modomen Pflanzenzellen wie der plasmophagen Thier- zellen -- berechtigt uns zu dem Schlusse, daß auch die weitere Stammesgeschichte sich auf vielen Sternen ähnlich wie auf unserer Erde abspielt -- immer natürlich die gleichen engen Grenzen der Temperatur vorausgesetzt, in denen das Wasser tropfbar-flüssig bleibt; für glühend-flüssige Weltkörper, auf denen das Wasser nur in Dampfform, und für erstarrte, auf denen es nur in Eisform besteht, ist organisches Leben in gleicher Weise ganz unmöglich.
Die Aehnlichkeit der Phylogenie, die Analogie der stammesgeschichtlichen Entwickelung, die wir demnach bei vielen Sternen auf gleicher biogenetischer Entwickelungs-Stufe an- nehmen dürfen, bietet natürlich der konstruktiven Phantasie ein weites Feld für farbenreiche Spekulationen. Ein Lieblings- Gegenstand derselben ist seit alter Zeit die Frage, ob auch Menschen oder uns ähnliche, vielleicht höher entwickelte Organismen auf anderen Sternen wohnen? Unter vielen Schriften, welche diese offene Frage zu beantworten suchen, haben neuerdings namentlich diejenigen des Pariser Astronomen Camille Flammarion eine weite Verbreitung erlangt; sie zeichnen sich ebenso durch reiche Phantasie und lebendige Dar- stellung aus, wie durch bedauerlichen Mangel an Kritik und an biologischen Kenntnissen. Soweit wir gegenwärtig zur Be- antwortung dieser Frage befähigt erscheinen, können wir uns etwa Folgendes vorstellen: I. Es ist sehr wahrscheinlich, daß auf einigen Planeten unseres Systems (Mars und Venus) und vielen Planeten anderer Sonnen-Systeme der biogenetische Proceß sich ähnlich wie auf unserer Erde abspielt; zuerst entstanden durch Archigonie einfache Moneren und aus diesen einzellige Protisten (zunächst plasmodome Urpflanzen, später plasmophage Ur- thiere). II. Es ist sehr wahrscheinlich, daß aus diesen einzelligen Protisten sich im weiteren Verlauf der Entwickelung zunächst
Bewohner anderer Weltkörper. XX.
modomen Pflanzenzellen wie der plasmophagen Thier- zellen — berechtigt uns zu dem Schluſſe, daß auch die weitere Stammesgeſchichte ſich auf vielen Sternen ähnlich wie auf unſerer Erde abſpielt — immer natürlich die gleichen engen Grenzen der Temperatur vorausgeſetzt, in denen das Waſſer tropfbar-flüſſig bleibt; für glühend-flüſſige Weltkörper, auf denen das Waſſer nur in Dampfform, und für erſtarrte, auf denen es nur in Eisform beſteht, iſt organiſches Leben in gleicher Weiſe ganz unmöglich.
Die Aehnlichkeit der Phylogenie, die Analogie der ſtammesgeſchichtlichen Entwickelung, die wir demnach bei vielen Sternen auf gleicher biogenetiſcher Entwickelungs-Stufe an- nehmen dürfen, bietet natürlich der konſtruktiven Phantaſie ein weites Feld für farbenreiche Spekulationen. Ein Lieblings- Gegenſtand derſelben iſt ſeit alter Zeit die Frage, ob auch Menſchen oder uns ähnliche, vielleicht höher entwickelte Organismen auf anderen Sternen wohnen? Unter vielen Schriften, welche dieſe offene Frage zu beantworten ſuchen, haben neuerdings namentlich diejenigen des Pariſer Aſtronomen Camille Flammarion eine weite Verbreitung erlangt; ſie zeichnen ſich ebenſo durch reiche Phantaſie und lebendige Dar- ſtellung aus, wie durch bedauerlichen Mangel an Kritik und an biologiſchen Kenntniſſen. Soweit wir gegenwärtig zur Be- antwortung dieſer Frage befähigt erſcheinen, können wir uns etwa Folgendes vorſtellen: I. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß auf einigen Planeten unſeres Syſtems (Mars und Venus) und vielen Planeten anderer Sonnen-Syſteme der biogenetiſche Proceß ſich ähnlich wie auf unſerer Erde abſpielt; zuerſt entſtanden durch Archigonie einfache Moneren und aus dieſen einzellige Protiſten (zunächſt plasmodome Urpflanzen, ſpäter plasmophage Ur- thiere). II. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß aus dieſen einzelligen Protiſten ſich im weiteren Verlauf der Entwickelung zunächſt
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Bewohner anderer Weltkörper. XX.
modomen Pflanzenzellen wie der plasmophagen Thier-
zellen — berechtigt uns zu dem Schluſſe, daß auch die weitere
Stammesgeſchichte ſich auf vielen Sternen ähnlich wie auf
unſerer Erde abſpielt — immer natürlich die gleichen engen
Grenzen der Temperatur vorausgeſetzt, in denen das Waſſer
tropfbar-flüſſig bleibt; für glühend-flüſſige Weltkörper, auf denen
das Waſſer nur in Dampfform, und für erſtarrte, auf denen es
nur in Eisform beſteht, iſt organiſches Leben in gleicher Weiſe ganz
unmöglich.
Die Aehnlichkeit der Phylogenie, die Analogie der
ſtammesgeſchichtlichen Entwickelung, die wir demnach bei vielen
Sternen auf gleicher biogenetiſcher Entwickelungs-Stufe an-
nehmen dürfen, bietet natürlich der konſtruktiven Phantaſie ein
weites Feld für farbenreiche Spekulationen. Ein Lieblings-
Gegenſtand derſelben iſt ſeit alter Zeit die Frage, ob auch
Menſchen oder uns ähnliche, vielleicht höher entwickelte
Organismen auf anderen Sternen wohnen? Unter vielen
Schriften, welche dieſe offene Frage zu beantworten ſuchen, haben
neuerdings namentlich diejenigen des Pariſer Aſtronomen
Camille Flammarion eine weite Verbreitung erlangt; ſie
zeichnen ſich ebenſo durch reiche Phantaſie und lebendige Dar-
ſtellung aus, wie durch bedauerlichen Mangel an Kritik und an
biologiſchen Kenntniſſen. Soweit wir gegenwärtig zur Be-
antwortung dieſer Frage befähigt erſcheinen, können wir uns
etwa Folgendes vorſtellen: I. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß auf
einigen Planeten unſeres Syſtems (Mars und Venus) und vielen
Planeten anderer Sonnen-Syſteme der biogenetiſche Proceß ſich
ähnlich wie auf unſerer Erde abſpielt; zuerſt entſtanden durch
Archigonie einfache Moneren und aus dieſen einzellige Protiſten
(zunächſt plasmodome Urpflanzen, ſpäter plasmophage Ur-
thiere). II. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß aus dieſen einzelligen
Protiſten ſich im weiteren Verlauf der Entwickelung zunächſt
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/444>, abgerufen am 23.11.2024.
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