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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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VII. Stufenleiter der Reflexthaten.
experimentell festzustellen, bei vielen festsitzenden Infusorien (z. B.
Poteriodendron unter den Flagellaten, Vorticella unter den
Ciliaten). Der schwächste Reiz, welcher die sehr empfindlichen
Flimmerhaare (Geißeln oder Wimpern) am freien Ende der
Zelle trifft, bewirkt sofort eine Kontraktion eines fadenförmigen
Stieles am anderen, festgehefteten Ende. Man bezeichnet diese
Erscheinung als "einfachen Reflexbogen" *).

IV. An diese Vorgänge im einzelligen Organismus der
Infusorien schließt sich unmittelbar der interessante Mechanismus
der Neuromuskel-Zellen an, welchen wir im vielzelligen
Körper vieler niederen Metazoen finden, besonders bei Nessel-
thieren (Polypen, Korallen). Jede einzelne "Neuromuskel-Zelle"
ist ein "einzelliges Reflex-Organ"; sie besitzt an der
Oberfläche ihres Körpers einen empfindlichen Theil, an dem
entgegengesetzten inneren Ende einen beweglichen Muskelfaden;
der letztere zieht sich zusammen, sobald der erstere gereizt wird.

V. Bei anderen Nesselthieren, namentlich bei den frei
schwimmenden Medusen -- welche den festsitzenden Polypen
nächst verwandt sind --, zerfällt die einfache Neuromuskel-
Zelle
in zwei verschiedene, aber durch einen Faden noch zu-
sammenhängende Zellen, eine äußere Sinneszelle (in der
Oberhaut) und eine innere Muskelzelle (unter der Haut);
in diesem zweizelligen Reflex-Organ ist die erstere das
Elementar-Organ der Empfindung, die letztere dasjenige der
Bewegung; die Verbindungsbrücke des Psychoplasma-Fadens
leitet den Reiz von der ersteren zur letzteren hinüber.

VI. Der wichtigste Fortschritt in der stufenweisen Aus-
bildung des Reflex-Mechanismus ist die Sonderung von drei
Zellen; an die Stelle der eben genannten einfachen Verbindungs-
brücke tritt eine selbständige dritte Zelle, die Seelenzelle

*) Max Verworn, Allgemeine Physiologie. Zweite Auflage. S. 586.
(1897.)

VII. Stufenleiter der Reflexthaten.
experimentell feſtzuſtellen, bei vielen feſtſitzenden Infuſorien (z. B.
Poteriodendron unter den Flagellaten, Vorticella unter den
Ciliaten). Der ſchwächſte Reiz, welcher die ſehr empfindlichen
Flimmerhaare (Geißeln oder Wimpern) am freien Ende der
Zelle trifft, bewirkt ſofort eine Kontraktion eines fadenförmigen
Stieles am anderen, feſtgehefteten Ende. Man bezeichnet dieſe
Erſcheinung als „einfachen Reflexbogen*).

IV. An dieſe Vorgänge im einzelligen Organismus der
Infuſorien ſchließt ſich unmittelbar der intereſſante Mechanismus
der Neuromuskel-Zellen an, welchen wir im vielzelligen
Körper vieler niederen Metazoen finden, beſonders bei Neſſel-
thieren (Polypen, Korallen). Jede einzelne „Neuromuskel-Zelle“
iſt ein „einzelliges Reflex-Organ“; ſie beſitzt an der
Oberfläche ihres Körpers einen empfindlichen Theil, an dem
entgegengeſetzten inneren Ende einen beweglichen Muskelfaden;
der letztere zieht ſich zuſammen, ſobald der erſtere gereizt wird.

V. Bei anderen Neſſelthieren, namentlich bei den frei
ſchwimmenden Meduſen — welche den feſtſitzenden Polypen
nächſt verwandt ſind —, zerfällt die einfache Neuromuskel-
Zelle
in zwei verſchiedene, aber durch einen Faden noch zu-
ſammenhängende Zellen, eine äußere Sinneszelle (in der
Oberhaut) und eine innere Muskelzelle (unter der Haut);
in dieſem zweizelligen Reflex-Organ iſt die erſtere das
Elementar-Organ der Empfindung, die letztere dasjenige der
Bewegung; die Verbindungsbrücke des Pſychoplasma-Fadens
leitet den Reiz von der erſteren zur letzteren hinüber.

VI. Der wichtigſte Fortſchritt in der ſtufenweiſen Aus-
bildung des Reflex-Mechanismus iſt die Sonderung von drei
Zellen; an die Stelle der eben genannten einfachen Verbindungs-
brücke tritt eine ſelbſtändige dritte Zelle, die Seelenzelle

*) Max Verworn, Allgemeine Phyſiologie. Zweite Auflage. S. 586.
(1897.)
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[133/0149] VII. Stufenleiter der Reflexthaten. experimentell feſtzuſtellen, bei vielen feſtſitzenden Infuſorien (z. B. Poteriodendron unter den Flagellaten, Vorticella unter den Ciliaten). Der ſchwächſte Reiz, welcher die ſehr empfindlichen Flimmerhaare (Geißeln oder Wimpern) am freien Ende der Zelle trifft, bewirkt ſofort eine Kontraktion eines fadenförmigen Stieles am anderen, feſtgehefteten Ende. Man bezeichnet dieſe Erſcheinung als „einfachen Reflexbogen“ *). IV. An dieſe Vorgänge im einzelligen Organismus der Infuſorien ſchließt ſich unmittelbar der intereſſante Mechanismus der Neuromuskel-Zellen an, welchen wir im vielzelligen Körper vieler niederen Metazoen finden, beſonders bei Neſſel- thieren (Polypen, Korallen). Jede einzelne „Neuromuskel-Zelle“ iſt ein „einzelliges Reflex-Organ“; ſie beſitzt an der Oberfläche ihres Körpers einen empfindlichen Theil, an dem entgegengeſetzten inneren Ende einen beweglichen Muskelfaden; der letztere zieht ſich zuſammen, ſobald der erſtere gereizt wird. V. Bei anderen Neſſelthieren, namentlich bei den frei ſchwimmenden Meduſen — welche den feſtſitzenden Polypen nächſt verwandt ſind —, zerfällt die einfache Neuromuskel- Zelle in zwei verſchiedene, aber durch einen Faden noch zu- ſammenhängende Zellen, eine äußere Sinneszelle (in der Oberhaut) und eine innere Muskelzelle (unter der Haut); in dieſem zweizelligen Reflex-Organ iſt die erſtere das Elementar-Organ der Empfindung, die letztere dasjenige der Bewegung; die Verbindungsbrücke des Pſychoplasma-Fadens leitet den Reiz von der erſteren zur letzteren hinüber. VI. Der wichtigſte Fortſchritt in der ſtufenweiſen Aus- bildung des Reflex-Mechanismus iſt die Sonderung von drei Zellen; an die Stelle der eben genannten einfachen Verbindungs- brücke tritt eine ſelbſtändige dritte Zelle, die Seelenzelle *) Max Verworn, Allgemeine Phyſiologie. Zweite Auflage. S. 586. (1897.)

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/149>, abgerufen am 23.11.2024.