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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Bedeutung der Amoeben für die allgemeine Genealogie.

Die einfachen nackten Amoeben sind für die gesammte Biologie,
und insbesondere für die allgemeine Genealogie, nächst den Moneren
die wichtigsten von allen Organismen. Denn offenbar entstanden
die Amoeben ursprünglich aus einfachen Moneren (Protamoeba) da-
durch, daß der erste wichtige Sonderungsvorgang in ihrem homogenen
Schleimkörper stattfand, die Differenzirung des inneren Kerns von dem
umgebenden Plasma. Dadurch war der große Fortschritt von einer
einfachen (kernlosen) Cytode zu einer echten (kernhaltigen) Zelle gesche-
hen (Vergl. Fig 12 A und Fig. 13 B). Jndem einige von diesen Zellen
sich frühzeitig durch Ausschwitzung einer erstarrenden Membran abkap-
selten, bildeten sie die ersten Pflanzenzellen, während andere, nackt blei-
bende, sich zu den ersten Zellen des Thierkörpers entwickeln konnten.
Jn der Anwesenheit oder dem Mangel einer umhüllenden starren
Membran liegt der wichtigste, obwohl keineswegs durchgreifende Unter-
schied der pflanzlichen und der thierischen Zellen. Jndem die Pflanzen-
zellen sich schon frühzeitig durch Einschließung in ihre starre, dicke und feste
Cellulose-Schale abkapseln, gleich der ruhenden Amoebe, Fig. 13 A, blei-
ben sie selbstständiger und den Einflüssen der Außenwelt weniger zugäng-
lich, als die weichen, meistens nackten oder nur von einer dünnen und
biegsamen Haut umhüllten Thierzellen. Daher vermögen aber auch die
ersteren nicht so wie die letzteren zur Bildung höherer, zusammenge-
setzter Gewebstheile, z. B. Nervenfasern, Muskelfasern zusammenzu-
treten. Zugleich wird sich bei den ältesten einzelligen Organismen
schon frühzeitig der wichtigste Unterschied in der thierischen und pflanz-
lichen Nahrungsaufnahme ausgebildet haben. Die ältesten einzelli-
gen Thiere konnten als nackte Zellen, so gut wie die freien Amoeben
(Fig. 13 B) und die farblosen Blutzellen, feste Körperchen in das Jn-
nere ihres weichen Leibes aufnehmen, während die ältesten einzelligen
Pflanzen, durch ihre Membran abgekapselt, hierzu nicht mehr fähig
waren und bloß flüssige Nahrung (mittelst Diffusion) durch dieselbe
durchtreten lassen konnten.

Nicht minder zweifelhaft als die Natur der Amoeben ist diejenige
der Geißelschwärmer (Flagellata), welche wir als eine dritte Klasse

Bedeutung der Amoeben fuͤr die allgemeine Genealogie.

Die einfachen nackten Amoeben ſind fuͤr die geſammte Biologie,
und insbeſondere fuͤr die allgemeine Genealogie, naͤchſt den Moneren
die wichtigſten von allen Organismen. Denn offenbar entſtanden
die Amoeben urſpruͤnglich aus einfachen Moneren (Protamoeba) da-
durch, daß der erſte wichtige Sonderungsvorgang in ihrem homogenen
Schleimkoͤrper ſtattfand, die Differenzirung des inneren Kerns von dem
umgebenden Plasma. Dadurch war der große Fortſchritt von einer
einfachen (kernloſen) Cytode zu einer echten (kernhaltigen) Zelle geſche-
hen (Vergl. Fig 12 A und Fig. 13 B). Jndem einige von dieſen Zellen
ſich fruͤhzeitig durch Ausſchwitzung einer erſtarrenden Membran abkap-
ſelten, bildeten ſie die erſten Pflanzenzellen, waͤhrend andere, nackt blei-
bende, ſich zu den erſten Zellen des Thierkoͤrpers entwickeln konnten.
Jn der Anweſenheit oder dem Mangel einer umhuͤllenden ſtarren
Membran liegt der wichtigſte, obwohl keineswegs durchgreifende Unter-
ſchied der pflanzlichen und der thieriſchen Zellen. Jndem die Pflanzen-
zellen ſich ſchon fruͤhzeitig durch Einſchließung in ihre ſtarre, dicke und feſte
Celluloſe-Schale abkapſeln, gleich der ruhenden Amoebe, Fig. 13 A, blei-
ben ſie ſelbſtſtaͤndiger und den Einfluͤſſen der Außenwelt weniger zugaͤng-
lich, als die weichen, meiſtens nackten oder nur von einer duͤnnen und
biegſamen Haut umhuͤllten Thierzellen. Daher vermoͤgen aber auch die
erſteren nicht ſo wie die letzteren zur Bildung hoͤherer, zuſammenge-
ſetzter Gewebstheile, z. B. Nervenfaſern, Muskelfaſern zuſammenzu-
treten. Zugleich wird ſich bei den aͤlteſten einzelligen Organismen
ſchon fruͤhzeitig der wichtigſte Unterſchied in der thieriſchen und pflanz-
lichen Nahrungsaufnahme ausgebildet haben. Die aͤlteſten einzelli-
gen Thiere konnten als nackte Zellen, ſo gut wie die freien Amoeben
(Fig. 13 B) und die farbloſen Blutzellen, feſte Koͤrperchen in das Jn-
nere ihres weichen Leibes aufnehmen, waͤhrend die aͤlteſten einzelligen
Pflanzen, durch ihre Membran abgekapſelt, hierzu nicht mehr faͤhig
waren und bloß fluͤſſige Nahrung (mittelſt Diffuſion) durch dieſelbe
durchtreten laſſen konnten.

Nicht minder zweifelhaft als die Natur der Amoeben iſt diejenige
der Geißelſchwaͤrmer (Flagellata), welche wir als eine dritte Klaſſe

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[332/0357] Bedeutung der Amoeben fuͤr die allgemeine Genealogie. Die einfachen nackten Amoeben ſind fuͤr die geſammte Biologie, und insbeſondere fuͤr die allgemeine Genealogie, naͤchſt den Moneren die wichtigſten von allen Organismen. Denn offenbar entſtanden die Amoeben urſpruͤnglich aus einfachen Moneren (Protamoeba) da- durch, daß der erſte wichtige Sonderungsvorgang in ihrem homogenen Schleimkoͤrper ſtattfand, die Differenzirung des inneren Kerns von dem umgebenden Plasma. Dadurch war der große Fortſchritt von einer einfachen (kernloſen) Cytode zu einer echten (kernhaltigen) Zelle geſche- hen (Vergl. Fig 12 A und Fig. 13 B). Jndem einige von dieſen Zellen ſich fruͤhzeitig durch Ausſchwitzung einer erſtarrenden Membran abkap- ſelten, bildeten ſie die erſten Pflanzenzellen, waͤhrend andere, nackt blei- bende, ſich zu den erſten Zellen des Thierkoͤrpers entwickeln konnten. Jn der Anweſenheit oder dem Mangel einer umhuͤllenden ſtarren Membran liegt der wichtigſte, obwohl keineswegs durchgreifende Unter- ſchied der pflanzlichen und der thieriſchen Zellen. Jndem die Pflanzen- zellen ſich ſchon fruͤhzeitig durch Einſchließung in ihre ſtarre, dicke und feſte Celluloſe-Schale abkapſeln, gleich der ruhenden Amoebe, Fig. 13 A, blei- ben ſie ſelbſtſtaͤndiger und den Einfluͤſſen der Außenwelt weniger zugaͤng- lich, als die weichen, meiſtens nackten oder nur von einer duͤnnen und biegſamen Haut umhuͤllten Thierzellen. Daher vermoͤgen aber auch die erſteren nicht ſo wie die letzteren zur Bildung hoͤherer, zuſammenge- ſetzter Gewebstheile, z. B. Nervenfaſern, Muskelfaſern zuſammenzu- treten. Zugleich wird ſich bei den aͤlteſten einzelligen Organismen ſchon fruͤhzeitig der wichtigſte Unterſchied in der thieriſchen und pflanz- lichen Nahrungsaufnahme ausgebildet haben. Die aͤlteſten einzelli- gen Thiere konnten als nackte Zellen, ſo gut wie die freien Amoeben (Fig. 13 B) und die farbloſen Blutzellen, feſte Koͤrperchen in das Jn- nere ihres weichen Leibes aufnehmen, waͤhrend die aͤlteſten einzelligen Pflanzen, durch ihre Membran abgekapſelt, hierzu nicht mehr faͤhig waren und bloß fluͤſſige Nahrung (mittelſt Diffuſion) durch dieſelbe durchtreten laſſen konnten. Nicht minder zweifelhaft als die Natur der Amoeben iſt diejenige der Geißelſchwaͤrmer (Flagellata), welche wir als eine dritte Klaſſe

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/357>, abgerufen am 27.11.2024.