Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

des Mirowitsch.
der sie ohnmöglich widerstehen konnten, vor
Augen sahen; und erwogen, daß auf die Be-
freiung dessen, der ihnen anvertrauet war,
der unvermeidliche Untergang vieler unschul-
digen Menschen, durch einen unter dem Volke
alsdenn erregten Aufstand, erfolgen würde:
so faßten sie unter sich die äußerste Resolution,
durch Verkürzung des Lebens eines einzigen
zum Unglück gebohrnen, allem diesem vorzu-
beugen. Und indem sie also überlegten, daß
wofern sie ihren Arrestanten, den man ihnen
auf eine so verzweiflungsvolle Weise entreis-
sen wollte, aus ihren Händen ließen, sie selbst
der Strenge der Gesetze ausgesetzt seyn dürften;
so tödteten sie ihn, ohne sich durch die Furcht
abschrecken zu lassen, daß sie eben dadurch
sich einem marterhaften Tode von Seiten ei-
nes so desperaten Bösewichts aussetzten.

Allein statt dessen wurde der Bösewicht
durch diesen Schlag so sehr betroffen, daß wie
er den todten Körper vor sich sah, und sich
für die Ursache des Todes desselben erkannte,
er sogleich auch seine Verwegenheit und Misse-
that erkannte, und hernach auch auf der Stelle
seine Reue vor allen Soldaten bezeugte, welche
er selbst eine Stunde vorher durch List zu seinen
Mitverbrechern gemacht hatte.

Nach-
Q 3

des Mirowitſch.
der ſie ohnmoͤglich widerſtehen konnten, vor
Augen ſahen; und erwogen, daß auf die Be-
freiung deſſen, der ihnen anvertrauet war,
der unvermeidliche Untergang vieler unſchul-
digen Menſchen, durch einen unter dem Volke
alsdenn erregten Aufſtand, erfolgen wuͤrde:
ſo faßten ſie unter ſich die aͤußerſte Reſolution,
durch Verkuͤrzung des Lebens eines einzigen
zum Ungluͤck gebohrnen, allem dieſem vorzu-
beugen. Und indem ſie alſo uͤberlegten, daß
wofern ſie ihren Arreſtanten, den man ihnen
auf eine ſo verzweiflungsvolle Weiſe entreiſ-
ſen wollte, aus ihren Haͤnden ließen, ſie ſelbſt
der Strenge der Geſetze ausgeſetzt ſeyn duͤrften;
ſo toͤdteten ſie ihn, ohne ſich durch die Furcht
abſchrecken zu laſſen, daß ſie eben dadurch
ſich einem marterhaften Tode von Seiten ei-
nes ſo deſperaten Boͤſewichts ausſetzten.

Allein ſtatt deſſen wurde der Boͤſewicht
durch dieſen Schlag ſo ſehr betroffen, daß wie
er den todten Koͤrper vor ſich ſah, und ſich
fuͤr die Urſache des Todes deſſelben erkannte,
er ſogleich auch ſeine Verwegenheit und Miſſe-
that erkannte, und hernach auch auf der Stelle
ſeine Reue vor allen Soldaten bezeugte, welche
er ſelbſt eine Stunde vorher durch Liſt zu ſeinen
Mitverbrechern gemacht hatte.

Nach-
Q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0269" n="245"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Mirowit&#x017F;ch.</hi></fw><lb/>
der &#x017F;ie ohnmo&#x0364;glich wider&#x017F;tehen konnten, vor<lb/>
Augen &#x017F;ahen; und erwogen, daß auf die Be-<lb/>
freiung de&#x017F;&#x017F;en, der ihnen anvertrauet war,<lb/>
der unvermeidliche Untergang vieler un&#x017F;chul-<lb/>
digen Men&#x017F;chen, durch einen unter dem Volke<lb/>
alsdenn erregten Auf&#x017F;tand, erfolgen wu&#x0364;rde:<lb/>
&#x017F;o faßten &#x017F;ie unter &#x017F;ich die a&#x0364;ußer&#x017F;te Re&#x017F;olution,<lb/>
durch Verku&#x0364;rzung des Lebens eines einzigen<lb/>
zum Unglu&#x0364;ck gebohrnen, allem die&#x017F;em vorzu-<lb/>
beugen. Und indem &#x017F;ie al&#x017F;o u&#x0364;berlegten, daß<lb/>
wofern &#x017F;ie ihren Arre&#x017F;tanten, den man ihnen<lb/>
auf eine &#x017F;o verzweiflungsvolle Wei&#x017F;e entrei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wollte, aus ihren Ha&#x0364;nden ließen, &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
der Strenge der Ge&#x017F;etze ausge&#x017F;etzt &#x017F;eyn du&#x0364;rften;<lb/>
&#x017F;o to&#x0364;dteten &#x017F;ie ihn, ohne &#x017F;ich durch die Furcht<lb/>
ab&#x017F;chrecken zu la&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie eben dadurch<lb/>
&#x017F;ich einem marterhaften Tode von Seiten ei-<lb/>
nes &#x017F;o de&#x017F;peraten Bo&#x0364;&#x017F;ewichts aus&#x017F;etzten.</p><lb/>
            <p>Allein &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en wurde der Bo&#x0364;&#x017F;ewicht<lb/>
durch die&#x017F;en Schlag &#x017F;o &#x017F;ehr betroffen, daß wie<lb/>
er den todten Ko&#x0364;rper vor &#x017F;ich &#x017F;ah, und &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;r die Ur&#x017F;ache des Todes de&#x017F;&#x017F;elben erkannte,<lb/>
er &#x017F;ogleich auch &#x017F;eine Verwegenheit und Mi&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
that erkannte, und hernach auch auf der Stelle<lb/>
&#x017F;eine Reue vor allen Soldaten bezeugte, welche<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t eine Stunde vorher durch Li&#x017F;t zu &#x017F;einen<lb/>
Mitverbrechern gemacht hatte.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Q 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Nach-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0269] des Mirowitſch. der ſie ohnmoͤglich widerſtehen konnten, vor Augen ſahen; und erwogen, daß auf die Be- freiung deſſen, der ihnen anvertrauet war, der unvermeidliche Untergang vieler unſchul- digen Menſchen, durch einen unter dem Volke alsdenn erregten Aufſtand, erfolgen wuͤrde: ſo faßten ſie unter ſich die aͤußerſte Reſolution, durch Verkuͤrzung des Lebens eines einzigen zum Ungluͤck gebohrnen, allem dieſem vorzu- beugen. Und indem ſie alſo uͤberlegten, daß wofern ſie ihren Arreſtanten, den man ihnen auf eine ſo verzweiflungsvolle Weiſe entreiſ- ſen wollte, aus ihren Haͤnden ließen, ſie ſelbſt der Strenge der Geſetze ausgeſetzt ſeyn duͤrften; ſo toͤdteten ſie ihn, ohne ſich durch die Furcht abſchrecken zu laſſen, daß ſie eben dadurch ſich einem marterhaften Tode von Seiten ei- nes ſo deſperaten Boͤſewichts ausſetzten. Allein ſtatt deſſen wurde der Boͤſewicht durch dieſen Schlag ſo ſehr betroffen, daß wie er den todten Koͤrper vor ſich ſah, und ſich fuͤr die Urſache des Todes deſſelben erkannte, er ſogleich auch ſeine Verwegenheit und Miſſe- that erkannte, und hernach auch auf der Stelle ſeine Reue vor allen Soldaten bezeugte, welche er ſelbſt eine Stunde vorher durch Liſt zu ſeinen Mitverbrechern gemacht hatte. Nach- Q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/269
Zitationshilfe: [Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/269>, abgerufen am 03.07.2024.