selbst reden zu hören, und der endlich durch einen Eifer sich hervorzuthun, und die Begierde nach öffentlichen Belohnungen und akademischen Titeln, in Bewegung gesezzet wird.
Jn so weit haben sie allerdings recht, wenn ihre Erinnerung solche Personen ange- het, welche nur darum lesen, damit sie ge- lehrter Männer Schriften durchblättern, die daher betrogen werden, und andere wieder betriegen, und die Natur und die Wahr- heit vor einerlei halten. Sie haben recht, wenn sie täglich einschärfen, daß in Dingen, die man selbst beobachtet, sich mehr Deut- lichkeit und mehr Wahrheit zeige, als selbst in der richtigsten Geschichte solcher Sachen. Sie haben recht, wenn sie sagen, daß durch das Bücherlesen die menschliche Erkenntnis keinen neuen Zuwachs erhalte, daß Bücher Schäzze sind, die durch beständiges zählen nicht vermehret werden: man wende sich nie- mals an die Natur allein, um sich bei ihr Raths zu erholen, da sie uns nicht guten Unterricht gebe; sie sey der unerschöpfliche Quell, aus dem nicht nur die ersten Jahr- hunderte die Wahrheiten geschöpft, sondern auch die Nachwelt dieselben noch ferner ohne
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Vorrede des Verfaſſers.
ſelbſt reden zu hoͤren, und der endlich durch einen Eifer ſich hervorzuthun, und die Begierde nach oͤffentlichen Belohnungen und akademiſchen Titeln, in Bewegung geſezzet wird.
Jn ſo weit haben ſie allerdings recht, wenn ihre Erinnerung ſolche Perſonen ange- het, welche nur darum leſen, damit ſie ge- lehrter Maͤnner Schriften durchblaͤttern, die daher betrogen werden, und andere wieder betriegen, und die Natur und die Wahr- heit vor einerlei halten. Sie haben recht, wenn ſie taͤglich einſchaͤrfen, daß in Dingen, die man ſelbſt beobachtet, ſich mehr Deut- lichkeit und mehr Wahrheit zeige, als ſelbſt in der richtigſten Geſchichte ſolcher Sachen. Sie haben recht, wenn ſie ſagen, daß durch das Buͤcherleſen die menſchliche Erkenntnis keinen neuen Zuwachs erhalte, daß Buͤcher Schaͤzze ſind, die durch beſtaͤndiges zaͤhlen nicht vermehret werden: man wende ſich nie- mals an die Natur allein, um ſich bei ihr Raths zu erholen, da ſie uns nicht guten Unterricht gebe; ſie ſey der unerſchoͤpfliche Quell, aus dem nicht nur die erſten Jahr- hunderte die Wahrheiten geſchoͤpft, ſondern auch die Nachwelt dieſelben noch ferner ohne
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[0033]
Vorrede des Verfaſſers.
ſelbſt reden zu hoͤren, und der endlich
durch einen Eifer ſich hervorzuthun, und die
Begierde nach oͤffentlichen Belohnungen und
akademiſchen Titeln, in Bewegung geſezzet
wird.
Jn ſo weit haben ſie allerdings recht,
wenn ihre Erinnerung ſolche Perſonen ange-
het, welche nur darum leſen, damit ſie ge-
lehrter Maͤnner Schriften durchblaͤttern, die
daher betrogen werden, und andere wieder
betriegen, und die Natur und die Wahr-
heit vor einerlei halten. Sie haben recht,
wenn ſie taͤglich einſchaͤrfen, daß in Dingen,
die man ſelbſt beobachtet, ſich mehr Deut-
lichkeit und mehr Wahrheit zeige, als ſelbſt
in der richtigſten Geſchichte ſolcher Sachen.
Sie haben recht, wenn ſie ſagen, daß durch
das Buͤcherleſen die menſchliche Erkenntnis
keinen neuen Zuwachs erhalte, daß Buͤcher
Schaͤzze ſind, die durch beſtaͤndiges zaͤhlen
nicht vermehret werden: man wende ſich nie-
mals an die Natur allein, um ſich bei ihr
Raths zu erholen, da ſie uns nicht guten
Unterricht gebe; ſie ſey der unerſchoͤpfliche
Quell, aus dem nicht nur die erſten Jahr-
hunderte die Wahrheiten geſchoͤpft, ſondern
auch die Nachwelt dieſelben noch ferner ohne
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/33>, abgerufen am 25.11.2024.
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