dieses ideale Gespenst den "reinen Metaphysikern" und erfreuen wir uns statt dessen als "echte Physiker" an den gewaltigen realen Fortschritten, welche unsere monistische Natur-Philosophie thatsächlich errungen hat.
Da überragt denn alle andern Fortschritte und Entdeckungen unsers "großen Jahrhunderts" das gewaltige, allumfassende Substanz-Gesetz, das "Grundgesetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes". Die Thatsache, daß die Substanz überall einer ewigen Bewegung und Umbildung unterworfen ist, stempelt dasselbe zugleich zum universalen Entwickelungs- Gesetz. Indem dieses höchste Naturgesetz festgestellt und alle anderen ihm untergeordnet wurden, gelangten wir zur Ueber- zeugung der universalen Einheit der Natur und der ewigen Geltung der Naturgesetze. Aus dem dunkeln Substanz-Problem entwickelte sich das klare Substanz-Gesetz. Der "Monismus des Kosmos", den wir darauf begründen, lehrt uns die aus- nahmslose Geltung der "ewigen, ehernen, großen Gesetze" im ganzen Universum. Damit zertrümmert derselbe aber zugleich die drei großen Central-Dogmen der bisherigen dualistischen Philosophie, den persönlichen Gott, die Unsterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens.
Viele von uns sehen gewiß mit lebhaftem Bedauern oder selbst mit tiefem Schmerze dem Untergange der Götter zu, welche unsern theuern Eltern und Voreltern als höchste geistige Güter galten. Wir trösten uns aber mit dem Worte des Dichters:
"Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, Und neues Leben blüht aus den Ruinen!"
Die alte Weltanschauung des Ideal-Dualismus mit ihren mystischen und anthropistischen Dogmen versinkt in Trümmer; aber über diesem gewaltigen Trümmerfelde steigt hehr und herrlich die neue Sonne unsers Real-Monismus auf, welche uns den wundervollen Tempel der Natur voll erschließt. In dem
Schlußbetrachtung. XX.
dieſes ideale Geſpenſt den „reinen Metaphyſikern“ und erfreuen wir uns ſtatt deſſen als „echte Phyſiker“ an den gewaltigen realen Fortſchritten, welche unſere moniſtiſche Natur-Philoſophie thatſächlich errungen hat.
Da überragt denn alle andern Fortſchritte und Entdeckungen unſers „großen Jahrhunderts“ das gewaltige, allumfaſſende Subſtanz-Geſetz, das „Grundgeſetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes“. Die Thatſache, daß die Subſtanz überall einer ewigen Bewegung und Umbildung unterworfen iſt, ſtempelt dasſelbe zugleich zum univerſalen Entwickelungs- Geſetz. Indem dieſes höchſte Naturgeſetz feſtgeſtellt und alle anderen ihm untergeordnet wurden, gelangten wir zur Ueber- zeugung der univerſalen Einheit der Natur und der ewigen Geltung der Naturgeſetze. Aus dem dunkeln Subſtanz-Problem entwickelte ſich das klare Subſtanz-Geſetz. Der „Monismus des Kosmos“, den wir darauf begründen, lehrt uns die aus- nahmsloſe Geltung der „ewigen, ehernen, großen Geſetze“ im ganzen Univerſum. Damit zertrümmert derſelbe aber zugleich die drei großen Central-Dogmen der bisherigen dualiſtiſchen Philoſophie, den perſönlichen Gott, die Unſterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens.
Viele von uns ſehen gewiß mit lebhaftem Bedauern oder ſelbſt mit tiefem Schmerze dem Untergange der Götter zu, welche unſern theuern Eltern und Voreltern als höchſte geiſtige Güter galten. Wir tröſten uns aber mit dem Worte des Dichters:
„Das Alte ſtürzt, es ändert ſich die Zeit, Und neues Leben blüht aus den Ruinen!“
Die alte Weltanſchauung des Ideal-Dualismus mit ihren myſtiſchen und anthropiſtiſchen Dogmen verſinkt in Trümmer; aber über dieſem gewaltigen Trümmerfelde ſteigt hehr und herrlich die neue Sonne unſers Real-Monismus auf, welche uns den wundervollen Tempel der Natur voll erſchließt. In dem
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Schlußbetrachtung. XX.
dieſes ideale Geſpenſt den „reinen Metaphyſikern“ und erfreuen
wir uns ſtatt deſſen als „echte Phyſiker“ an den gewaltigen
realen Fortſchritten, welche unſere moniſtiſche Natur-Philoſophie
thatſächlich errungen hat.
Da überragt denn alle andern Fortſchritte und Entdeckungen
unſers „großen Jahrhunderts“ das gewaltige, allumfaſſende
Subſtanz-Geſetz, das „Grundgeſetz von der Erhaltung der
Kraft und des Stoffes“. Die Thatſache, daß die Subſtanz
überall einer ewigen Bewegung und Umbildung unterworfen iſt,
ſtempelt dasſelbe zugleich zum univerſalen Entwickelungs-
Geſetz. Indem dieſes höchſte Naturgeſetz feſtgeſtellt und alle
anderen ihm untergeordnet wurden, gelangten wir zur Ueber-
zeugung der univerſalen Einheit der Natur und der ewigen
Geltung der Naturgeſetze. Aus dem dunkeln Subſtanz-Problem
entwickelte ſich das klare Subſtanz-Geſetz. Der „Monismus
des Kosmos“, den wir darauf begründen, lehrt uns die aus-
nahmsloſe Geltung der „ewigen, ehernen, großen Geſetze“ im
ganzen Univerſum. Damit zertrümmert derſelbe aber zugleich
die drei großen Central-Dogmen der bisherigen dualiſtiſchen
Philoſophie, den perſönlichen Gott, die Unſterblichkeit der Seele
und die Freiheit des Willens.
Viele von uns ſehen gewiß mit lebhaftem Bedauern oder
ſelbſt mit tiefem Schmerze dem Untergange der Götter zu, welche
unſern theuern Eltern und Voreltern als höchſte geiſtige Güter
galten. Wir tröſten uns aber mit dem Worte des Dichters:
„Das Alte ſtürzt, es ändert ſich die Zeit,
Und neues Leben blüht aus den Ruinen!“
Die alte Weltanſchauung des Ideal-Dualismus mit
ihren myſtiſchen und anthropiſtiſchen Dogmen verſinkt in Trümmer;
aber über dieſem gewaltigen Trümmerfelde ſteigt hehr und herrlich
die neue Sonne unſers Real-Monismus auf, welche uns
den wundervollen Tempel der Natur voll erſchließt. In dem
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/454>, abgerufen am 18.12.2024.
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