beider Grundgesetze, welche noch heute vielfach bestritten wird, drücken viele überzeugte Naturforscher in der Benennung aus: "Gesetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes". Um einen kürzeren und bequemeren Ausdruck für diesen fundamentalen, aus neun Worten zusammengesetzten Begriff zu haben, habe ich schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, dasselbe das "Substanz- Gesetz" oder das "kosmologische Grundgesetz" zu nennen; man könnte es auch das Universal-Gesetz oder Konstanz-Gesetz nennen, oder auch das "Axiom von der Konstanz des Universum"; im Grunde genommen folgt dasselbe nothwendig aus dem Princip der Kausalität*).
Substanz-Begriff. Der erste Denker, der den reinen monistischen "Substanz-Begriff" in die Wissenschaft ein- führte und seine fundamentale Bedeutung erkannte, war der große Philosoph Baruch Spinoza; sein Hauptwerk erschien kurz nach seinem frühzeitigen Tode, 1677, gerade hundert Jahre bevor Lavoisier vermittelst des chemischen Hauptinstruments, der Wage, die Konstanz der Materie experimentell bewies. In seiner großartigen pantheistischen Weltanschauung fällt der Be- griff der Welt (Universum, Kosmos) zusammen mit dem all- umfassenden Begriff Gott; sie ist gleichzeitig der reinste und vernünftigste Monismus, und der geklärteste und abstrakteste Monotheismus. Diese Universal-Substanz oder dieses "göttliche Weltwesen" zeigt uns zwei verschiedene Seiten seines wahren Wesens, zwei fundamentale Attribute: die Materie (der unendliche ausgedehnte Substanz-Stoff) und der Geist (die allumfassende denkende Substanz-Energie). Alle Wandelungen, die später der Substanz-Begriff gemacht hat, kommen bei konsequenter Analyse auf diesen höchsten Grund-
*) E. Haeckel, Monismus, 1892, S. 14, 39; Ursprung des Menschen. 1898, S. 15, 45.
XII. Moniſtiſcher Subſtanz-Begriff.
beider Grundgeſetze, welche noch heute vielfach beſtritten wird, drücken viele überzeugte Naturforſcher in der Benennung aus: „Geſetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes“. Um einen kürzeren und bequemeren Ausdruck für dieſen fundamentalen, aus neun Worten zuſammengeſetzten Begriff zu haben, habe ich ſchon vor längerer Zeit vorgeſchlagen, dasſelbe das „Subſtanz- Geſetz“ oder das „kosmologiſche Grundgeſetz“ zu nennen; man könnte es auch das Univerſal-Geſetz oder Konſtanz-Geſetz nennen, oder auch das „Axiom von der Konſtanz des Univerſum“; im Grunde genommen folgt dasſelbe nothwendig aus dem Princip der Kauſalität*).
Subſtanz-Begriff. Der erſte Denker, der den reinen moniſtiſchen „Subſtanz-Begriff“ in die Wiſſenſchaft ein- führte und ſeine fundamentale Bedeutung erkannte, war der große Philoſoph Baruch Spinoza; ſein Hauptwerk erſchien kurz nach ſeinem frühzeitigen Tode, 1677, gerade hundert Jahre bevor Lavoiſier vermittelſt des chemiſchen Hauptinſtruments, der Wage, die Konſtanz der Materie experimentell bewies. In ſeiner großartigen pantheiſtiſchen Weltanſchauung fällt der Be- griff der Welt (Univerſum, Kosmos) zuſammen mit dem all- umfaſſenden Begriff Gott; ſie iſt gleichzeitig der reinſte und vernünftigſte Monismus, und der geklärteſte und abſtrakteſte Monotheismus. Dieſe Univerſal-Subſtanz oder dieſes „göttliche Weltweſen“ zeigt uns zwei verſchiedene Seiten ſeines wahren Weſens, zwei fundamentale Attribute: die Materie (der unendliche ausgedehnte Subſtanz-Stoff) und der Geiſt (die allumfaſſende denkende Subſtanz-Energie). Alle Wandelungen, die ſpäter der Subſtanz-Begriff gemacht hat, kommen bei konſequenter Analyſe auf dieſen höchſten Grund-
*) E. Haeckel, Monismus, 1892, S. 14, 39; Urſprung des Menſchen. 1898, S. 15, 45.
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XII. Moniſtiſcher Subſtanz-Begriff.
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drücken viele überzeugte Naturforſcher in der Benennung aus:
„Geſetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes“. Um
einen kürzeren und bequemeren Ausdruck für dieſen fundamentalen,
aus neun Worten zuſammengeſetzten Begriff zu haben, habe ich
ſchon vor längerer Zeit vorgeſchlagen, dasſelbe das „Subſtanz-
Geſetz“ oder das „kosmologiſche Grundgeſetz“ zu nennen; man
könnte es auch das Univerſal-Geſetz oder Konſtanz-Geſetz
nennen, oder auch das „Axiom von der Konſtanz des
Univerſum“; im Grunde genommen folgt dasſelbe nothwendig
aus dem Princip der Kauſalität *).
Subſtanz-Begriff. Der erſte Denker, der den reinen
moniſtiſchen „Subſtanz-Begriff“ in die Wiſſenſchaft ein-
führte und ſeine fundamentale Bedeutung erkannte, war der große
Philoſoph Baruch Spinoza; ſein Hauptwerk erſchien kurz
nach ſeinem frühzeitigen Tode, 1677, gerade hundert Jahre
bevor Lavoiſier vermittelſt des chemiſchen Hauptinſtruments,
der Wage, die Konſtanz der Materie experimentell bewies. In
ſeiner großartigen pantheiſtiſchen Weltanſchauung fällt der Be-
griff der Welt (Univerſum, Kosmos) zuſammen mit dem all-
umfaſſenden Begriff Gott; ſie iſt gleichzeitig der reinſte und
vernünftigſte Monismus, und der geklärteſte und abſtrakteſte
Monotheismus. Dieſe Univerſal-Subſtanz oder
dieſes „göttliche Weltweſen“ zeigt uns zwei verſchiedene Seiten
ſeines wahren Weſens, zwei fundamentale Attribute: die
Materie (der unendliche ausgedehnte Subſtanz-Stoff) und
der Geiſt (die allumfaſſende denkende Subſtanz-Energie).
Alle Wandelungen, die ſpäter der Subſtanz-Begriff gemacht hat,
kommen bei konſequenter Analyſe auf dieſen höchſten Grund-
*) E. Haeckel, Monismus, 1892, S. 14, 39; Urſprung des Menſchen.
1898, S. 15, 45.
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/265>, abgerufen am 16.02.2025.
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