Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.III. Menschliche Physiologie im Alterthum. Vivisektionen von Affen, Hunden und Schweinen stellte er ver-schiedene interessante Versuche an. Die Vivisektionen sind neuerdings nicht nur von unwissenden und beschränkten Leuten, sondern auch von wissensfeindlichen Theologen und von gefühls- seligen Gemüthsmenschen vielfach auf das Heftigste angegriffen worden; sie gehören aber zu den unentbehrlichen Metho- den der Lebens-Forschung und haben uns unschätzbare Auf- schlüsse über die wichtigsten Fragen gegeben; diese Thatsache wurde schon vor 1700 Jahren von Galenus erkannt. Alle verschiedenen Funktionen des Körpers führt Galenus Ebenso wie für die Anatomie des Menschen so blieb auch Haeckel. Welträthsel. 4
III. Menſchliche Phyſiologie im Alterthum. Viviſektionen von Affen, Hunden und Schweinen ſtellte er ver-ſchiedene intereſſante Verſuche an. Die Viviſektionen ſind neuerdings nicht nur von unwiſſenden und beſchränkten Leuten, ſondern auch von wiſſensfeindlichen Theologen und von gefühls- ſeligen Gemüthsmenſchen vielfach auf das Heftigſte angegriffen worden; ſie gehören aber zu den unentbehrlichen Metho- den der Lebens-Forſchung und haben uns unſchätzbare Auf- ſchlüſſe über die wichtigſten Fragen gegeben; dieſe Thatſache wurde ſchon vor 1700 Jahren von Galenus erkannt. Alle verſchiedenen Funktionen des Körpers führt Galenus Ebenſo wie für die Anatomie des Menſchen ſo blieb auch Haeckel. Welträthſel. 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="49"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Menſchliche Phyſiologie im Alterthum.</fw><lb/> Viviſektionen von Affen, Hunden und Schweinen ſtellte er ver-<lb/> ſchiedene intereſſante Verſuche an. Die <hi rendition="#g">Viviſektionen</hi> ſind<lb/> neuerdings nicht nur von unwiſſenden und beſchränkten Leuten,<lb/> ſondern auch von wiſſensfeindlichen Theologen und von gefühls-<lb/> ſeligen Gemüthsmenſchen vielfach auf das Heftigſte angegriffen<lb/> worden; ſie gehören aber zu den <hi rendition="#g">unentbehrlichen Metho-<lb/> den</hi> der Lebens-Forſchung und haben uns unſchätzbare Auf-<lb/> ſchlüſſe über die wichtigſten Fragen gegeben; dieſe Thatſache<lb/> wurde ſchon vor 1700 Jahren von <hi rendition="#g">Galenus</hi> erkannt.</p><lb/> <p>Alle verſchiedenen Funktionen des Körpers führt <hi rendition="#g">Galenus</hi><lb/> auf drei Hauptgruppen zurück, entſprechend den drei Formen<lb/> des <hi rendition="#g">Pneuma,</hi> des Lebensgeiſtes oder <hi rendition="#aq">„Spiritus“</hi>. Das <hi rendition="#aq">Pneuma<lb/> pſychicon</hi> — die „Seele“ — hat ihren Sitz im <hi rendition="#g">Gehirn</hi> und<lb/> den Nerven, ſie vermittelt das Denken, Empfinden und den<lb/> Willen (die willkürliche Bewegung); das <hi rendition="#aq">Pneuma zoticon</hi> —<lb/> das „<hi rendition="#g">Herz</hi>“ — bewirkt die „ſphygmiſchen Functionen“, den<lb/> Herzſchlag, Puls und die Wärmebildung; das <hi rendition="#aq">Pneuma phyſicon</hi><lb/> endlich, in der <hi rendition="#g">Leber</hi> befindlich, iſt die Urſache der ſogenannten<lb/> vegetativen Lebensthätigkeiten, der Ernährung und des Stoff-<lb/> wechſels, des Wachsthums und der Fortpflanzung. Dabei legte<lb/> er beſonders Gewicht auf die Erneuerung des Blutes in den<lb/> Lungen und ſprach die Hoffnung aus, daß es einſt gelingen<lb/> werde, aus der atmoſphäriſchen Luft den Beſtandtheil auszu-<lb/> ſcheiden, welcher als <hi rendition="#aq">Pneuma</hi> bei der Athmung in das Blut<lb/> aufgenommen werde. Mehr als fünfzehn Jahrhunderte verfloſſen,<lb/> ehe dieſes Reſpirations-Pneuma — der Sauerſtoff — durch<lb/><hi rendition="#g">Lavoiſier</hi> entdeckt wurde.</p><lb/> <p>Ebenſo wie für die Anatomie des Menſchen ſo blieb auch<lb/> für ſeine Phyſiologie das großartige Syſtem des <hi rendition="#g">Galenus</hi><lb/> während des langen Zeitraums von dreizehn Jahrhunderten der<lb/><hi rendition="#aq">Codex aureuſ</hi>, die unantaſtbare Quelle aller Kenntniſſe. Der<lb/> kulturfeindliche Einfluß des Chriſtenthums bereitete auch auf<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Haeckel.</hi> Welträthſel. 4</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0065]
III. Menſchliche Phyſiologie im Alterthum.
Viviſektionen von Affen, Hunden und Schweinen ſtellte er ver-
ſchiedene intereſſante Verſuche an. Die Viviſektionen ſind
neuerdings nicht nur von unwiſſenden und beſchränkten Leuten,
ſondern auch von wiſſensfeindlichen Theologen und von gefühls-
ſeligen Gemüthsmenſchen vielfach auf das Heftigſte angegriffen
worden; ſie gehören aber zu den unentbehrlichen Metho-
den der Lebens-Forſchung und haben uns unſchätzbare Auf-
ſchlüſſe über die wichtigſten Fragen gegeben; dieſe Thatſache
wurde ſchon vor 1700 Jahren von Galenus erkannt.
Alle verſchiedenen Funktionen des Körpers führt Galenus
auf drei Hauptgruppen zurück, entſprechend den drei Formen
des Pneuma, des Lebensgeiſtes oder „Spiritus“. Das Pneuma
pſychicon — die „Seele“ — hat ihren Sitz im Gehirn und
den Nerven, ſie vermittelt das Denken, Empfinden und den
Willen (die willkürliche Bewegung); das Pneuma zoticon —
das „Herz“ — bewirkt die „ſphygmiſchen Functionen“, den
Herzſchlag, Puls und die Wärmebildung; das Pneuma phyſicon
endlich, in der Leber befindlich, iſt die Urſache der ſogenannten
vegetativen Lebensthätigkeiten, der Ernährung und des Stoff-
wechſels, des Wachsthums und der Fortpflanzung. Dabei legte
er beſonders Gewicht auf die Erneuerung des Blutes in den
Lungen und ſprach die Hoffnung aus, daß es einſt gelingen
werde, aus der atmoſphäriſchen Luft den Beſtandtheil auszu-
ſcheiden, welcher als Pneuma bei der Athmung in das Blut
aufgenommen werde. Mehr als fünfzehn Jahrhunderte verfloſſen,
ehe dieſes Reſpirations-Pneuma — der Sauerſtoff — durch
Lavoiſier entdeckt wurde.
Ebenſo wie für die Anatomie des Menſchen ſo blieb auch
für ſeine Phyſiologie das großartige Syſtem des Galenus
während des langen Zeitraums von dreizehn Jahrhunderten der
Codex aureuſ, die unantaſtbare Quelle aller Kenntniſſe. Der
kulturfeindliche Einfluß des Chriſtenthums bereitete auch auf
Haeckel. Welträthſel. 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |