Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.XV. Pantheismus und Monismus. Carus hat ihn in seinem berühmten Lehrgedichte "De rerumnatura" in hochpoetischer Form dargestellt. Allein dieser natur- wahre pantheistische Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt durch den mystischen Dualismus von Plato und besonders durch den gewaltigen Einfluß, den seine idealistische Philosophie durch die Verschmelzung mit den christlichen Glaubenslehren gewann. Als sodann deren mächtigster Anwalt, der römische Papst, die geistige Weltherrschaft gewann, wurde der Pantheis- mus gewaltsam unterdrückt; Giordano Bruno, sein geist- vollster Vertreter, wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo Fiori in Rom von dem "Stellvertreter Gottes" lebendig verbrannt. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde Atheismus ("die entgötterte Weltanschauung"). Es giebt XV. Pantheismus und Monismus. Carus hat ihn in ſeinem berühmten Lehrgedichte „De rerumnatura“ in hochpoetiſcher Form dargeſtellt. Allein dieſer natur- wahre pantheiſtiſche Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt durch den myſtiſchen Dualismus von Plato und beſonders durch den gewaltigen Einfluß, den ſeine idealiſtiſche Philoſophie durch die Verſchmelzung mit den chriſtlichen Glaubenslehren gewann. Als ſodann deren mächtigſter Anwalt, der römiſche Papſt, die geiſtige Weltherrſchaft gewann, wurde der Pantheis- mus gewaltſam unterdrückt; Giordano Bruno, ſein geiſt- vollſter Vertreter, wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo Fiori in Rom von dem „Stellvertreter Gottes“ lebendig verbrannt. Erſt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde Atheismus („die entgötterte Weltanſchauung“). Es giebt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0351" n="335"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XV.</hi> Pantheismus und Monismus.</fw><lb/><hi rendition="#g">Carus</hi> hat ihn in ſeinem berühmten Lehrgedichte <hi rendition="#aq">„De rerum<lb/> natura“</hi> in hochpoetiſcher Form dargeſtellt. Allein dieſer natur-<lb/> wahre pantheiſtiſche Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt<lb/> durch den myſtiſchen Dualismus von <hi rendition="#g">Plato</hi> und beſonders<lb/> durch den gewaltigen Einfluß, den ſeine idealiſtiſche Philoſophie<lb/> durch die Verſchmelzung mit den chriſtlichen Glaubenslehren<lb/> gewann. Als ſodann deren mächtigſter Anwalt, der römiſche<lb/> Papſt, die geiſtige Weltherrſchaft gewann, wurde der Pantheis-<lb/> mus gewaltſam unterdrückt; <hi rendition="#g">Giordano Bruno,</hi> ſein geiſt-<lb/> vollſter Vertreter, wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo<lb/> Fiori in Rom von dem „Stellvertreter Gottes“ lebendig verbrannt.</p><lb/> <p>Erſt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde<lb/> durch den großen <hi rendition="#g">Baruch Spinoza</hi> das Syſtem des Pan-<lb/> theismus in reinſter Form ausgebildet; er ſtellte für die Ge-<lb/> ſammtheit der Dinge den reinen <hi rendition="#g">Subſtanz-Begriff</hi> auf, in<lb/> welchem „Gott und Welt“ untrennbar vereinigt ſind. Wir müſſen<lb/> die Klarheit, Sicherheit und Folgerichtigkeit des moniſtiſchen<lb/> Syſtems von <hi rendition="#g">Spinoza</hi> heute um ſo mehr bewundern, als dieſem<lb/> gewaltigen Denker vor 250 Jahren noch alle die ſicheren em-<lb/> piriſchen Fundamente fehlten, die wir erſt in der zweiten Hälfte<lb/> des 19. Jahrhunderts gewonnen haben. Das Verhältniß von<lb/><hi rendition="#g">Spinoza</hi> zum ſpäteren <hi rendition="#g">Materialismus</hi> im 18. und zu<lb/> unſerem heutigen <hi rendition="#g">Monismus</hi> im 19. Jahrhundert haben wir<lb/> bereits im erſten Kapitel beſprochen. Zur weiteren Verbreitung<lb/> desſelben, beſonders im deutſchen Geiſtesleben, haben vor Allem<lb/> die unſterblichen Werke unſeres größten Dichters und Denkers<lb/> beigetragen, <hi rendition="#g">Wolfgang Goethe</hi>. Seine herrlichen Dichtungen<lb/> „Gott und Welt“, „Prometheus“, „Fauſt“ ꝛc. hüllen die Grund-<lb/> gedanken des Pantheismus in die vollkommenſte dichteriſche Form.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Atheismus</hi> („die entgötterte Weltanſchauung“). Es <hi rendition="#g">giebt<lb/> keinen Gott</hi> und keine Götter, falls man unter dieſem Begriff<lb/> perſönliche, außerhalb der Natur ſtehende Weſen verſteht. Dieſe<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [335/0351]
XV. Pantheismus und Monismus.
Carus hat ihn in ſeinem berühmten Lehrgedichte „De rerum
natura“ in hochpoetiſcher Form dargeſtellt. Allein dieſer natur-
wahre pantheiſtiſche Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt
durch den myſtiſchen Dualismus von Plato und beſonders
durch den gewaltigen Einfluß, den ſeine idealiſtiſche Philoſophie
durch die Verſchmelzung mit den chriſtlichen Glaubenslehren
gewann. Als ſodann deren mächtigſter Anwalt, der römiſche
Papſt, die geiſtige Weltherrſchaft gewann, wurde der Pantheis-
mus gewaltſam unterdrückt; Giordano Bruno, ſein geiſt-
vollſter Vertreter, wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo
Fiori in Rom von dem „Stellvertreter Gottes“ lebendig verbrannt.
Erſt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde
durch den großen Baruch Spinoza das Syſtem des Pan-
theismus in reinſter Form ausgebildet; er ſtellte für die Ge-
ſammtheit der Dinge den reinen Subſtanz-Begriff auf, in
welchem „Gott und Welt“ untrennbar vereinigt ſind. Wir müſſen
die Klarheit, Sicherheit und Folgerichtigkeit des moniſtiſchen
Syſtems von Spinoza heute um ſo mehr bewundern, als dieſem
gewaltigen Denker vor 250 Jahren noch alle die ſicheren em-
piriſchen Fundamente fehlten, die wir erſt in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts gewonnen haben. Das Verhältniß von
Spinoza zum ſpäteren Materialismus im 18. und zu
unſerem heutigen Monismus im 19. Jahrhundert haben wir
bereits im erſten Kapitel beſprochen. Zur weiteren Verbreitung
desſelben, beſonders im deutſchen Geiſtesleben, haben vor Allem
die unſterblichen Werke unſeres größten Dichters und Denkers
beigetragen, Wolfgang Goethe. Seine herrlichen Dichtungen
„Gott und Welt“, „Prometheus“, „Fauſt“ ꝛc. hüllen die Grund-
gedanken des Pantheismus in die vollkommenſte dichteriſche Form.
Atheismus („die entgötterte Weltanſchauung“). Es giebt
keinen Gott und keine Götter, falls man unter dieſem Begriff
perſönliche, außerhalb der Natur ſtehende Weſen verſteht. Dieſe
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