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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Spinnen (Arachniden).

Die echten Spinnen (Arachnida) sind durch den Mangel der
Flügel und durch vier Beinpaare von den Jnsecten unterschieden. Wie
jedoch die Skorpionsspinnen und die Taranteln deutlich zeigen, sind
eigentlich auch bei ihnen, wie bei den Jnsecten, nur drei echte Bein-
paare vorhanden. Das scheinbare vierte Beinpaar der Spinnen
(das vorderste) ist eigentlich ein Kieferfußpaar. Die Spinnenklasse
zerfällt in zwei Unterklassen: Streckspinnen und Rundspinnen. Von
diesen sind die Streckspinnen (Arthrogastres) die älteren und
ursprünglichen Formen, bei denen sich die frühere Leibesgliederung
besser erhalten hat. Es gehören dahin außer den schon genannten
Skorpionsspinnen (Solifugae) und den Taranteln (Phrynida) die
gefürchteten echten Skorpione (Scorpioda), die kleinen, in unseren
Bibliotheken wohnenden Bücherskorpione (Pseudoscorpioda), die
langbeinigen Schneiderspinnen (Opiliones) und die im Meere lebenden
seltsamen Asselspinnen (Pycnogonida). Versteinerte Reste von Streck-
spinnen finden sich bereits in der Steinkohle. Dagegen kommt die
zweite Unterklasse der Arachniden, die Rundspinnen (Sphaero-
gastres)
versteinert zuerst im Jura, also sehr viel später vor. Sie
haben sich aus einem Zweige der Streckspinnen dadurch entwickelt,
daß die Leibesringe mehr oder weniger mit einander verschmolzen.
Bei den eigentlichen Webespinnen (Araneae), welche wir wegen ihrer
feinen Webekünste bewundern, geht die Verschmelzung der Rumpf-
glieder oder Metameren so weit, daß der Rumpf nur noch aus zwei
Stücken besteht, einer Kopfbrust, welche die Kiefer und die vier Bein-
paare trägt, und einem anhangslosen Hinterleib, an welchem die
Spinnwarzen sitzen. Bei den Milben (Acara), welche wahrscheinlich
aus einem verkümmerten Seitenzweige der Webespinnen durch Ent-
artung (insbesondere durch Schmarotzerleben) entstanden sind, ver-
schmelzen sogar noch diese beiden Rumpfstücke mit einander zu einer
ungegliederten Masse.

Die Klasse der Tausendfüßer (Myriapoda), die kleinste und
formenärmste unter den vier Arthropodenklassen, zeichnet sich durch
den sehr verlängerten Leib aus, welcher einem gegliederten Ringel-

Spinnen (Arachniden).

Die echten Spinnen (Arachnida) ſind durch den Mangel der
Fluͤgel und durch vier Beinpaare von den Jnſecten unterſchieden. Wie
jedoch die Skorpionsſpinnen und die Taranteln deutlich zeigen, ſind
eigentlich auch bei ihnen, wie bei den Jnſecten, nur drei echte Bein-
paare vorhanden. Das ſcheinbare vierte Beinpaar der Spinnen
(das vorderſte) iſt eigentlich ein Kieferfußpaar. Die Spinnenklaſſe
zerfaͤllt in zwei Unterklaſſen: Streckſpinnen und Rundſpinnen. Von
dieſen ſind die Streckſpinnen (Arthrogastres) die aͤlteren und
urſpruͤnglichen Formen, bei denen ſich die fruͤhere Leibesgliederung
beſſer erhalten hat. Es gehoͤren dahin außer den ſchon genannten
Skorpionsſpinnen (Solifugae) und den Taranteln (Phrynida) die
gefuͤrchteten echten Skorpione (Scorpioda), die kleinen, in unſeren
Bibliotheken wohnenden Buͤcherſkorpione (Pseudoscorpioda), die
langbeinigen Schneiderſpinnen (Opiliones) und die im Meere lebenden
ſeltſamen Aſſelſpinnen (Pycnogonida). Verſteinerte Reſte von Streck-
ſpinnen finden ſich bereits in der Steinkohle. Dagegen kommt die
zweite Unterklaſſe der Arachniden, die Rundſpinnen (Sphaero-
gastres)
verſteinert zuerſt im Jura, alſo ſehr viel ſpaͤter vor. Sie
haben ſich aus einem Zweige der Streckſpinnen dadurch entwickelt,
daß die Leibesringe mehr oder weniger mit einander verſchmolzen.
Bei den eigentlichen Webeſpinnen (Araneae), welche wir wegen ihrer
feinen Webekuͤnſte bewundern, geht die Verſchmelzung der Rumpf-
glieder oder Metameren ſo weit, daß der Rumpf nur noch aus zwei
Stuͤcken beſteht, einer Kopfbruſt, welche die Kiefer und die vier Bein-
paare traͤgt, und einem anhangsloſen Hinterleib, an welchem die
Spinnwarzen ſitzen. Bei den Milben (Acara), welche wahrſcheinlich
aus einem verkuͤmmerten Seitenzweige der Webeſpinnen durch Ent-
artung (insbeſondere durch Schmarotzerleben) entſtanden ſind, ver-
ſchmelzen ſogar noch dieſe beiden Rumpfſtuͤcke mit einander zu einer
ungegliederten Maſſe.

Die Klaſſe der Tauſendfuͤßer (Myriapoda), die kleinſte und
formenaͤrmſte unter den vier Arthropodenklaſſen, zeichnet ſich durch
den ſehr verlaͤngerten Leib aus, welcher einem gegliederten Ringel-

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[426/0451] Spinnen (Arachniden). Die echten Spinnen (Arachnida) ſind durch den Mangel der Fluͤgel und durch vier Beinpaare von den Jnſecten unterſchieden. Wie jedoch die Skorpionsſpinnen und die Taranteln deutlich zeigen, ſind eigentlich auch bei ihnen, wie bei den Jnſecten, nur drei echte Bein- paare vorhanden. Das ſcheinbare vierte Beinpaar der Spinnen (das vorderſte) iſt eigentlich ein Kieferfußpaar. Die Spinnenklaſſe zerfaͤllt in zwei Unterklaſſen: Streckſpinnen und Rundſpinnen. Von dieſen ſind die Streckſpinnen (Arthrogastres) die aͤlteren und urſpruͤnglichen Formen, bei denen ſich die fruͤhere Leibesgliederung beſſer erhalten hat. Es gehoͤren dahin außer den ſchon genannten Skorpionsſpinnen (Solifugae) und den Taranteln (Phrynida) die gefuͤrchteten echten Skorpione (Scorpioda), die kleinen, in unſeren Bibliotheken wohnenden Buͤcherſkorpione (Pseudoscorpioda), die langbeinigen Schneiderſpinnen (Opiliones) und die im Meere lebenden ſeltſamen Aſſelſpinnen (Pycnogonida). Verſteinerte Reſte von Streck- ſpinnen finden ſich bereits in der Steinkohle. Dagegen kommt die zweite Unterklaſſe der Arachniden, die Rundſpinnen (Sphaero- gastres) verſteinert zuerſt im Jura, alſo ſehr viel ſpaͤter vor. Sie haben ſich aus einem Zweige der Streckſpinnen dadurch entwickelt, daß die Leibesringe mehr oder weniger mit einander verſchmolzen. Bei den eigentlichen Webeſpinnen (Araneae), welche wir wegen ihrer feinen Webekuͤnſte bewundern, geht die Verſchmelzung der Rumpf- glieder oder Metameren ſo weit, daß der Rumpf nur noch aus zwei Stuͤcken beſteht, einer Kopfbruſt, welche die Kiefer und die vier Bein- paare traͤgt, und einem anhangsloſen Hinterleib, an welchem die Spinnwarzen ſitzen. Bei den Milben (Acara), welche wahrſcheinlich aus einem verkuͤmmerten Seitenzweige der Webeſpinnen durch Ent- artung (insbeſondere durch Schmarotzerleben) entſtanden ſind, ver- ſchmelzen ſogar noch dieſe beiden Rumpfſtuͤcke mit einander zu einer ungegliederten Maſſe. Die Klaſſe der Tauſendfuͤßer (Myriapoda), die kleinſte und formenaͤrmſte unter den vier Arthropodenklaſſen, zeichnet ſich durch den ſehr verlaͤngerten Leib aus, welcher einem gegliederten Ringel-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/451>, abgerufen am 24.11.2024.