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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Urzeugung oder Archigonie. XIV.
scheiden, und die man im engeren Sinne das Leben nennt"
(Natürl. Schöpfungsgesch. IX. Aufl., S. 357). Obwohl diese
"Kohlenstoff-Theorie" von mehreren Biologen heftig angegriffen
worden ist, hat doch bisher Keiner eine bessere monistische Theorie
an deren Stelle gesetzt. Heute, wo wir die physiologischen Ver-
hältnisse des Zellenlebens, die Chemie und Physik des lebendigen
Plasma viel besser und gründlicher kennen als vor 33 Jahren,
läßt sich die Karbogen-Theorie viel eingehender und sicherer be-
gründen als es damals möglich war.

Archigonie oder Urzeugung. Der alte Begriff der Ur-
zeugung
(Generatio spontanea oder aequivoca)
wird heute noch in sehr verschiedenem Sinne verwendet; gerade
die Unklarheit über diesen Begriff und die widersprechende
Anwendung desselben auf ganz verschiedene, alte und neue
Hypothesen, sind schuld daran, daß dieses wichtige Problem zu
den bestrittensten und konfusesten Fragen der ganzen Naturwissen-
schaft bis auf den heutigen Tag gehört. Ich beschränke den
Begriff der Urzeugung -- als Archigonie oder Abio-
genesis
! -- auf die erste Entstehung von lebendem Plasma
aus anorganischen Kohlenstoff-Verbindungen und unterscheide als
zwei Haupt-Perioden in diesem "Beginn der Biogenesis":
I. die Autogonie, die Entstehung von einfachsten Plasma-
Körpern in einer anorganischen Bildungsflüssigkeit, und II. die
Plasmogonie, die Individualisirung von primitivsten Or-
ganismen aus jenen Plasma-Verbindungen, in Form von
Moneren. Ich habe diese wichtigen, aber auch sehr schwierigen
Probleme im 15. Kapitel meiner Natürlichen Schöpfungs-
geschichte so eingehend behandelt, daß ich hier darauf verweisen
kann. Eine sehr ausführliche und streng wissenschaftliche Er-
örterung derselben habe ich bereits 1866 in der Generellen
Morphologie gegeben (Bd. I, S. 167-190); später hat Naegeli
in seiner Mechanisch-physiologischen Theorie der Abstammungs-

Urzeugung oder Archigonie. XIV.
ſcheiden, und die man im engeren Sinne das Leben nennt“
(Natürl. Schöpfungsgeſch. IX. Aufl., S. 357). Obwohl dieſe
„Kohlenſtoff-Theorie“ von mehreren Biologen heftig angegriffen
worden iſt, hat doch bisher Keiner eine beſſere moniſtiſche Theorie
an deren Stelle geſetzt. Heute, wo wir die phyſiologiſchen Ver-
hältniſſe des Zellenlebens, die Chemie und Phyſik des lebendigen
Plasma viel beſſer und gründlicher kennen als vor 33 Jahren,
läßt ſich die Karbogen-Theorie viel eingehender und ſicherer be-
gründen als es damals möglich war.

Archigonie oder Urzeugung. Der alte Begriff der Ur-
zeugung
(Generatio ſpontanea oder aequivoca)
wird heute noch in ſehr verſchiedenem Sinne verwendet; gerade
die Unklarheit über dieſen Begriff und die widerſprechende
Anwendung desſelben auf ganz verſchiedene, alte und neue
Hypotheſen, ſind ſchuld daran, daß dieſes wichtige Problem zu
den beſtrittenſten und konfuſeſten Fragen der ganzen Naturwiſſen-
ſchaft bis auf den heutigen Tag gehört. Ich beſchränke den
Begriff der Urzeugung — als Archigonie oder Abio-
geneſis
! — auf die erſte Entſtehung von lebendem Plasma
aus anorganiſchen Kohlenſtoff-Verbindungen und unterſcheide als
zwei Haupt-Perioden in dieſem „Beginn der Biogeneſis“:
I. die Autogonie, die Entſtehung von einfachſten Plasma-
Körpern in einer anorganiſchen Bildungsflüſſigkeit, und II. die
Plasmogonie, die Individualiſirung von primitivſten Or-
ganismen aus jenen Plasma-Verbindungen, in Form von
Moneren. Ich habe dieſe wichtigen, aber auch ſehr ſchwierigen
Probleme im 15. Kapitel meiner Natürlichen Schöpfungs-
geſchichte ſo eingehend behandelt, daß ich hier darauf verweiſen
kann. Eine ſehr ausführliche und ſtreng wiſſenſchaftliche Er-
örterung derſelben habe ich bereits 1866 in der Generellen
Morphologie gegeben (Bd. I, S. 167-190); ſpäter hat Naegeli
in ſeiner Mechaniſch-phyſiologiſchen Theorie der Abſtammungs-

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[298/0314] Urzeugung oder Archigonie. XIV. ſcheiden, und die man im engeren Sinne das Leben nennt“ (Natürl. Schöpfungsgeſch. IX. Aufl., S. 357). Obwohl dieſe „Kohlenſtoff-Theorie“ von mehreren Biologen heftig angegriffen worden iſt, hat doch bisher Keiner eine beſſere moniſtiſche Theorie an deren Stelle geſetzt. Heute, wo wir die phyſiologiſchen Ver- hältniſſe des Zellenlebens, die Chemie und Phyſik des lebendigen Plasma viel beſſer und gründlicher kennen als vor 33 Jahren, läßt ſich die Karbogen-Theorie viel eingehender und ſicherer be- gründen als es damals möglich war. Archigonie oder Urzeugung. Der alte Begriff der Ur- zeugung (Generatio ſpontanea oder aequivoca) wird heute noch in ſehr verſchiedenem Sinne verwendet; gerade die Unklarheit über dieſen Begriff und die widerſprechende Anwendung desſelben auf ganz verſchiedene, alte und neue Hypotheſen, ſind ſchuld daran, daß dieſes wichtige Problem zu den beſtrittenſten und konfuſeſten Fragen der ganzen Naturwiſſen- ſchaft bis auf den heutigen Tag gehört. Ich beſchränke den Begriff der Urzeugung — als Archigonie oder Abio- geneſis! — auf die erſte Entſtehung von lebendem Plasma aus anorganiſchen Kohlenſtoff-Verbindungen und unterſcheide als zwei Haupt-Perioden in dieſem „Beginn der Biogeneſis“: I. die Autogonie, die Entſtehung von einfachſten Plasma- Körpern in einer anorganiſchen Bildungsflüſſigkeit, und II. die Plasmogonie, die Individualiſirung von primitivſten Or- ganismen aus jenen Plasma-Verbindungen, in Form von Moneren. Ich habe dieſe wichtigen, aber auch ſehr ſchwierigen Probleme im 15. Kapitel meiner Natürlichen Schöpfungs- geſchichte ſo eingehend behandelt, daß ich hier darauf verweiſen kann. Eine ſehr ausführliche und ſtreng wiſſenſchaftliche Er- örterung derſelben habe ich bereits 1866 in der Generellen Morphologie gegeben (Bd. I, S. 167-190); ſpäter hat Naegeli in ſeiner Mechaniſch-phyſiologiſchen Theorie der Abſtammungs-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/314>, abgerufen am 22.11.2024.