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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XIX. Moral des Papismus.
drei Einrichtungen haben mit dem ursprünglichen Christen-
thum Nichts
zu thun; alle drei schlagen der reinen Christen-
Moral in's Gesicht; alle drei sind nichtswürdige Erfindungen
des Papismus, darauf berechnet, die absolute Herrschaft über
die leichtgläubigen Volksmassen aufrecht zu erhalten und sie nach
Kräften materiell auszubeuten.

Die Nemesis der Geschichte wird früher oder später über
den römischen Papismus ein furchtbares Strafgericht halten,
und die Millionen Menschen, die durch diese entartete Religion
um ihr Lebensglück gebracht wurden, werden dazu dienen, ihr im
kommenden 20. Jahrhundert den Todesstoß zu versetzen --
wenigstens in den wahren "Kulturstaaten". Man hat neuer-
dings berechnet, daß die Zahl der Menschen, welche durch die
papistischen Ketzer-Verfolgungen, die Inquisition, die christlichen
Glaubenskriege u. s. w. um's Leben kamen, weit über zehn
Millionen beträgt. Aber was bedeutet diese Zahl gegen die
zehnfach größere Zahl der Unglücklichen, welche den Satzungen
und der Priesterherrschaft der entarteten christlichen Kirche mo-
ralisch
zum Opfer fielen? -- gegen die Unzahl Derjenigen,
deren höheres Geistesleben durch sie getödtet, deren naives Ge-
wissen gequält, deren Familien-Leben vernichtet wurde? Wahrlich,
es gilt das wahre Wort Goethe's in seinem herrlichen Gedichte
"Die Braut von Korinth":

"Opfer fallen hier, weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört!"

Staat und Kirche. In dem großen "Kulturkampfe",
der in Folge dieser traurigen Verhältnisse noch immer geführt
werden muß, sollte das erste Ziel die vollständige Trennung
von Staat und Kirche
sein. Die "freie Kirche soll im
freien Staate" bestehen, d. h. jede Kirche soll frei sein in voller
Ausübung ihres Kultus und ihrer Ceremonien, auch im Ausbau
ihrer phantastischen Dichtungen und abergläubischen Dogmen --

XIX. Moral des Papismus.
drei Einrichtungen haben mit dem urſprünglichen Chriſten-
thum Nichts
zu thun; alle drei ſchlagen der reinen Chriſten-
Moral in's Geſicht; alle drei ſind nichtswürdige Erfindungen
des Papismus, darauf berechnet, die abſolute Herrſchaft über
die leichtgläubigen Volksmaſſen aufrecht zu erhalten und ſie nach
Kräften materiell auszubeuten.

Die Nemeſis der Geſchichte wird früher oder ſpäter über
den römiſchen Papismus ein furchtbares Strafgericht halten,
und die Millionen Menſchen, die durch dieſe entartete Religion
um ihr Lebensglück gebracht wurden, werden dazu dienen, ihr im
kommenden 20. Jahrhundert den Todesſtoß zu verſetzen —
wenigſtens in den wahren „Kulturſtaaten“. Man hat neuer-
dings berechnet, daß die Zahl der Menſchen, welche durch die
papiſtiſchen Ketzer-Verfolgungen, die Inquiſition, die chriſtlichen
Glaubenskriege u. ſ. w. um's Leben kamen, weit über zehn
Millionen beträgt. Aber was bedeutet dieſe Zahl gegen die
zehnfach größere Zahl der Unglücklichen, welche den Satzungen
und der Prieſterherrſchaft der entarteten chriſtlichen Kirche mo-
raliſch
zum Opfer fielen? — gegen die Unzahl Derjenigen,
deren höheres Geiſtesleben durch ſie getödtet, deren naives Ge-
wiſſen gequält, deren Familien-Leben vernichtet wurde? Wahrlich,
es gilt das wahre Wort Goethe's in ſeinem herrlichen Gedichte
„Die Braut von Korinth“:

„Opfer fallen hier, weder Lamm noch Stier,
Aber Menſchenopfer unerhört!“

Staat und Kirche. In dem großen „Kulturkampfe“,
der in Folge dieſer traurigen Verhältniſſe noch immer geführt
werden muß, ſollte das erſte Ziel die vollſtändige Trennung
von Staat und Kirche
ſein. Die „freie Kirche ſoll im
freien Staate“ beſtehen, d. h. jede Kirche ſoll frei ſein in voller
Ausübung ihres Kultus und ihrer Ceremonien, auch im Ausbau
ihrer phantaſtiſchen Dichtungen und abergläubiſchen Dogmen —

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[415/0431] XIX. Moral des Papismus. drei Einrichtungen haben mit dem urſprünglichen Chriſten- thum Nichts zu thun; alle drei ſchlagen der reinen Chriſten- Moral in's Geſicht; alle drei ſind nichtswürdige Erfindungen des Papismus, darauf berechnet, die abſolute Herrſchaft über die leichtgläubigen Volksmaſſen aufrecht zu erhalten und ſie nach Kräften materiell auszubeuten. Die Nemeſis der Geſchichte wird früher oder ſpäter über den römiſchen Papismus ein furchtbares Strafgericht halten, und die Millionen Menſchen, die durch dieſe entartete Religion um ihr Lebensglück gebracht wurden, werden dazu dienen, ihr im kommenden 20. Jahrhundert den Todesſtoß zu verſetzen — wenigſtens in den wahren „Kulturſtaaten“. Man hat neuer- dings berechnet, daß die Zahl der Menſchen, welche durch die papiſtiſchen Ketzer-Verfolgungen, die Inquiſition, die chriſtlichen Glaubenskriege u. ſ. w. um's Leben kamen, weit über zehn Millionen beträgt. Aber was bedeutet dieſe Zahl gegen die zehnfach größere Zahl der Unglücklichen, welche den Satzungen und der Prieſterherrſchaft der entarteten chriſtlichen Kirche mo- raliſch zum Opfer fielen? — gegen die Unzahl Derjenigen, deren höheres Geiſtesleben durch ſie getödtet, deren naives Ge- wiſſen gequält, deren Familien-Leben vernichtet wurde? Wahrlich, es gilt das wahre Wort Goethe's in ſeinem herrlichen Gedichte „Die Braut von Korinth“: „Opfer fallen hier, weder Lamm noch Stier, Aber Menſchenopfer unerhört!“ Staat und Kirche. In dem großen „Kulturkampfe“, der in Folge dieſer traurigen Verhältniſſe noch immer geführt werden muß, ſollte das erſte Ziel die vollſtändige Trennung von Staat und Kirche ſein. Die „freie Kirche ſoll im freien Staate“ beſtehen, d. h. jede Kirche ſoll frei ſein in voller Ausübung ihres Kultus und ihrer Ceremonien, auch im Ausbau ihrer phantaſtiſchen Dichtungen und abergläubiſchen Dogmen —

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/431>, abgerufen am 23.11.2024.