IV.Monistische Anthropogenie. Als vierter und letzter Hauptabschnitt der Weltentwickelung kann für uns Menschen derjenige jüngste Zeitraum gelten, innerhalb dessen sich unser eigenes Geschlecht entwickelt hat. Schon Lamarck (1809) hatte klar erkannt, daß diese Entwickelung vernünftiger Weise nur auf einem natürlichen Wege denkbar sei, durch "Abstammung vom Affen", als von dem nächstverwandten Säugethiere. Huxley zeigte sodann (1863) in seiner berühmten Abhandlung über "die Stellung des Menschen in der Natur", daß diese bedeu- tungsvolle Annahme ein nothwendiger Folgeschluß der Descendenz- Theorie und durch anatomische, embryologische und paläonto- logische Thatsachen wohlbegründet sei; er erklärte diese "Frage aller Fragen" im Princip für gelöst. Darwin behandelte sodann dieselbe in geistreicher Weise von verschiedenen Seiten in seinem Werke über "die Abstammung des Menschen und die natürliche Zuchtwahl" (1871). Ich selbst hatte schon in meiner Generellen Morphologie (1866) diesem wichtigsten Special-Problem der Abstammungslehre ein besonderes Kapitel gewidmet. 1874 veröffentlichte ich meine Anthropogenie, in der zum ersten Male der Versuch durchgeführt ist, die Abstammung des Menschen durch seine ganze Ahnenreihe bis zur ältesten archigonen Moneren- Form hinauf zu verfolgen; ich stützte mich dabei gleichmäßig auf die drei großen Urkunden der Stammesgeschichte, auf die ver- gleichende Anatomie, Ontogenie und Paläontologie (vierte Auf- lage 1891). Wie weit wir in den letzten Jahren durch zahlreiche wichtige Fortschritte der anthropogenetischen Forschung gekommen sind, habe ich in dem Vortrage gezeigt, den ich 1898 auf dem internationalen Zoologen-Kongresse in Cambridge "über unsere gegenwärtige Kenntniß vom Ursprung des Menschen" gehalten habe (Bonn, siebente Auflage 1899).
Abſtammung des Menſchen. XIII.
IV.Moniſtiſche Anthropogenie. Als vierter und letzter Hauptabſchnitt der Weltentwickelung kann für uns Menſchen derjenige jüngſte Zeitraum gelten, innerhalb deſſen ſich unſer eigenes Geſchlecht entwickelt hat. Schon Lamarck (1809) hatte klar erkannt, daß dieſe Entwickelung vernünftiger Weiſe nur auf einem natürlichen Wege denkbar ſei, durch „Abſtammung vom Affen“, als von dem nächſtverwandten Säugethiere. Huxley zeigte ſodann (1863) in ſeiner berühmten Abhandlung über „die Stellung des Menſchen in der Natur“, daß dieſe bedeu- tungsvolle Annahme ein nothwendiger Folgeſchluß der Deſcendenz- Theorie und durch anatomiſche, embryologiſche und paläonto- logiſche Thatſachen wohlbegründet ſei; er erklärte dieſe „Frage aller Fragen“ im Princip für gelöſt. Darwin behandelte ſodann dieſelbe in geiſtreicher Weiſe von verſchiedenen Seiten in ſeinem Werke über „die Abſtammung des Menſchen und die natürliche Zuchtwahl“ (1871). Ich ſelbſt hatte ſchon in meiner Generellen Morphologie (1866) dieſem wichtigſten Special-Problem der Abſtammungslehre ein beſonderes Kapitel gewidmet. 1874 veröffentlichte ich meine Anthropogenie, in der zum erſten Male der Verſuch durchgeführt iſt, die Abſtammung des Menſchen durch ſeine ganze Ahnenreihe bis zur älteſten archigonen Moneren- Form hinauf zu verfolgen; ich ſtützte mich dabei gleichmäßig auf die drei großen Urkunden der Stammesgeſchichte, auf die ver- gleichende Anatomie, Ontogenie und Paläontologie (vierte Auf- lage 1891). Wie weit wir in den letzten Jahren durch zahlreiche wichtige Fortſchritte der anthropogenetiſchen Forſchung gekommen ſind, habe ich in dem Vortrage gezeigt, den ich 1898 auf dem internationalen Zoologen-Kongreſſe in Cambridge „über unſere gegenwärtige Kenntniß vom Urſprung des Menſchen“ gehalten habe (Bonn, ſiebente Auflage 1899).
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Abſtammung des Menſchen. XIII.
IV. Moniſtiſche Anthropogenie. Als vierter und letzter
Hauptabſchnitt der Weltentwickelung kann für uns Menſchen
derjenige jüngſte Zeitraum gelten, innerhalb deſſen ſich unſer
eigenes Geſchlecht entwickelt hat. Schon Lamarck (1809) hatte
klar erkannt, daß dieſe Entwickelung vernünftiger Weiſe nur auf
einem natürlichen Wege denkbar ſei, durch „Abſtammung
vom Affen“, als von dem nächſtverwandten Säugethiere.
Huxley zeigte ſodann (1863) in ſeiner berühmten Abhandlung
über „die Stellung des Menſchen in der Natur“, daß dieſe bedeu-
tungsvolle Annahme ein nothwendiger Folgeſchluß der Deſcendenz-
Theorie und durch anatomiſche, embryologiſche und paläonto-
logiſche Thatſachen wohlbegründet ſei; er erklärte dieſe „Frage
aller Fragen“ im Princip für gelöſt. Darwin behandelte
ſodann dieſelbe in geiſtreicher Weiſe von verſchiedenen Seiten in
ſeinem Werke über „die Abſtammung des Menſchen und die
natürliche Zuchtwahl“ (1871). Ich ſelbſt hatte ſchon in meiner
Generellen Morphologie (1866) dieſem wichtigſten Special-Problem
der Abſtammungslehre ein beſonderes Kapitel gewidmet. 1874
veröffentlichte ich meine Anthropogenie, in der zum erſten
Male der Verſuch durchgeführt iſt, die Abſtammung des Menſchen
durch ſeine ganze Ahnenreihe bis zur älteſten archigonen Moneren-
Form hinauf zu verfolgen; ich ſtützte mich dabei gleichmäßig auf
die drei großen Urkunden der Stammesgeſchichte, auf die ver-
gleichende Anatomie, Ontogenie und Paläontologie (vierte Auf-
lage 1891). Wie weit wir in den letzten Jahren durch zahlreiche
wichtige Fortſchritte der anthropogenetiſchen Forſchung gekommen
ſind, habe ich in dem Vortrage gezeigt, den ich 1898 auf dem
internationalen Zoologen-Kongreſſe in Cambridge „über unſere
gegenwärtige Kenntniß vom Urſprung des Menſchen“ gehalten
habe (Bonn, ſiebente Auflage 1899).
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/308>, abgerufen am 23.11.2024.
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