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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XV. Mohammedanischer Monotheismus.
Charlatans, die jemals eine Religion hervorgebracht hat! --
sind beständig beflissen, durch neue Heiligsprechungen die Zahl
dieser anthropomorphen Himmels-Trabanten zu vermehren. Den
reichsten und interessantesten Zuwachs hat aber diese seltsame
Paradies-Gesellschaft am 13. Juli 1870 dadurch bekommen, daß
das vatikanische Koncil die Päpste als Stellvertreter Christi für
unfehlbar erklärt und sie damit selbst zum Range von
Göttern erhoben hat. Nimmt man dazu noch den von ihnen
anerkannten "persönlichen Teufel" und die "bösen Engel", welche
seinen Hofstaat bilden, so gewährt uns der Papismus, die
heute noch meistverbreitete Form des modernen Christenthums,
ein so buntes Bild des reichsten Polytheismus, daß der
hellenische Olymp dagegen klein und dürftig erscheint.

Der Islam (oder der mohammedanische Mono-
theismus
) ist die jüngste und zugleich die reinste Form der
Eingötterei. Als der junge Mohammed (geb. 570) frühzeitig
den polytheistischen Götzendienst seiner arabischen Stammesgenossen
verachten und das Christenthum der Nestorianer kennen lernte,
eignete er sich zwar deren Grundlehren im Allgemeinen an, er
konnte sich aber nicht entschließen, in Christus etwas Anderes zu
erblicken als einen Propheten, gleich Moses. Im Dogma der
Dreieinigkeit fand er nur das, was bei unbefangenem Nachdenken
jeder vorurtheilsfreie Mensch darin finden muß, einen wider-
sinnigen Glaubenssatz, der weder mit den Grundsätzen unserer
Vernunft vereinbar noch für unsere religiöse Erhebung von
irgend welchem Werthe ist. Die Anbetung der unbefleckten
Jungfrau Maria als der "Mutter Gottes" betrachtete er mit
Recht ebenso als eitle Götzendienerei wie die Verehrung von
Bildern und Bildsäulen. Je länger er darüber nachdachte, und
je mehr er nach einer reineren Gottes-Vorstellung hinstrebte, desto
klarer wurde ihm die Gewißheit seines Hauptsatzes: "Gott ist
der alleinige Gott"; es giebt keine anderen Götter neben ihm.

XV. Mohammedaniſcher Monotheismus.
Charlatans, die jemals eine Religion hervorgebracht hat! —
ſind beſtändig befliſſen, durch neue Heiligſprechungen die Zahl
dieſer anthropomorphen Himmels-Trabanten zu vermehren. Den
reichſten und intereſſanteſten Zuwachs hat aber dieſe ſeltſame
Paradies-Geſellſchaft am 13. Juli 1870 dadurch bekommen, daß
das vatikaniſche Koncil die Päpſte als Stellvertreter Chriſti für
unfehlbar erklärt und ſie damit ſelbſt zum Range von
Göttern erhoben hat. Nimmt man dazu noch den von ihnen
anerkannten „perſönlichen Teufel“ und die „böſen Engel“, welche
ſeinen Hofſtaat bilden, ſo gewährt uns der Papismus, die
heute noch meiſtverbreitete Form des modernen Chriſtenthums,
ein ſo buntes Bild des reichſten Polytheismus, daß der
helleniſche Olymp dagegen klein und dürftig erſcheint.

Der Islam (oder der mohammedaniſche Mono-
theismus
) iſt die jüngſte und zugleich die reinſte Form der
Eingötterei. Als der junge Mohammed (geb. 570) frühzeitig
den polytheiſtiſchen Götzendienſt ſeiner arabiſchen Stammesgenoſſen
verachten und das Chriſtenthum der Neſtorianer kennen lernte,
eignete er ſich zwar deren Grundlehren im Allgemeinen an, er
konnte ſich aber nicht entſchließen, in Chriſtus etwas Anderes zu
erblicken als einen Propheten, gleich Moſes. Im Dogma der
Dreieinigkeit fand er nur das, was bei unbefangenem Nachdenken
jeder vorurtheilsfreie Menſch darin finden muß, einen wider-
ſinnigen Glaubensſatz, der weder mit den Grundſätzen unſerer
Vernunft vereinbar noch für unſere religiöſe Erhebung von
irgend welchem Werthe iſt. Die Anbetung der unbefleckten
Jungfrau Maria als der „Mutter Gottes“ betrachtete er mit
Recht ebenſo als eitle Götzendienerei wie die Verehrung von
Bildern und Bildſäulen. Je länger er darüber nachdachte, und
je mehr er nach einer reineren Gottes-Vorſtellung hinſtrebte, deſto
klarer wurde ihm die Gewißheit ſeines Hauptſatzes: „Gott iſt
der alleinige Gott“; es giebt keine anderen Götter neben ihm.

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[329/0345] XV. Mohammedaniſcher Monotheismus. Charlatans, die jemals eine Religion hervorgebracht hat! — ſind beſtändig befliſſen, durch neue Heiligſprechungen die Zahl dieſer anthropomorphen Himmels-Trabanten zu vermehren. Den reichſten und intereſſanteſten Zuwachs hat aber dieſe ſeltſame Paradies-Geſellſchaft am 13. Juli 1870 dadurch bekommen, daß das vatikaniſche Koncil die Päpſte als Stellvertreter Chriſti für unfehlbar erklärt und ſie damit ſelbſt zum Range von Göttern erhoben hat. Nimmt man dazu noch den von ihnen anerkannten „perſönlichen Teufel“ und die „böſen Engel“, welche ſeinen Hofſtaat bilden, ſo gewährt uns der Papismus, die heute noch meiſtverbreitete Form des modernen Chriſtenthums, ein ſo buntes Bild des reichſten Polytheismus, daß der helleniſche Olymp dagegen klein und dürftig erſcheint. Der Islam (oder der mohammedaniſche Mono- theismus) iſt die jüngſte und zugleich die reinſte Form der Eingötterei. Als der junge Mohammed (geb. 570) frühzeitig den polytheiſtiſchen Götzendienſt ſeiner arabiſchen Stammesgenoſſen verachten und das Chriſtenthum der Neſtorianer kennen lernte, eignete er ſich zwar deren Grundlehren im Allgemeinen an, er konnte ſich aber nicht entſchließen, in Chriſtus etwas Anderes zu erblicken als einen Propheten, gleich Moſes. Im Dogma der Dreieinigkeit fand er nur das, was bei unbefangenem Nachdenken jeder vorurtheilsfreie Menſch darin finden muß, einen wider- ſinnigen Glaubensſatz, der weder mit den Grundſätzen unſerer Vernunft vereinbar noch für unſere religiöſe Erhebung von irgend welchem Werthe iſt. Die Anbetung der unbefleckten Jungfrau Maria als der „Mutter Gottes“ betrachtete er mit Recht ebenſo als eitle Götzendienerei wie die Verehrung von Bildern und Bildſäulen. Je länger er darüber nachdachte, und je mehr er nach einer reineren Gottes-Vorſtellung hinſtrebte, deſto klarer wurde ihm die Gewißheit ſeines Hauptſatzes: „Gott iſt der alleinige Gott“; es giebt keine anderen Götter neben ihm.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/345>, abgerufen am 22.11.2024.