Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 1. Hamburg, 1742."chen keine einzige ist, in welcher so viele gute Lieder angetroffen "Ein Lied sollte so eingerichtet werden wie ein Sinngedicht. braucht
“chen keine einzige iſt, in welcher ſo viele gute Lieder angetroffen “Ein Lied ſollte ſo eingerichtet werden wie ein Sinngedicht. braucht
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0016"/> “chen keine einzige iſt, in welcher ſo viele gute Lieder angetroffen<lb/> “werden, als in der ihrigen. Die Beſchaffenheit und angebohr-<lb/> “ne Neigung des Volkes und die Eigenſchaft der Sprache ſcheinen<lb/> “zu Werken von dieſer Art bey ihnen beſonders geſchickt zu ſeyn.<lb/> “Unſere Dichter uͤberhaͤufen ein Lied mit ſo vieler Materie, als zu<lb/> “verſchiedenen genug ſeyn wuͤrde. Sie entziehen alſo jedem Ge-<lb/> “danken ſeine Nahrung und Kraft, indem ſie auf einmal mehr, als<lb/> “einem Einfalle die Fuͤlle geben und aufhelfen wollen. Wir erhal-<lb/> “ten von ihnen, ſtatt eines recht ausgearbeiteten Liedes, ein Gewebe<lb/> “unvollkommner Liederchen; und dieſes Fehlers hat ſich auch Waller<lb/> “ſchuldig gemacht, deſſen Schoͤnheiten man ſonſt nicht ſattſam be-<lb/> “wundern kann. Doch von allen unſern Landsleuten ſind keine<lb/> “in ihren Liedern durch einen Ueberfluß von Witz mangelhafter,<lb/> “als Dr. Donne und Cowley. Bey dieſen leuchtet ein ſinnreicher<lb/> “Einfall nach dem andern ſo ploͤtzlich hervor, daß die Aufmerk-<lb/> “ſamkeit des Leſers durch den fortwaͤhrenden Schimmer ihrer Ein-<lb/> “bildungskraft geblendet wird. Faſt in jeder Zeile findet man<lb/> “eine neue Abſicht und eine neue Stellung der Gedanken, und<lb/> “man erreichet das Ende, ehe man das Vergnuͤgen gehabt, etwas<lb/> “davon ausgefuͤhrt zu ſehen.</p><lb/> <p>“Ein Lied ſollte ſo eingerichtet werden wie ein Sinngedicht.<lb/> “Sie unterſcheiden ſich von einander dadurch, daß dieſes kein<lb/> “lyriſches Sylbenmaaß erfordert, auch gemeiniglich nur da ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">braucht</fw><lb/></p> </body> </text> </TEI> [0016]
“chen keine einzige iſt, in welcher ſo viele gute Lieder angetroffen
“werden, als in der ihrigen. Die Beſchaffenheit und angebohr-
“ne Neigung des Volkes und die Eigenſchaft der Sprache ſcheinen
“zu Werken von dieſer Art bey ihnen beſonders geſchickt zu ſeyn.
“Unſere Dichter uͤberhaͤufen ein Lied mit ſo vieler Materie, als zu
“verſchiedenen genug ſeyn wuͤrde. Sie entziehen alſo jedem Ge-
“danken ſeine Nahrung und Kraft, indem ſie auf einmal mehr, als
“einem Einfalle die Fuͤlle geben und aufhelfen wollen. Wir erhal-
“ten von ihnen, ſtatt eines recht ausgearbeiteten Liedes, ein Gewebe
“unvollkommner Liederchen; und dieſes Fehlers hat ſich auch Waller
“ſchuldig gemacht, deſſen Schoͤnheiten man ſonſt nicht ſattſam be-
“wundern kann. Doch von allen unſern Landsleuten ſind keine
“in ihren Liedern durch einen Ueberfluß von Witz mangelhafter,
“als Dr. Donne und Cowley. Bey dieſen leuchtet ein ſinnreicher
“Einfall nach dem andern ſo ploͤtzlich hervor, daß die Aufmerk-
“ſamkeit des Leſers durch den fortwaͤhrenden Schimmer ihrer Ein-
“bildungskraft geblendet wird. Faſt in jeder Zeile findet man
“eine neue Abſicht und eine neue Stellung der Gedanken, und
“man erreichet das Ende, ehe man das Vergnuͤgen gehabt, etwas
“davon ausgefuͤhrt zu ſehen.
“Ein Lied ſollte ſo eingerichtet werden wie ein Sinngedicht.
“Sie unterſcheiden ſich von einander dadurch, daß dieſes kein
“lyriſches Sylbenmaaß erfordert, auch gemeiniglich nur da ge-
braucht
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