Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.XVII. Das moderne Scheinchristenthum. wickelung der monistischen Naturphilosophie. Schonim Beginne desselben wurde der Grund zu einer neuen Anthro- pologie gelegt (durch die vergleichende Anatomie von Cuvier) und zu einer neuen Biologie (durch die Philosophie zoolo- gique von Lamarck). Bald folgten diesen beiden großen Franzosen zwei ebenbürtige Deutsche, Baer als Begründer der Entwickelungsgeschichte (1828) und Johannes Müller (1834) als der der vergleichenden Morphologie und Physiologie. Ein Schüler des Letzteren, Theodor Schwann, schuf 1838, im Verein mit M. Schleiden, die grundlegende Zellentheorie. Schon vorher hatte Lyell (1830) die Entwickelungsgeschichte der Erde auf natürliche Ursachen zurückgeführt und damit auch für unseren Planeten die Geltung der mechanischen Kosmogenie bestätigt, welche Kant bereits 1755 mit kühner Hand entworfen hatte. Endlich wurde durch Robert Mayer und Helmholtz (1842) das Energie-Princip festgestellt und damit die zweite, ergänzende Hälfte des großen Substanz-Gesetzes gegeben, dessen erste Hälfte, die Konstanz der Materie, schon Lavoisier entdeckt hatte. Allen diesen tiefen Einblicken in das innere Wesen der Natur setzte dann vor vierzig Jahren Charles Darwin die Krone auf durch seine neue Entwickelungslehre, das größte naturphilosophische Ereigniß unseres Jahrhunderts (1859). Wie verhält sich nun zu diesen gewaltigen, alles Frühere 24 *
XVII. Das moderne Scheinchriſtenthum. wickelung der moniſtiſchen Naturphiloſophie. Schonim Beginne desſelben wurde der Grund zu einer neuen Anthro- pologie gelegt (durch die vergleichende Anatomie von Cuvier) und zu einer neuen Biologie (durch die Philoſophie zoolo- gique von Lamarck). Bald folgten dieſen beiden großen Franzoſen zwei ebenbürtige Deutſche, Baer als Begründer der Entwickelungsgeſchichte (1828) und Johannes Müller (1834) als der der vergleichenden Morphologie und Phyſiologie. Ein Schüler des Letzteren, Theodor Schwann, ſchuf 1838, im Verein mit M. Schleiden, die grundlegende Zellentheorie. Schon vorher hatte Lyell (1830) die Entwickelungsgeſchichte der Erde auf natürliche Urſachen zurückgeführt und damit auch für unſeren Planeten die Geltung der mechaniſchen Kosmogenie beſtätigt, welche Kant bereits 1755 mit kühner Hand entworfen hatte. Endlich wurde durch Robert Mayer und Helmholtz (1842) das Energie-Princip feſtgeſtellt und damit die zweite, ergänzende Hälfte des großen Subſtanz-Geſetzes gegeben, deſſen erſte Hälfte, die Konſtanz der Materie, ſchon Lavoiſier entdeckt hatte. Allen dieſen tiefen Einblicken in das innere Weſen der Natur ſetzte dann vor vierzig Jahren Charles Darwin die Krone auf durch ſeine neue Entwickelungslehre, das größte naturphiloſophiſche Ereigniß unſeres Jahrhunderts (1859). Wie verhält ſich nun zu dieſen gewaltigen, alles Frühere 24 *
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XVII. Das moderne Scheinchriſtenthum.
wickelung der moniſtiſchen Naturphiloſophie. Schon
im Beginne desſelben wurde der Grund zu einer neuen Anthro-
pologie gelegt (durch die vergleichende Anatomie von Cuvier)
und zu einer neuen Biologie (durch die Philoſophie zoolo-
gique von Lamarck). Bald folgten dieſen beiden großen
Franzoſen zwei ebenbürtige Deutſche, Baer als Begründer der
Entwickelungsgeſchichte (1828) und Johannes Müller (1834)
als der der vergleichenden Morphologie und Phyſiologie. Ein Schüler
des Letzteren, Theodor Schwann, ſchuf 1838, im Verein mit
M. Schleiden, die grundlegende Zellentheorie. Schon vorher
hatte Lyell (1830) die Entwickelungsgeſchichte der Erde auf
natürliche Urſachen zurückgeführt und damit auch für unſeren
Planeten die Geltung der mechaniſchen Kosmogenie beſtätigt,
welche Kant bereits 1755 mit kühner Hand entworfen hatte.
Endlich wurde durch Robert Mayer und Helmholtz (1842)
das Energie-Princip feſtgeſtellt und damit die zweite, ergänzende
Hälfte des großen Subſtanz-Geſetzes gegeben, deſſen erſte Hälfte,
die Konſtanz der Materie, ſchon Lavoiſier entdeckt hatte. Allen
dieſen tiefen Einblicken in das innere Weſen der Natur ſetzte
dann vor vierzig Jahren Charles Darwin die Krone auf
durch ſeine neue Entwickelungslehre, das größte naturphiloſophiſche
Ereigniß unſeres Jahrhunderts (1859).
Wie verhält ſich nun zu dieſen gewaltigen, alles Frühere
weit überbietenden Fortſchritten der Naturerkenntniß das moderne
Chriſtenthum? Zunächſt wurde naturgemäß die tiefe Kluft
zwiſchen den beiden Hauptrichtungen desſelben immer größer,
zwiſchen dem konſervativen Papismus und dem progreſſiven
Proteſtantismus. Der ultramontane Klerus (— und im Verein
mit ihm die orthodoxe „Evangeliſche Allianz“ —) mußten natur-
gemäß jenen mächtigen Eroberungen des freien Geiſtes den
heftigſten Widerſtand entgegenſetzen; ſie verharrten unbeirrt auf
ihrem ſtrengen Buchſtabenglauben und verlangten die unbedingte
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