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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XIII. Geschichte der Organismen.
Werke ist nicht allein der großartige Versuch gemacht, alle Er-
scheinungen des organischen Lebens von einem einheitlichen,
physikalischen Gesichtspunkte aus zu erklären, sondern auch der
Weg eröffnet, auf dem allein das schwierigste Räthsel dieses
Gebietes gelöst werden kann, das Problem von der natürlichen
Entstehung der organischen Species-Formen. Lamarck, der
gleich ausgedehnte empirische Kenntnisse in Zoologie und Botanik
besaß, entwarf hier zum ersten Male die Grundzüge der Ab-
stammungslehre oder Descendenz-Theorie: er zeigte, wie
alle die unzähligen Formen des Thier- und Pflanzenreiches durch
allmähliche Umbildung aus gemeinsamen einfachsten Stamm-
formen hervorgegangen sind, und wie die allmähliche Veränderung
der Gestalten durch Anpassung, in Wechselwirkung mit Ver-
erbung
, diese langsame Transmutation bewirkt hat.

Im fünften Vortrage meiner "Natürlichen Schöpfungs-
geschichte" habe ich die Verdienste von Lamarck nach Gebühr
gewürdigt, im sechsten und siebenten Vortrage diejenigen seines
größten Nachfolgers, Charles Darwin (1859). Durch ihn
wurden fünfzig Jahre später nicht nur alle wichtigen Hauptsätze
der Descendenz-Theorie unwiderleglich begründet, sondern auch
durch Einführung der Selektions-Theorie oder Züchtungs-
lehre die Lücke ausgefüllt, welche der Erstere gelassen hatte. Der
Erfolg, welchen Lamarck trotz aller Verdienste nicht hatte er-
langen können, wurde Darwin im reichsten Maße zu Theil;
sein epochemachendes Werk "über den Ursprung der Arten durch
natürliche Züchtung" hat im Laufe der letzten vierzig Jahre die
ganze moderne Biologie von Grund aus umgestaltet und sie auf
eine Stufe der Entwickelung gehoben, welche derjenigen aller
übrigen Naturwissenschaften nichts nachgiebt. Darwin ist der
Kopernikus der organischen Welt geworden
, wie
ich schon 1868 aussprach und, wie E. Du Bois-Reymond
fünfzehn Jahre später wiederholte. (Vergl. "Monismus", S. 39.)

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XIII. Geſchichte der Organismen.
Werke iſt nicht allein der großartige Verſuch gemacht, alle Er-
ſcheinungen des organiſchen Lebens von einem einheitlichen,
phyſikaliſchen Geſichtspunkte aus zu erklären, ſondern auch der
Weg eröffnet, auf dem allein das ſchwierigſte Räthſel dieſes
Gebietes gelöſt werden kann, das Problem von der natürlichen
Entſtehung der organiſchen Species-Formen. Lamarck, der
gleich ausgedehnte empiriſche Kenntniſſe in Zoologie und Botanik
beſaß, entwarf hier zum erſten Male die Grundzüge der Ab-
ſtammungslehre oder Deſcendenz-Theorie: er zeigte, wie
alle die unzähligen Formen des Thier- und Pflanzenreiches durch
allmähliche Umbildung aus gemeinſamen einfachſten Stamm-
formen hervorgegangen ſind, und wie die allmähliche Veränderung
der Geſtalten durch Anpaſſung, in Wechſelwirkung mit Ver-
erbung
, dieſe langſame Transmutation bewirkt hat.

Im fünften Vortrage meiner „Natürlichen Schöpfungs-
geſchichte“ habe ich die Verdienſte von Lamarck nach Gebühr
gewürdigt, im ſechſten und ſiebenten Vortrage diejenigen ſeines
größten Nachfolgers, Charles Darwin (1859). Durch ihn
wurden fünfzig Jahre ſpäter nicht nur alle wichtigen Hauptſätze
der Deſcendenz-Theorie unwiderleglich begründet, ſondern auch
durch Einführung der Selektions-Theorie oder Züchtungs-
lehre die Lücke ausgefüllt, welche der Erſtere gelaſſen hatte. Der
Erfolg, welchen Lamarck trotz aller Verdienſte nicht hatte er-
langen können, wurde Darwin im reichſten Maße zu Theil;
ſein epochemachendes Werk „über den Urſprung der Arten durch
natürliche Züchtung“ hat im Laufe der letzten vierzig Jahre die
ganze moderne Biologie von Grund aus umgeſtaltet und ſie auf
eine Stufe der Entwickelung gehoben, welche derjenigen aller
übrigen Naturwiſſenſchaften nichts nachgiebt. Darwin iſt der
Kopernikus der organiſchen Welt geworden
, wie
ich ſchon 1868 ausſprach und, wie E. Du Bois-Reymond
fünfzehn Jahre ſpäter wiederholte. (Vergl. „Monismus“, S. 39.)

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[291/0307] XIII. Geſchichte der Organismen. Werke iſt nicht allein der großartige Verſuch gemacht, alle Er- ſcheinungen des organiſchen Lebens von einem einheitlichen, phyſikaliſchen Geſichtspunkte aus zu erklären, ſondern auch der Weg eröffnet, auf dem allein das ſchwierigſte Räthſel dieſes Gebietes gelöſt werden kann, das Problem von der natürlichen Entſtehung der organiſchen Species-Formen. Lamarck, der gleich ausgedehnte empiriſche Kenntniſſe in Zoologie und Botanik beſaß, entwarf hier zum erſten Male die Grundzüge der Ab- ſtammungslehre oder Deſcendenz-Theorie: er zeigte, wie alle die unzähligen Formen des Thier- und Pflanzenreiches durch allmähliche Umbildung aus gemeinſamen einfachſten Stamm- formen hervorgegangen ſind, und wie die allmähliche Veränderung der Geſtalten durch Anpaſſung, in Wechſelwirkung mit Ver- erbung, dieſe langſame Transmutation bewirkt hat. Im fünften Vortrage meiner „Natürlichen Schöpfungs- geſchichte“ habe ich die Verdienſte von Lamarck nach Gebühr gewürdigt, im ſechſten und ſiebenten Vortrage diejenigen ſeines größten Nachfolgers, Charles Darwin (1859). Durch ihn wurden fünfzig Jahre ſpäter nicht nur alle wichtigen Hauptſätze der Deſcendenz-Theorie unwiderleglich begründet, ſondern auch durch Einführung der Selektions-Theorie oder Züchtungs- lehre die Lücke ausgefüllt, welche der Erſtere gelaſſen hatte. Der Erfolg, welchen Lamarck trotz aller Verdienſte nicht hatte er- langen können, wurde Darwin im reichſten Maße zu Theil; ſein epochemachendes Werk „über den Urſprung der Arten durch natürliche Züchtung“ hat im Laufe der letzten vierzig Jahre die ganze moderne Biologie von Grund aus umgeſtaltet und ſie auf eine Stufe der Entwickelung gehoben, welche derjenigen aller übrigen Naturwiſſenſchaften nichts nachgiebt. Darwin iſt der Kopernikus der organiſchen Welt geworden, wie ich ſchon 1868 ausſprach und, wie E. Du Bois-Reymond fünfzehn Jahre ſpäter wiederholte. (Vergl. „Monismus“, S. 39.) 19 *

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/307>, abgerufen am 23.11.2024.