als echte Reptilien, mithin als die ältesten Amnioten betrachtet, so würde die Entstehung dieser Hauptklasse bereits um eine oder zwei Perioden früher, gegen das Ende der Primärzeit, fallen, in die per- mische oder antepermische Periode. Alle übrigen Reptilienreste aber welche man früher im permischen, im Steinkohlensystem oder gar im devonischen Systeme gefunden zu haben glaubte, haben sich entweder nicht als Reptilienreste, oder als viel jüngeren Alters (meistens der Trias angehörig) herausgestellt.
Die gemeinsame hypothetische Stammform aller Amnionthiere, welche wir als Protamnion bezeichnen können, und welche mög- licherweise dem Proterosaurus sehr nahe verwandt war, stand vermuth- lich im Ganzen hinsichtlich ihrer Körperbildung in der Mitte zwischen den Salamandern und Eidechsen. Jhre Nachkommenschaft spaltete sich schon frühzeitig in zwei verschiedene Linien (Taf. VI, 39, 40), von denen die eine die gemeinsame Stammform der Reptilien und Vögel, die andere die Stammform der Säugethiere wurde.
Die Schleicher (Reptilia oder Pholidota, auch Sauria im weitesten Sinne genannt) bleiben von allen drei Klassen der Amnion- thiere auf der tiefsten Bildungsstufe stehen und entfernen sich am we- nigsten von ihren Stammvätern, den Amphibien. Daher wurden sie früher allgemein zu diesen gerechnet, obwohl sie in ihrer ganzen Organisation viel näher den Vögeln als den Amphibien verwandt sind. Gegenwärtig leben von den Reptilien nur noch vier Ordnungen, näm- lich die Eidechsen, Schlangen, Krokodile und Schildkröten. Diese bilden aber nur noch einen schwachen Rest von der ungemein mannich- faltig und bedeutend entwickelten Reptilienschaar, welche während der mesolithischen oder Secundärzeit lebte und damals alle anderen Wir- belthierklassen beherrschte. Die ausnehmende Entwickelung der Rep- tilien während der Secundärzeit ist so charakteristisch, daß wir diese darnach eben so gut, wie nach den Gymnospermen benennen könnten (S. 306). Von den dreißig Unterordnungen, welche die nachstehende Tabelle Jhnen vorführt, gehört die Hälfte, und von den neun Ord- nungen gehören fünf ausschließlich der Secundärzeit an. Auch von
Schleicher (Reptilien oder Saurier).
als echte Reptilien, mithin als die aͤlteſten Amnioten betrachtet, ſo wuͤrde die Entſtehung dieſer Hauptklaſſe bereits um eine oder zwei Perioden fruͤher, gegen das Ende der Primaͤrzeit, fallen, in die per- miſche oder antepermiſche Periode. Alle uͤbrigen Reptilienreſte aber welche man fruͤher im permiſchen, im Steinkohlenſyſtem oder gar im devoniſchen Syſteme gefunden zu haben glaubte, haben ſich entweder nicht als Reptilienreſte, oder als viel juͤngeren Alters (meiſtens der Trias angehoͤrig) herausgeſtellt.
Die gemeinſame hypothetiſche Stammform aller Amnionthiere, welche wir als Protamnion bezeichnen koͤnnen, und welche moͤg- licherweiſe dem Proteroſaurus ſehr nahe verwandt war, ſtand vermuth- lich im Ganzen hinſichtlich ihrer Koͤrperbildung in der Mitte zwiſchen den Salamandern und Eidechſen. Jhre Nachkommenſchaft ſpaltete ſich ſchon fruͤhzeitig in zwei verſchiedene Linien (Taf. VI, 39, 40), von denen die eine die gemeinſame Stammform der Reptilien und Voͤgel, die andere die Stammform der Saͤugethiere wurde.
Die Schleicher (Reptilia oder Pholidota, auch Sauria im weiteſten Sinne genannt) bleiben von allen drei Klaſſen der Amnion- thiere auf der tiefſten Bildungsſtufe ſtehen und entfernen ſich am we- nigſten von ihren Stammvaͤtern, den Amphibien. Daher wurden ſie fruͤher allgemein zu dieſen gerechnet, obwohl ſie in ihrer ganzen Organiſation viel naͤher den Voͤgeln als den Amphibien verwandt ſind. Gegenwaͤrtig leben von den Reptilien nur noch vier Ordnungen, naͤm- lich die Eidechſen, Schlangen, Krokodile und Schildkroͤten. Dieſe bilden aber nur noch einen ſchwachen Reſt von der ungemein mannich- faltig und bedeutend entwickelten Reptilienſchaar, welche waͤhrend der meſolithiſchen oder Secundaͤrzeit lebte und damals alle anderen Wir- belthierklaſſen beherrſchte. Die ausnehmende Entwickelung der Rep- tilien waͤhrend der Secundaͤrzeit iſt ſo charakteriſtiſch, daß wir dieſe darnach eben ſo gut, wie nach den Gymnoſpermen benennen koͤnnten (S. 306). Von den dreißig Unterordnungen, welche die nachſtehende Tabelle Jhnen vorfuͤhrt, gehoͤrt die Haͤlfte, und von den neun Ord- nungen gehoͤren fuͤnf ausſchließlich der Secundaͤrzeit an. Auch von
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Schleicher (Reptilien oder Saurier).
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miſche oder antepermiſche Periode. Alle uͤbrigen Reptilienreſte aber
welche man fruͤher im permiſchen, im Steinkohlenſyſtem oder gar im
devoniſchen Syſteme gefunden zu haben glaubte, haben ſich entweder
nicht als Reptilienreſte, oder als viel juͤngeren Alters (meiſtens der
Trias angehoͤrig) herausgeſtellt.
Die gemeinſame hypothetiſche Stammform aller Amnionthiere,
welche wir als Protamnion bezeichnen koͤnnen, und welche moͤg-
licherweiſe dem Proteroſaurus ſehr nahe verwandt war, ſtand vermuth-
lich im Ganzen hinſichtlich ihrer Koͤrperbildung in der Mitte zwiſchen
den Salamandern und Eidechſen. Jhre Nachkommenſchaft ſpaltete
ſich ſchon fruͤhzeitig in zwei verſchiedene Linien (Taf. VI, 39, 40), von
denen die eine die gemeinſame Stammform der Reptilien und Voͤgel,
die andere die Stammform der Saͤugethiere wurde.
Die Schleicher (Reptilia oder Pholidota, auch Sauria im
weiteſten Sinne genannt) bleiben von allen drei Klaſſen der Amnion-
thiere auf der tiefſten Bildungsſtufe ſtehen und entfernen ſich am we-
nigſten von ihren Stammvaͤtern, den Amphibien. Daher wurden
ſie fruͤher allgemein zu dieſen gerechnet, obwohl ſie in ihrer ganzen
Organiſation viel naͤher den Voͤgeln als den Amphibien verwandt ſind.
Gegenwaͤrtig leben von den Reptilien nur noch vier Ordnungen, naͤm-
lich die Eidechſen, Schlangen, Krokodile und Schildkroͤten. Dieſe
bilden aber nur noch einen ſchwachen Reſt von der ungemein mannich-
faltig und bedeutend entwickelten Reptilienſchaar, welche waͤhrend der
meſolithiſchen oder Secundaͤrzeit lebte und damals alle anderen Wir-
belthierklaſſen beherrſchte. Die ausnehmende Entwickelung der Rep-
tilien waͤhrend der Secundaͤrzeit iſt ſo charakteriſtiſch, daß wir dieſe
darnach eben ſo gut, wie nach den Gymnoſpermen benennen koͤnnten
(S. 306). Von den dreißig Unterordnungen, welche die nachſtehende
Tabelle Jhnen vorfuͤhrt, gehoͤrt die Haͤlfte, und von den neun Ord-
nungen gehoͤren fuͤnf ausſchließlich der Secundaͤrzeit an. Auch von
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/478>, abgerufen am 24.11.2024.
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