Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.Jhr Freunde! zecht, wie unsre Väter zechten: Sie waren alt und klug genung, Und manchen Zank, bey dem wir Söhne rechten, Ertränkten sie im Reihen-Trunk. Sie thaten mehr: Saß nur an ihrer Seite Ein Kind voll holder Freundlichkeit; So gab dem Wein ein Schmätzchen das Geleite, So ward ein Glas dem Kuß geweiht. Wie trostlos war der Zeiten erste Jugend, Als Thyrsis einer Phyllis sang, Und zum Geseufz von Leidenschaft und Tugend Mit ihr aus schwachen Wassern trank! Die Nüchternheit, die Einfalt blöder Liebe Verlängerten der Schäfer Müh; Wir trinken Wein, befeuren unsre Triebe Und küssen muthiger, als sie. Lockt uns kein Laub in ungewisse Schatten; So baut man Dach und Zimmer an, Die manchem Kuß mehr Sicherheit verstatten, Als Forst und Busch ihm leisten kann. Der süsse Reitz der ewig jungen Freude Wird stets durch Lieb und Wein vermehrt. Wenn ich den Scherz und den Tockayer meide, So sagt: bin ich der Jugend wehrt? Jhr Freunde! zecht, wie unſre Vaͤter zechten: Sie waren alt und klug genung, Und manchen Zank, bey dem wir Soͤhne rechten, Ertraͤnkten ſie im Reihen-Trunk. Sie thaten mehr: Saß nur an ihrer Seite Ein Kind voll holder Freundlichkeit; So gab dem Wein ein Schmaͤtzchen das Geleite, So ward ein Glas dem Kuß geweiht. Wie troſtlos war der Zeiten erſte Jugend, Als Thyrſis einer Phyllis ſang, Und zum Geſeufz von Leidenſchaft und Tugend Mit ihr aus ſchwachen Waſſern trank! Die Nuͤchternheit, die Einfalt bloͤder Liebe Verlaͤngerten der Schaͤfer Muͤh; Wir trinken Wein, befeuren unſre Triebe Und kuͤſſen muthiger, als ſie. Lockt uns kein Laub in ungewiſſe Schatten; So baut man Dach und Zimmer an, Die manchem Kuß mehr Sicherheit verſtatten, Als Forſt und Buſch ihm leiſten kann. Der ſuͤſſe Reitz der ewig jungen Freude Wird ſtets durch Lieb und Wein vermehrt. Wenn ich den Scherz und den Tockayer meide, So ſagt: bin ich der Jugend wehrt? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0114" n="64"/> <lg n="3"> <l>Jhr Freunde! zecht, wie unſre Vaͤter zechten:</l><lb/> <l>Sie waren alt und klug genung,</l><lb/> <l>Und manchen Zank, bey dem wir Soͤhne rechten,</l><lb/> <l>Ertraͤnkten ſie im Reihen-Trunk.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Sie thaten mehr: Saß nur an ihrer Seite</l><lb/> <l>Ein Kind voll holder Freundlichkeit;</l><lb/> <l>So gab dem Wein ein Schmaͤtzchen das Geleite,</l><lb/> <l>So ward ein Glas dem Kuß geweiht.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wie troſtlos war der Zeiten erſte Jugend,</l><lb/> <l>Als Thyrſis einer Phyllis ſang,</l><lb/> <l>Und zum Geſeufz von Leidenſchaft und Tugend</l><lb/> <l>Mit ihr aus ſchwachen Waſſern trank!</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die Nuͤchternheit, die Einfalt bloͤder Liebe</l><lb/> <l>Verlaͤngerten der Schaͤfer Muͤh;</l><lb/> <l>Wir trinken Wein, befeuren unſre Triebe</l><lb/> <l>Und kuͤſſen muthiger, als ſie.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Lockt uns kein Laub in ungewiſſe Schatten;</l><lb/> <l>So baut man Dach und Zimmer an,</l><lb/> <l>Die manchem Kuß mehr Sicherheit verſtatten,</l><lb/> <l>Als Forſt und Buſch ihm leiſten kann.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Der ſuͤſſe Reitz der ewig jungen Freude</l><lb/> <l>Wird ſtets durch Lieb und Wein vermehrt.</l><lb/> <l>Wenn ich den Scherz und den Tockayer meide,</l><lb/> <l>So ſagt: bin ich der Jugend wehrt?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [64/0114]
Jhr Freunde! zecht, wie unſre Vaͤter zechten:
Sie waren alt und klug genung,
Und manchen Zank, bey dem wir Soͤhne rechten,
Ertraͤnkten ſie im Reihen-Trunk.
Sie thaten mehr: Saß nur an ihrer Seite
Ein Kind voll holder Freundlichkeit;
So gab dem Wein ein Schmaͤtzchen das Geleite,
So ward ein Glas dem Kuß geweiht.
Wie troſtlos war der Zeiten erſte Jugend,
Als Thyrſis einer Phyllis ſang,
Und zum Geſeufz von Leidenſchaft und Tugend
Mit ihr aus ſchwachen Waſſern trank!
Die Nuͤchternheit, die Einfalt bloͤder Liebe
Verlaͤngerten der Schaͤfer Muͤh;
Wir trinken Wein, befeuren unſre Triebe
Und kuͤſſen muthiger, als ſie.
Lockt uns kein Laub in ungewiſſe Schatten;
So baut man Dach und Zimmer an,
Die manchem Kuß mehr Sicherheit verſtatten,
Als Forſt und Buſch ihm leiſten kann.
Der ſuͤſſe Reitz der ewig jungen Freude
Wird ſtets durch Lieb und Wein vermehrt.
Wenn ich den Scherz und den Tockayer meide,
So ſagt: bin ich der Jugend wehrt?
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