hatten schon im 17. Jahrhundert einzelne medicinische Schulen, die Jatrophysiker und Jatrochemiker, den Versuch ge- macht, die Ursachen der Krankheiten auf bestimmte physikalische oder chemische Veränderungen zurückzuführen. Allein der damalige niedere Zustand der Naturwissenschaften verhinderte einen blei- benden Erfolg dieser berechtigten Bestrebungen. Daher blieben mehrere ältere Theorien, welche das Wesen der Krankheit in übernatürlichen oder mystischen Ursachen suchten, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in fast allgemeiner Geltung 2.
Erst um diese Zeit hatte Rudolf Virchow, ebenfalls ein Schüler von Johannes Müller, den glücklichen Ge- danken, die Zellen-Theorie vom gesunden auch auf den kranken Organismus zu übertragen; er suchte in den feinen Verände- rungen der kranken Zellen und der aus ihnen zusammengesetzten Gewebe die wahre Ursache jener gröberen Veränderungen, welche als bestimmte "Krankheitsbilder" den lebenden Organismus mit Gefahr und Tod bedrohen. Besonders während der sieben Jahre seiner Lehrthätigkeit in Würzburg (1849-1856) führte Virchow diese große Aufgabe mit so glänzendem Erfolge durch, daß seine (1858 veröffentlichte) Cellular-Pathologie mit einem Schlage die ganze Pathologie und die von ihr gestützte praktische Medicin in neue, höchst fruchtbare Bahnen lenkte. Für unsere Aufgabe ist diese Reform der Medicin deßhalb so bedeutungsvoll, weil sie uns zu einer monistischen, rein wissenschaftlichen Be- urtheilung der Krankheit führt. Auch der kranke Mensch, ebenso wie der gesunde, unterliegt denselben "ewigen, ehernen Gesetzen" der Physik und Chemie, wie die ganze übrige organische Welt.
Mammalien-Physiologie. Unter den zahlreichen (50-80) Thierklassen, welche die neuere Zoologie unterscheidet, nehmen die Säugethiere(Mammalia) nicht allein in morphologischer, sondern auch in physiologischer Beziehung eine ganz besondere Stellung ein. Da nun auch der Mensch seinem ganzen Körperbau
Cellular-Pathologie. III.
hatten ſchon im 17. Jahrhundert einzelne mediciniſche Schulen, die Jatrophyſiker und Jatrochemiker, den Verſuch ge- macht, die Urſachen der Krankheiten auf beſtimmte phyſikaliſche oder chemiſche Veränderungen zurückzuführen. Allein der damalige niedere Zuſtand der Naturwiſſenſchaften verhinderte einen blei- benden Erfolg dieſer berechtigten Beſtrebungen. Daher blieben mehrere ältere Theorien, welche das Weſen der Krankheit in übernatürlichen oder myſtiſchen Urſachen ſuchten, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in faſt allgemeiner Geltung 2.
Erſt um dieſe Zeit hatte Rudolf Virchow, ebenfalls ein Schüler von Johannes Müller, den glücklichen Ge- danken, die Zellen-Theorie vom geſunden auch auf den kranken Organismus zu übertragen; er ſuchte in den feinen Verände- rungen der kranken Zellen und der aus ihnen zuſammengeſetzten Gewebe die wahre Urſache jener gröberen Veränderungen, welche als beſtimmte „Krankheitsbilder“ den lebenden Organismus mit Gefahr und Tod bedrohen. Beſonders während der ſieben Jahre ſeiner Lehrthätigkeit in Würzburg (1849-1856) führte Virchow dieſe große Aufgabe mit ſo glänzendem Erfolge durch, daß ſeine (1858 veröffentlichte) Cellular-Pathologie mit einem Schlage die ganze Pathologie und die von ihr geſtützte praktiſche Medicin in neue, höchſt fruchtbare Bahnen lenkte. Für unſere Aufgabe iſt dieſe Reform der Medicin deßhalb ſo bedeutungsvoll, weil ſie uns zu einer moniſtiſchen, rein wiſſenſchaftlichen Be- urtheilung der Krankheit führt. Auch der kranke Menſch, ebenſo wie der geſunde, unterliegt denſelben „ewigen, ehernen Geſetzen“ der Phyſik und Chemie, wie die ganze übrige organiſche Welt.
Mammalien-Phyſiologie. Unter den zahlreichen (50-80) Thierklaſſen, welche die neuere Zoologie unterſcheidet, nehmen die Säugethiere(Mammalia) nicht allein in morphologiſcher, ſondern auch in phyſiologiſcher Beziehung eine ganz beſondere Stellung ein. Da nun auch der Menſch ſeinem ganzen Körperbau
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Cellular-Pathologie. III.
hatten ſchon im 17. Jahrhundert einzelne mediciniſche Schulen,
die Jatrophyſiker und Jatrochemiker, den Verſuch ge-
macht, die Urſachen der Krankheiten auf beſtimmte phyſikaliſche
oder chemiſche Veränderungen zurückzuführen. Allein der damalige
niedere Zuſtand der Naturwiſſenſchaften verhinderte einen blei-
benden Erfolg dieſer berechtigten Beſtrebungen. Daher blieben
mehrere ältere Theorien, welche das Weſen der Krankheit in
übernatürlichen oder myſtiſchen Urſachen ſuchten, bis zur Mitte
des 19. Jahrhunderts in faſt allgemeiner Geltung
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Erſt um dieſe Zeit hatte Rudolf Virchow, ebenfalls
ein Schüler von Johannes Müller, den glücklichen Ge-
danken, die Zellen-Theorie vom geſunden auch auf den kranken
Organismus zu übertragen; er ſuchte in den feinen Verände-
rungen der kranken Zellen und der aus ihnen zuſammengeſetzten
Gewebe die wahre Urſache jener gröberen Veränderungen, welche
als beſtimmte „Krankheitsbilder“ den lebenden Organismus mit
Gefahr und Tod bedrohen. Beſonders während der ſieben Jahre
ſeiner Lehrthätigkeit in Würzburg (1849-1856) führte Virchow
dieſe große Aufgabe mit ſo glänzendem Erfolge durch, daß ſeine
(1858 veröffentlichte) Cellular-Pathologie mit einem
Schlage die ganze Pathologie und die von ihr geſtützte praktiſche
Medicin in neue, höchſt fruchtbare Bahnen lenkte. Für unſere
Aufgabe iſt dieſe Reform der Medicin deßhalb ſo bedeutungsvoll,
weil ſie uns zu einer moniſtiſchen, rein wiſſenſchaftlichen Be-
urtheilung der Krankheit führt. Auch der kranke Menſch, ebenſo
wie der geſunde, unterliegt denſelben „ewigen, ehernen Geſetzen“
der Phyſik und Chemie, wie die ganze übrige organiſche Welt.
Mammalien-Phyſiologie. Unter den zahlreichen (50-80)
Thierklaſſen, welche die neuere Zoologie unterſcheidet, nehmen
die Säugethiere (Mammalia) nicht allein in morphologiſcher,
ſondern auch in phyſiologiſcher Beziehung eine ganz beſondere
Stellung ein. Da nun auch der Menſch ſeinem ganzen Körperbau
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/74>, abgerufen am 23.07.2024.
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