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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Moderner Naturgenuß. XVIII.
Besonders ist es aber die Landschaftsmalerei, die hier eine
früher nicht geahnte Bedeutung gewonnen hat. Schon in der
ersten Hälfte des Jahrhunderts hatte einer unserer größten und
vielseitigsten Naturforscher, Alexander Humboldt, darauf
hingewiesen, wie die Entwickelung der modernen Landschafts-
malerei nicht nur als "Anregungs-Mittel zum Naturstudium"
und als geographisches Anschauungs-Mittel von hoher Bedeutung
sei, sondern wie sie auch in anderer Beziehung als ein edles
Bildungsmittel hochzuschätzen sei. Seitdem ist der Sinn dafür
noch bedeutend weiter entwickelt. Es sollte Aufgabe jeder Schule
sein, die Kinder frühzeitig zum Genusse der Landschaft anzu-
leiten und zu der höchst dankbaren Kunst, sie durch Zeichnen
und Aquarell-Malen ihrem Gedächtniß einzuprägen.

Moderner Naturgenuß. Der unendliche Reichthum der
Natur an Schönem und Erhabenem bietet jedem Menschen, der
offene Augen und ästhetischen Sinn besitzt, eine unerschöpfliche
Fülle der herrlichsten Gaben. So werthvoll und beglückend aber
auch der unmittelbare Genuß jeder einzelnen Gabe ist, so wird
deren Werth doch noch hoch gesteigert durch die Erkenntniß ihrer
Bedeutung und ihres Zusammenhanges mit der übrigen
Natur. Als Alexander Humboldt vor fünfzig Jahren in
seinem großartigen "Kosmos" den "Entwurf einer physischen
Weltbeschreibung" gab, als er in seinen mustergültigen "Ansichten
der Natur" wissenschaftliche und ästhetische Betrachtung in glück-
lichster Weise verband, da hat er mit Recht hervorgehoben, wie
eng der veredelte Naturgenuß mit der "wissenschaftlichen Er-
gründung der Weltgesetze" verknüpft ist, und wie beide vereinigt
dazu dienen, das Menschenwesen auf eine höhere Stufe der Voll-
endung zu erheben. Die staunende Bewunderung, mit der wir
den gestirnten Himmel und das mikroskopische Leben in einem
Wassertropfen betrachten, die Ehrfurcht, mit der wir das wunder-
bare Wirken der Energie in der bewegten Materie untersuchen,

Moderner Naturgenuß. XVIII.
Beſonders iſt es aber die Landſchaftsmalerei, die hier eine
früher nicht geahnte Bedeutung gewonnen hat. Schon in der
erſten Hälfte des Jahrhunderts hatte einer unſerer größten und
vielſeitigſten Naturforſcher, Alexander Humboldt, darauf
hingewieſen, wie die Entwickelung der modernen Landſchafts-
malerei nicht nur als „Anregungs-Mittel zum Naturſtudium“
und als geographiſches Anſchauungs-Mittel von hoher Bedeutung
ſei, ſondern wie ſie auch in anderer Beziehung als ein edles
Bildungsmittel hochzuſchätzen ſei. Seitdem iſt der Sinn dafür
noch bedeutend weiter entwickelt. Es ſollte Aufgabe jeder Schule
ſein, die Kinder frühzeitig zum Genuſſe der Landſchaft anzu-
leiten und zu der höchſt dankbaren Kunſt, ſie durch Zeichnen
und Aquarell-Malen ihrem Gedächtniß einzuprägen.

Moderner Naturgenuß. Der unendliche Reichthum der
Natur an Schönem und Erhabenem bietet jedem Menſchen, der
offene Augen und äſthetiſchen Sinn beſitzt, eine unerſchöpfliche
Fülle der herrlichſten Gaben. So werthvoll und beglückend aber
auch der unmittelbare Genuß jeder einzelnen Gabe iſt, ſo wird
deren Werth doch noch hoch geſteigert durch die Erkenntniß ihrer
Bedeutung und ihres Zuſammenhanges mit der übrigen
Natur. Als Alexander Humboldt vor fünfzig Jahren in
ſeinem großartigen „Kosmos“ den „Entwurf einer phyſiſchen
Weltbeſchreibung“ gab, als er in ſeinen muſtergültigen „Anſichten
der Natur“ wiſſenſchaftliche und äſthetiſche Betrachtung in glück-
lichſter Weiſe verband, da hat er mit Recht hervorgehoben, wie
eng der veredelte Naturgenuß mit der „wiſſenſchaftlichen Er-
gründung der Weltgeſetze“ verknüpft iſt, und wie beide vereinigt
dazu dienen, das Menſchenweſen auf eine höhere Stufe der Voll-
endung zu erheben. Die ſtaunende Bewunderung, mit der wir
den geſtirnten Himmel und das mikroſkopiſche Leben in einem
Waſſertropfen betrachten, die Ehrfurcht, mit der wir das wunder-
bare Wirken der Energie in der bewegten Materie unterſuchen,

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[396/0412] Moderner Naturgenuß. XVIII. Beſonders iſt es aber die Landſchaftsmalerei, die hier eine früher nicht geahnte Bedeutung gewonnen hat. Schon in der erſten Hälfte des Jahrhunderts hatte einer unſerer größten und vielſeitigſten Naturforſcher, Alexander Humboldt, darauf hingewieſen, wie die Entwickelung der modernen Landſchafts- malerei nicht nur als „Anregungs-Mittel zum Naturſtudium“ und als geographiſches Anſchauungs-Mittel von hoher Bedeutung ſei, ſondern wie ſie auch in anderer Beziehung als ein edles Bildungsmittel hochzuſchätzen ſei. Seitdem iſt der Sinn dafür noch bedeutend weiter entwickelt. Es ſollte Aufgabe jeder Schule ſein, die Kinder frühzeitig zum Genuſſe der Landſchaft anzu- leiten und zu der höchſt dankbaren Kunſt, ſie durch Zeichnen und Aquarell-Malen ihrem Gedächtniß einzuprägen. Moderner Naturgenuß. Der unendliche Reichthum der Natur an Schönem und Erhabenem bietet jedem Menſchen, der offene Augen und äſthetiſchen Sinn beſitzt, eine unerſchöpfliche Fülle der herrlichſten Gaben. So werthvoll und beglückend aber auch der unmittelbare Genuß jeder einzelnen Gabe iſt, ſo wird deren Werth doch noch hoch geſteigert durch die Erkenntniß ihrer Bedeutung und ihres Zuſammenhanges mit der übrigen Natur. Als Alexander Humboldt vor fünfzig Jahren in ſeinem großartigen „Kosmos“ den „Entwurf einer phyſiſchen Weltbeſchreibung“ gab, als er in ſeinen muſtergültigen „Anſichten der Natur“ wiſſenſchaftliche und äſthetiſche Betrachtung in glück- lichſter Weiſe verband, da hat er mit Recht hervorgehoben, wie eng der veredelte Naturgenuß mit der „wiſſenſchaftlichen Er- gründung der Weltgeſetze“ verknüpft iſt, und wie beide vereinigt dazu dienen, das Menſchenweſen auf eine höhere Stufe der Voll- endung zu erheben. Die ſtaunende Bewunderung, mit der wir den geſtirnten Himmel und das mikroſkopiſche Leben in einem Waſſertropfen betrachten, die Ehrfurcht, mit der wir das wunder- bare Wirken der Energie in der bewegten Materie unterſuchen,

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/412>, abgerufen am 23.11.2024.