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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Erstes Buch. Elementartheile
der zertheilte. Jn der tödlichsten Lungenentzündung
schwizzet das Blut selbst in die Luftbläsgen der Lunge
durch, es vermehret, wenn es in dieselben eingedrungen,
die Schwere dieses Eingeweides, daß es nachgehends im
Wasser zu Boden sinkt, und das geronnene dem übrigen
Blute, das sich durchdrengen soll, nicht mehr Plaz
macht. Von diesem höchstbetrübten Falle habe ich an-
derswo (y) eine Nachricht gegeben. Es scheinen mir
auch, so wie andern berühmten Männern (z), die in bös-
artigen Fiebern ausbrechende Flekken nichts anders zu
seyn, als ein in die Fächerräume unter der Haut ergosse-
nes Geblüt. Eben dieser Fall, der aber fürchterlicher
wird, findet in denen so genannten Pestcarbunkeln
statt: denn alsdenn ziehet sich das Blut in alle fächrige
Räume an den beschädigten Theilen, bis in die Kno-
chen hinein, die es schwarz färbt. So gar habe ich an
den innern Häuten der grossen Schlagader mehr als zu
oft Flekken, wie sie der heisse Brand nach sich läst, wahr-
genommen, welche von dem durchgeschwizzten Blute ih-
ren Ursprung hatten. Alles dieses erfolget, indem die
Gefässe ganz bleiben, und keine Risse leiden, welches
sonsten schon seltener vorkömt, und von uns, da wir
dergleichen Körper mit verschiednen Feuchtigkeiten aus-
sprizzten, nothwendig hätte entdekkt werden müssen: denn
es hätten ja diese flüssige Substanzen unumgänglich aus
der geborstnen Schlagader hervorbrechen und grosse
Flekken und Klumpen, wie oben gedacht, bilden müs-
sen.

Es darf dieses aber niemand vor eine Neuigkeit an-
sehen. Denn es berichtet schon einer der ältesten Aerzte,
Erasistratus, daß das Blut durch die Verbindungen
der äussersten Ende derer Blutgefässe (anastomosis)

durch-
(y) [Spaltenumbruch] Opusc. path. Obs. 14. S.
[3]8.
(z) [Spaltenumbruch] rogers of epidemic. disea-
ses.
S. 14.

Erſtes Buch. Elementartheile
der zertheilte. Jn der toͤdlichſten Lungenentzuͤndung
ſchwizzet das Blut ſelbſt in die Luftblaͤsgen der Lunge
durch, es vermehret, wenn es in dieſelben eingedrungen,
die Schwere dieſes Eingeweides, daß es nachgehends im
Waſſer zu Boden ſinkt, und das geronnene dem uͤbrigen
Blute, das ſich durchdrengen ſoll, nicht mehr Plaz
macht. Von dieſem hoͤchſtbetruͤbten Falle habe ich an-
derswo (y) eine Nachricht gegeben. Es ſcheinen mir
auch, ſo wie andern beruͤhmten Maͤnnern (z), die in boͤs-
artigen Fiebern ausbrechende Flekken nichts anders zu
ſeyn, als ein in die Faͤcherraͤume unter der Haut ergoſſe-
nes Gebluͤt. Eben dieſer Fall, der aber fuͤrchterlicher
wird, findet in denen ſo genannten Peſtcarbunkeln
ſtatt: denn alsdenn ziehet ſich das Blut in alle faͤchrige
Raͤume an den beſchaͤdigten Theilen, bis in die Kno-
chen hinein, die es ſchwarz faͤrbt. So gar habe ich an
den innern Haͤuten der groſſen Schlagader mehr als zu
oft Flekken, wie ſie der heiſſe Brand nach ſich laͤſt, wahr-
genommen, welche von dem durchgeſchwizzten Blute ih-
ren Urſprung hatten. Alles dieſes erfolget, indem die
Gefaͤſſe ganz bleiben, und keine Riſſe leiden, welches
ſonſten ſchon ſeltener vorkoͤmt, und von uns, da wir
dergleichen Koͤrper mit verſchiednen Feuchtigkeiten aus-
ſprizzten, nothwendig haͤtte entdekkt werden muͤſſen: denn
es haͤtten ja dieſe fluͤſſige Subſtanzen unumgaͤnglich aus
der geborſtnen Schlagader hervorbrechen und groſſe
Flekken und Klumpen, wie oben gedacht, bilden muͤſ-
ſen.

Es darf dieſes aber niemand vor eine Neuigkeit an-
ſehen. Denn es berichtet ſchon einer der aͤlteſten Aerzte,
Eraſiſtratus, daß das Blut durch die Verbindungen
der aͤuſſerſten Ende derer Blutgefaͤſſe (anaſtomoſis)

durch-
(y) [Spaltenumbruch] Opuſc. path. Obſ. 14. S.
[3]8.
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ſes.
S. 14.
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[70/0126] Erſtes Buch. Elementartheile der zertheilte. Jn der toͤdlichſten Lungenentzuͤndung ſchwizzet das Blut ſelbſt in die Luftblaͤsgen der Lunge durch, es vermehret, wenn es in dieſelben eingedrungen, die Schwere dieſes Eingeweides, daß es nachgehends im Waſſer zu Boden ſinkt, und das geronnene dem uͤbrigen Blute, das ſich durchdrengen ſoll, nicht mehr Plaz macht. Von dieſem hoͤchſtbetruͤbten Falle habe ich an- derswo (y) eine Nachricht gegeben. Es ſcheinen mir auch, ſo wie andern beruͤhmten Maͤnnern (z), die in boͤs- artigen Fiebern ausbrechende Flekken nichts anders zu ſeyn, als ein in die Faͤcherraͤume unter der Haut ergoſſe- nes Gebluͤt. Eben dieſer Fall, der aber fuͤrchterlicher wird, findet in denen ſo genannten Peſtcarbunkeln ſtatt: denn alsdenn ziehet ſich das Blut in alle faͤchrige Raͤume an den beſchaͤdigten Theilen, bis in die Kno- chen hinein, die es ſchwarz faͤrbt. So gar habe ich an den innern Haͤuten der groſſen Schlagader mehr als zu oft Flekken, wie ſie der heiſſe Brand nach ſich laͤſt, wahr- genommen, welche von dem durchgeſchwizzten Blute ih- ren Urſprung hatten. Alles dieſes erfolget, indem die Gefaͤſſe ganz bleiben, und keine Riſſe leiden, welches ſonſten ſchon ſeltener vorkoͤmt, und von uns, da wir dergleichen Koͤrper mit verſchiednen Feuchtigkeiten aus- ſprizzten, nothwendig haͤtte entdekkt werden muͤſſen: denn es haͤtten ja dieſe fluͤſſige Subſtanzen unumgaͤnglich aus der geborſtnen Schlagader hervorbrechen und groſſe Flekken und Klumpen, wie oben gedacht, bilden muͤſ- ſen. Es darf dieſes aber niemand vor eine Neuigkeit an- ſehen. Denn es berichtet ſchon einer der aͤlteſten Aerzte, Eraſiſtratus, daß das Blut durch die Verbindungen der aͤuſſerſten Ende derer Blutgefaͤſſe (anaſtomoſis) durch- (y) Opuſc. path. Obſ. 14. S. 38. (z) rogers of epidemic. diſea- ſes. S. 14.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/126>, abgerufen am 27.04.2024.