Seitdem die Heilungswissenschaft nach den Grundsätzen der Physik in Unser Reich gekommen, welches vor bereits mehr als 60 Jahren geschehen ist, hat die Medicinische Facultät keinen rechten Grund erhalten, nach welchem sie hätte verfahren müssen; sondern die Verwaltung derselben geschahe nach Maas- gabe der Zeiten und Umstände bald so, bald anders. Manchmal ward sie von einem Chef, und ein andermal von einer Kanzlei, dirigirt. Jhre Einrichtungen wurden zwar häufig er- neuert: allein sie konnten niemals lange Be- stand haben wegen der veränderlichen und zeitigen Chefs, in deren Macht und Gewalt es stund, das Alte zu verändern, und Neue- rungen einzuführen, und von denen jeder in- dessen so verfuhr, wie er selbst glaubte, daß es für die Erweiterung dieser nothwendigen Hülfe unter Unserm Volke am besten und nütz- lichsten wäre. Wir haben gefunden, daß eben dieses die Ursache sei, warum wir bis jetzo so sehr wenige Doctores und Wundärzte, die geborne Russen sind, in Unserm Reiche haben, und warum wir oft, neben den geschickten Ausländern, auch solche von außen her in
unsern
Reichs-Collegii.
B. Jnſtruction des Mediciniſchen Collegii.
Seitdem die Heilungswiſſenſchaft nach den Grundſaͤtzen der Phyſik in Unſer Reich gekommen, welches vor bereits mehr als 60 Jahren geſchehen iſt, hat die Mediciniſche Facultaͤt keinen rechten Grund erhalten, nach welchem ſie haͤtte verfahren muͤſſen; ſondern die Verwaltung derſelben geſchahe nach Maas- gabe der Zeiten und Umſtaͤnde bald ſo, bald anders. Manchmal ward ſie von einem Chef, und ein andermal von einer Kanzlei, dirigirt. Jhre Einrichtungen wurden zwar haͤufig er- neuert: allein ſie konnten niemals lange Be- ſtand haben wegen der veraͤnderlichen und zeitigen Chefs, in deren Macht und Gewalt es ſtund, das Alte zu veraͤndern, und Neue- rungen einzufuͤhren, und von denen jeder in- deſſen ſo verfuhr, wie er ſelbſt glaubte, daß es fuͤr die Erweiterung dieſer nothwendigen Huͤlfe unter Unſerm Volke am beſten und nuͤtz- lichſten waͤre. Wir haben gefunden, daß eben dieſes die Urſache ſei, warum wir bis jetzo ſo ſehr wenige Doctores und Wundaͤrzte, die geborne Ruſſen ſind, in Unſerm Reiche haben, und warum wir oft, neben den geſchickten Auslaͤndern, auch ſolche von außen her in
unſern
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Reichs-Collegii.
B.
Jnſtruction des Mediciniſchen Collegii.
Seitdem die Heilungswiſſenſchaft nach
den Grundſaͤtzen der Phyſik in Unſer Reich
gekommen, welches vor bereits mehr als 60
Jahren geſchehen iſt, hat die Mediciniſche
Facultaͤt keinen rechten Grund erhalten, nach
welchem ſie haͤtte verfahren muͤſſen; ſondern
die Verwaltung derſelben geſchahe nach Maas-
gabe der Zeiten und Umſtaͤnde bald ſo, bald
anders. Manchmal ward ſie von einem Chef,
und ein andermal von einer Kanzlei, dirigirt.
Jhre Einrichtungen wurden zwar haͤufig er-
neuert: allein ſie konnten niemals lange Be-
ſtand haben wegen der veraͤnderlichen und
zeitigen Chefs, in deren Macht und Gewalt
es ſtund, das Alte zu veraͤndern, und Neue-
rungen einzufuͤhren, und von denen jeder in-
deſſen ſo verfuhr, wie er ſelbſt glaubte, daß
es fuͤr die Erweiterung dieſer nothwendigen
Huͤlfe unter Unſerm Volke am beſten und nuͤtz-
lichſten waͤre. Wir haben gefunden, daß eben
dieſes die Urſache ſei, warum wir bis jetzo ſo
ſehr wenige Doctores und Wundaͤrzte, die
geborne Ruſſen ſind, in Unſerm Reiche haben,
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[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/355>, abgerufen am 22.11.2024.
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