faſt unzaͤhl-
bare Werke, die in verſchiedenen Sprachen
geſchrieben worden, vorhanden ſind, und
daß die meiſten dererſelben viel unnuͤzzes,
und viel wiederholte Sachen enthalten, ja
daß auch die Aufrichtigkeit, und der Fleiß
derer Schriftſteller nicht allemal ſo beſchaf-
fen ſey, daß man buͤndige Folgeſaͤzze darauf
gruͤnden koͤnne. Es wird eine beſtaͤndige Arbeit,
und zugleich auch eine ſtarke, und mit vie-
ler Beſchwerlichkeit verknuͤpfte Beurthei-
lungskraft muͤſſen angewendet werden, um
die wahren Erfolge derer Dinge von den
Fehlern zu reinigen, die ein eingeſogenes Vor-
urtheil, das groſſe Anſehn derer Schulen,
und die Luſt, eine Hipotheſe auszuſchmuͤk-
ken, ſehr oft in denen beſten Schriften hin
und wieder ausgeſtreuet hat. Jndeſſen ge-
het doch das muͤhſame Leſen noch nicht uͤber
die menſchliche Faͤhigkeiten hinaus, und man
hat allerdings Urſache zu hoffen, daß das
Wahre von den Einbildungen werde koͤnnen
unterſchieden werden, wozu dann unſre eigne

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede des Verfa&#x017F;&#x017F;ers.</hi></fw><lb/>
&#x017F;o, wie ein <hi rendition="#fr">Swammerdam,</hi> zergliedern, die<lb/>
Nerven wie ein <hi rendition="#fr">Mekel,</hi> und die Muskeln<lb/>
wie <hi rendition="#fr">Albinus</hi> entwikkeln mo&#x0364;chte?</p><lb/>
        <p>Jch bin zwar wohl u&#x0364;berzeuget, daß das<lb/>
Bu&#x0364;cherle&#x017F;en mu&#x0364;h&#x017F;am &#x017F;ey, daß fa&#x017F;t unza&#x0364;hl-<lb/>
bare Werke, die in ver&#x017F;chiedenen Sprachen<lb/>
ge&#x017F;chrieben worden, vorhanden &#x017F;ind, und<lb/>
daß die mei&#x017F;ten derer&#x017F;elben viel unnu&#x0364;zzes,<lb/>
und viel wiederholte Sachen enthalten, ja<lb/>
daß auch die Aufrichtigkeit, und der Fleiß<lb/>
derer Schrift&#x017F;teller nicht allemal &#x017F;o be&#x017F;chaf-<lb/>
fen &#x017F;ey, daß man bu&#x0364;ndige Folge&#x017F;a&#x0364;zze darauf<lb/>
gru&#x0364;nden ko&#x0364;nne. Es wird eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige Arbeit,<lb/>
und zugleich auch eine &#x017F;tarke, und mit vie-<lb/>
ler Be&#x017F;chwerlichkeit verknu&#x0364;pfte Beurthei-<lb/>
lungskraft mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en angewendet werden, um<lb/>
die wahren Erfolge derer Dinge von den<lb/>
Fehlern zu reinigen, die ein einge&#x017F;ogenes Vor-<lb/>
urtheil, das gro&#x017F;&#x017F;e An&#x017F;ehn derer Schulen,<lb/>
und die Lu&#x017F;t, eine Hipothe&#x017F;e auszu&#x017F;chmu&#x0364;k-<lb/>
ken, &#x017F;ehr oft in denen be&#x017F;ten Schriften hin<lb/>
und wieder ausge&#x017F;treuet hat. Jnde&#x017F;&#x017F;en ge-<lb/>
het doch das mu&#x0364;h&#x017F;ame Le&#x017F;en noch nicht u&#x0364;ber<lb/>
die men&#x017F;chliche Fa&#x0364;higkeiten hinaus, und man<lb/>
hat allerdings Ur&#x017F;ache zu hoffen, daß das<lb/>
Wahre von den Einbildungen werde ko&#x0364;nnen<lb/>
unter&#x017F;chieden werden, wozu dann un&#x017F;re eigne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0036] Vorrede des Verfaſſers. ſo, wie ein Swammerdam, zergliedern, die Nerven wie ein Mekel, und die Muskeln wie Albinus entwikkeln moͤchte? Jch bin zwar wohl uͤberzeuget, daß das Buͤcherleſen muͤhſam ſey, daß faſt unzaͤhl- bare Werke, die in verſchiedenen Sprachen geſchrieben worden, vorhanden ſind, und daß die meiſten dererſelben viel unnuͤzzes, und viel wiederholte Sachen enthalten, ja daß auch die Aufrichtigkeit, und der Fleiß derer Schriftſteller nicht allemal ſo beſchaf- fen ſey, daß man buͤndige Folgeſaͤzze darauf gruͤnden koͤnne. Es wird eine beſtaͤndige Arbeit, und zugleich auch eine ſtarke, und mit vie- ler Beſchwerlichkeit verknuͤpfte Beurthei- lungskraft muͤſſen angewendet werden, um die wahren Erfolge derer Dinge von den Fehlern zu reinigen, die ein eingeſogenes Vor- urtheil, das groſſe Anſehn derer Schulen, und die Luſt, eine Hipotheſe auszuſchmuͤk- ken, ſehr oft in denen beſten Schriften hin und wieder ausgeſtreuet hat. Jndeſſen ge- het doch das muͤhſame Leſen noch nicht uͤber die menſchliche Faͤhigkeiten hinaus, und man hat allerdings Urſache zu hoffen, daß das Wahre von den Einbildungen werde koͤnnen unterſchieden werden, wozu dann unſre eigne Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/36
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/36>, abgerufen am 24.11.2024.