hat, so würden die fünf übrigen Phylen als fünf einzelne Bäume zu denken sein, die aus jenem dichten Busche sich erheben, nur an der Wurzel unter einander und mit den zahlreichen Wurzelschößlingen (den Wurmklassen) zusammenhängend.
Die außerordentlichen Schwierigkeiten, welche die Systematik der Würmer schon aus diesem Grunde darbietet, werden nun aber da- durch noch sehr gesteigert, daß wir fast gar keine versteinerten Reste von ihnen besitzen. Die allermeisten Würmer besaßen und besitzen noch heute einen so weichen Leib, daß sie keine Spuren in den neptunischen Erdschichten hinterlassen konnten. Auch die wenigen fossilen Reste von härteren Theilen, die wir von einigen Würmern besitzen, sind meistens so wenig charakteristisch, daß sie wenig mehr als die vormalige Existenz von jetzt ausgestorbenen Würmern anzeigen. Wir sind daher auch hier wieder vorzugsweise auf die Schöpfungsurkunden der On- togenie und der vergleichenden Anatomie angewiesen, wenn wir den äußerst schwierigen Versuch unternehmen wollen, in das Dunkel des Würmerstammbaums einige hypothetische Streiflichter fallen zu lassen (Gen. Morph. II, Taf. V, S. LXXVII -- LXXXV).
Die zahlreichen Klassen, welche man im Stamme der Würmer unterscheiden kann, und welche fast jeder Zoologe in anderer Weise nach seinen subjektiven Anschauungen gruppirt, werden vielleicht am besten dadurch übersichtlich, daß man dieselben auf vier verschiedene Hauptklassen vertheilt. Diese wollen wir als Urwürmer, Weichwür- mer, Sackwürmer und Gliedwürmer bezeichnen. Die Urwürmer enthalten, falls unsere einstämmige Descendenzhypothese richtig ist, jedenfalls die gemeinsamen Wurzelformen der übrigen Würmer, und wahrscheinlich des ganzen Thierreichs. Die Weichwürmer würden zum größten Theil selbstständige Wurmgruppen umfassen, die sich nicht zu höheren Thierstämmen entwickelt haben. Dagegen würden zu den Sackwürmern die Stammformen der Weichthiere und Wirbel- thiere, zu den Gliedwürmern die Stammformen der Sternthiere und Gliedfüßer gehören. Die vier Hauptklassen der Würmer kann man in nachstehende 22 Ordnungen eintheilen.
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Stamm der Wuͤrmer.
hat, ſo wuͤrden die fuͤnf uͤbrigen Phylen als fuͤnf einzelne Baͤume zu denken ſein, die aus jenem dichten Buſche ſich erheben, nur an der Wurzel unter einander und mit den zahlreichen Wurzelſchoͤßlingen (den Wurmklaſſen) zuſammenhaͤngend.
Die außerordentlichen Schwierigkeiten, welche die Syſtematik der Wuͤrmer ſchon aus dieſem Grunde darbietet, werden nun aber da- durch noch ſehr geſteigert, daß wir faſt gar keine verſteinerten Reſte von ihnen beſitzen. Die allermeiſten Wuͤrmer beſaßen und beſitzen noch heute einen ſo weichen Leib, daß ſie keine Spuren in den neptuniſchen Erdſchichten hinterlaſſen konnten. Auch die wenigen foſſilen Reſte von haͤrteren Theilen, die wir von einigen Wuͤrmern beſitzen, ſind meiſtens ſo wenig charakteriſtiſch, daß ſie wenig mehr als die vormalige Exiſtenz von jetzt ausgeſtorbenen Wuͤrmern anzeigen. Wir ſind daher auch hier wieder vorzugsweiſe auf die Schoͤpfungsurkunden der On- togenie und der vergleichenden Anatomie angewieſen, wenn wir den aͤußerſt ſchwierigen Verſuch unternehmen wollen, in das Dunkel des Wuͤrmerſtammbaums einige hypothetiſche Streiflichter fallen zu laſſen (Gen. Morph. II, Taf. V, S. LXXVII — LXXXV).
Die zahlreichen Klaſſen, welche man im Stamme der Wuͤrmer unterſcheiden kann, und welche faſt jeder Zoologe in anderer Weiſe nach ſeinen ſubjektiven Anſchauungen gruppirt, werden vielleicht am beſten dadurch uͤberſichtlich, daß man dieſelben auf vier verſchiedene Hauptklaſſen vertheilt. Dieſe wollen wir als Urwuͤrmer, Weichwuͤr- mer, Sackwuͤrmer und Gliedwuͤrmer bezeichnen. Die Urwuͤrmer enthalten, falls unſere einſtaͤmmige Deſcendenzhypotheſe richtig iſt, jedenfalls die gemeinſamen Wurzelformen der uͤbrigen Wuͤrmer, und wahrſcheinlich des ganzen Thierreichs. Die Weichwuͤrmer wuͤrden zum groͤßten Theil ſelbſtſtaͤndige Wurmgruppen umfaſſen, die ſich nicht zu hoͤheren Thierſtaͤmmen entwickelt haben. Dagegen wuͤrden zu den Sackwuͤrmern die Stammformen der Weichthiere und Wirbel- thiere, zu den Gliedwuͤrmern die Stammformen der Sternthiere und Gliedfuͤßer gehoͤren. Die vier Hauptklaſſen der Wuͤrmer kann man in nachſtehende 22 Ordnungen eintheilen.
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Stamm der Wuͤrmer.
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Wurzel unter einander und mit den zahlreichen Wurzelſchoͤßlingen (den
Wurmklaſſen) zuſammenhaͤngend.
Die außerordentlichen Schwierigkeiten, welche die Syſtematik der
Wuͤrmer ſchon aus dieſem Grunde darbietet, werden nun aber da-
durch noch ſehr geſteigert, daß wir faſt gar keine verſteinerten Reſte
von ihnen beſitzen. Die allermeiſten Wuͤrmer beſaßen und beſitzen noch
heute einen ſo weichen Leib, daß ſie keine Spuren in den neptuniſchen
Erdſchichten hinterlaſſen konnten. Auch die wenigen foſſilen Reſte
von haͤrteren Theilen, die wir von einigen Wuͤrmern beſitzen, ſind
meiſtens ſo wenig charakteriſtiſch, daß ſie wenig mehr als die vormalige
Exiſtenz von jetzt ausgeſtorbenen Wuͤrmern anzeigen. Wir ſind daher
auch hier wieder vorzugsweiſe auf die Schoͤpfungsurkunden der On-
togenie und der vergleichenden Anatomie angewieſen, wenn wir den
aͤußerſt ſchwierigen Verſuch unternehmen wollen, in das Dunkel des
Wuͤrmerſtammbaums einige hypothetiſche Streiflichter fallen zu laſſen
(Gen. Morph. II, Taf. V, S. LXXVII — LXXXV).
Die zahlreichen Klaſſen, welche man im Stamme der Wuͤrmer
unterſcheiden kann, und welche faſt jeder Zoologe in anderer Weiſe
nach ſeinen ſubjektiven Anſchauungen gruppirt, werden vielleicht am
beſten dadurch uͤberſichtlich, daß man dieſelben auf vier verſchiedene
Hauptklaſſen vertheilt. Dieſe wollen wir als Urwuͤrmer, Weichwuͤr-
mer, Sackwuͤrmer und Gliedwuͤrmer bezeichnen. Die Urwuͤrmer
enthalten, falls unſere einſtaͤmmige Deſcendenzhypotheſe richtig iſt,
jedenfalls die gemeinſamen Wurzelformen der uͤbrigen Wuͤrmer, und
wahrſcheinlich des ganzen Thierreichs. Die Weichwuͤrmer wuͤrden
zum groͤßten Theil ſelbſtſtaͤndige Wurmgruppen umfaſſen, die ſich nicht
zu hoͤheren Thierſtaͤmmen entwickelt haben. Dagegen wuͤrden zu den
Sackwuͤrmern die Stammformen der Weichthiere und Wirbel-
thiere, zu den Gliedwuͤrmern die Stammformen der Sternthiere
und Gliedfuͤßer gehoͤren. Die vier Hauptklaſſen der Wuͤrmer kann
man in nachſtehende 22 Ordnungen eintheilen.
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/428>, abgerufen am 23.11.2024.
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