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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Geringer Bruchtheil der versteinerungsfähigen Organismen.
skelete der Corallen, ferner die holzigen, festen Theile der Pflanzen,
die einer solchen Versteinernng fähig sind. Die weichen und zarten
Theile dagegen, welche bei den allermeisten Organismen den bei wei-
tem größten Theil des Körpers bilden, gelangen nur selten unter so
günstigen Verhältnissen in den Schlamm, daß sie versteinern, oder
daß ihre äußere Form deutlich in dem erhärtenden Schlamme sich ab-
drückt. Nun bedenken Sie, daß ganze große Klassen von Organis-
men, wie z. B. die Medusen, die nackten Mollusken, welche keine
Schale haben, ein großer Theil der Gliederthiere, fast alle Würmer
und selbst die niedersten Wirbelthiere gar keine festen und harten, ver-
steinerungsfähigen Körpertheile besitzen. Ebenso sind gerade die
wichtigsten Pflanzentheile, die Blüthen, meistens so weich und zart,
daß sie sich nicht in kenntlicher Form conserviren können. Von allen
diesen wichtigen Organismen werden wir naturgemäß auch gar keine
versteinerten Reste zu finden erwarten können. Ferner sind die Ju-
gendzustände fast aller Organismen so weich und zart, daß sie gar
nicht versteinerungsfähig sind. Was wir also von Versteinerungen in
den neptunischen Schichtensystemen der Erdrinde vorfinden, das sind
nur selten ganze Körper, vielmehr meistens einzelne Bruchstücke.

Sodann ist zu berücksichtigen, daß die Meerbewohner in einem
viel höhern Grade Aussicht haben, ihre todten Körper in den abgela-
gerten Schlammschichten versteinert zu erhalten, als die Bewohner der
süßen Gewässer und des Festlandes. Die das Land bewohnenden
Organismen können in der Regel nur dann versteinert werden, wenn
ihre Leichen zufällig ins Wasser fallen und auf dem Boden in erhär-
tenden Schlammschichten begraben werden, was von mancherlei Be-
dingungen abhängig ist. Daher kann es uns nicht Wunder nehmen,
daß die bei weitem größte Mehrzahl der Versteinerungen Organismen
angehört, die im Meere lebten, und daß von den Landbewohnern
verhältnißmäßig nur sehr wenige im fossilen Zustand erhalten sind.
Welche Zufälligkeiten hierbei ins Spiel kommen, mag Jhnen allein
der Umstand beweisen, daß man von vielen fossilen Säugethieren,
insbesondere von fast allen Säugethieren der Secundärzeit, weiter

Geringer Bruchtheil der verſteinerungsfaͤhigen Organismen.
ſkelete der Corallen, ferner die holzigen, feſten Theile der Pflanzen,
die einer ſolchen Verſteinernng faͤhig ſind. Die weichen und zarten
Theile dagegen, welche bei den allermeiſten Organismen den bei wei-
tem groͤßten Theil des Koͤrpers bilden, gelangen nur ſelten unter ſo
guͤnſtigen Verhaͤltniſſen in den Schlamm, daß ſie verſteinern, oder
daß ihre aͤußere Form deutlich in dem erhaͤrtenden Schlamme ſich ab-
druͤckt. Nun bedenken Sie, daß ganze große Klaſſen von Organis-
men, wie z. B. die Meduſen, die nackten Mollusken, welche keine
Schale haben, ein großer Theil der Gliederthiere, faſt alle Wuͤrmer
und ſelbſt die niederſten Wirbelthiere gar keine feſten und harten, ver-
ſteinerungsfaͤhigen Koͤrpertheile beſitzen. Ebenſo ſind gerade die
wichtigſten Pflanzentheile, die Bluͤthen, meiſtens ſo weich und zart,
daß ſie ſich nicht in kenntlicher Form conſerviren koͤnnen. Von allen
dieſen wichtigen Organismen werden wir naturgemaͤß auch gar keine
verſteinerten Reſte zu finden erwarten koͤnnen. Ferner ſind die Ju-
gendzuſtaͤnde faſt aller Organismen ſo weich und zart, daß ſie gar
nicht verſteinerungsfaͤhig ſind. Was wir alſo von Verſteinerungen in
den neptuniſchen Schichtenſyſtemen der Erdrinde vorfinden, das ſind
nur ſelten ganze Koͤrper, vielmehr meiſtens einzelne Bruchſtuͤcke.

Sodann iſt zu beruͤckſichtigen, daß die Meerbewohner in einem
viel hoͤhern Grade Ausſicht haben, ihre todten Koͤrper in den abgela-
gerten Schlammſchichten verſteinert zu erhalten, als die Bewohner der
ſuͤßen Gewaͤſſer und des Feſtlandes. Die das Land bewohnenden
Organismen koͤnnen in der Regel nur dann verſteinert werden, wenn
ihre Leichen zufaͤllig ins Waſſer fallen und auf dem Boden in erhaͤr-
tenden Schlammſchichten begraben werden, was von mancherlei Be-
dingungen abhaͤngig iſt. Daher kann es uns nicht Wunder nehmen,
daß die bei weitem groͤßte Mehrzahl der Verſteinerungen Organismen
angehoͤrt, die im Meere lebten, und daß von den Landbewohnern
verhaͤltnißmaͤßig nur ſehr wenige im foſſilen Zuſtand erhalten ſind.
Welche Zufaͤlligkeiten hierbei ins Spiel kommen, mag Jhnen allein
der Umſtand beweiſen, daß man von vielen foſſilen Saͤugethieren,
insbeſondere von faſt allen Saͤugethieren der Secundaͤrzeit, weiter

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[310/0335] Geringer Bruchtheil der verſteinerungsfaͤhigen Organismen. ſkelete der Corallen, ferner die holzigen, feſten Theile der Pflanzen, die einer ſolchen Verſteinernng faͤhig ſind. Die weichen und zarten Theile dagegen, welche bei den allermeiſten Organismen den bei wei- tem groͤßten Theil des Koͤrpers bilden, gelangen nur ſelten unter ſo guͤnſtigen Verhaͤltniſſen in den Schlamm, daß ſie verſteinern, oder daß ihre aͤußere Form deutlich in dem erhaͤrtenden Schlamme ſich ab- druͤckt. Nun bedenken Sie, daß ganze große Klaſſen von Organis- men, wie z. B. die Meduſen, die nackten Mollusken, welche keine Schale haben, ein großer Theil der Gliederthiere, faſt alle Wuͤrmer und ſelbſt die niederſten Wirbelthiere gar keine feſten und harten, ver- ſteinerungsfaͤhigen Koͤrpertheile beſitzen. Ebenſo ſind gerade die wichtigſten Pflanzentheile, die Bluͤthen, meiſtens ſo weich und zart, daß ſie ſich nicht in kenntlicher Form conſerviren koͤnnen. Von allen dieſen wichtigen Organismen werden wir naturgemaͤß auch gar keine verſteinerten Reſte zu finden erwarten koͤnnen. Ferner ſind die Ju- gendzuſtaͤnde faſt aller Organismen ſo weich und zart, daß ſie gar nicht verſteinerungsfaͤhig ſind. Was wir alſo von Verſteinerungen in den neptuniſchen Schichtenſyſtemen der Erdrinde vorfinden, das ſind nur ſelten ganze Koͤrper, vielmehr meiſtens einzelne Bruchſtuͤcke. Sodann iſt zu beruͤckſichtigen, daß die Meerbewohner in einem viel hoͤhern Grade Ausſicht haben, ihre todten Koͤrper in den abgela- gerten Schlammſchichten verſteinert zu erhalten, als die Bewohner der ſuͤßen Gewaͤſſer und des Feſtlandes. Die das Land bewohnenden Organismen koͤnnen in der Regel nur dann verſteinert werden, wenn ihre Leichen zufaͤllig ins Waſſer fallen und auf dem Boden in erhaͤr- tenden Schlammſchichten begraben werden, was von mancherlei Be- dingungen abhaͤngig iſt. Daher kann es uns nicht Wunder nehmen, daß die bei weitem groͤßte Mehrzahl der Verſteinerungen Organismen angehoͤrt, die im Meere lebten, und daß von den Landbewohnern verhaͤltnißmaͤßig nur ſehr wenige im foſſilen Zuſtand erhalten ſind. Welche Zufaͤlligkeiten hierbei ins Spiel kommen, mag Jhnen allein der Umſtand beweiſen, daß man von vielen foſſilen Saͤugethieren, insbeſondere von faſt allen Saͤugethieren der Secundaͤrzeit, weiter

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/335>, abgerufen am 17.06.2024.