Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Hebungsperioden oder Anteperioden. Wichtigkeit, wenn man die historische Bedeutung der Versteinerungsur-kunde mit der richtigen Kritik beurtheilen will. Schon hieraus wird sich Jhnen ergeben, wie unvollständig unsere Urkunde nothwendig sein muß, um so mehr, da sich theoretisch erweisen läßt, daß gerade wäh- rend der Hebungszeiträume das Thier- und Pflanzenleben an Mannich- faltigkeit zunehmen mußte. Denn indem neue Strecken Landes über das Wasser gehoben werden, bilden sich neue Jnseln. Jede neue Jnsel ist aber ein neuer Schöpfungsmittelpunkt, weil die zufällig dorthin verschla- genen Thiere und Pflanzen auf dem neuen Boden im Kampf um's Dasein reiche Gelegenheit finden, sich eigenthümlich zu entwickeln, und neue Arten zu bilden. Gerade die Bildung neuer Arten hat offenbar während dieser Zwischenzeiten, aus denen uns leider keine Versteine- rungen erhalten bleiben konnten, vorzugsweise stattgefunden, wäh- rend umgekehrt bei der langsamen Senkung des Bodens eher Gele- genheit zum Aussterben zahlreicher Arten, und zu einem Rückschritt in der Artenbildung gegeben war. Auch die Zwischenformen zwischen den alten und den neu sich bildenden Species werden vorzugsweise während jener Hebungszeiträume gelebt haben, und konnten da- her ebenfalls keine fossilen Reste hinterlassen. Die Anzahl der Schöpfungsperioden und ihrer untergeordneten Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. 20
Hebungsperioden oder Anteperioden. Wichtigkeit, wenn man die hiſtoriſche Bedeutung der Verſteinerungsur-kunde mit der richtigen Kritik beurtheilen will. Schon hieraus wird ſich Jhnen ergeben, wie unvollſtaͤndig unſere Urkunde nothwendig ſein muß, um ſo mehr, da ſich theoretiſch erweiſen laͤßt, daß gerade waͤh- rend der Hebungszeitraͤume das Thier- und Pflanzenleben an Mannich- faltigkeit zunehmen mußte. Denn indem neue Strecken Landes uͤber das Waſſer gehoben werden, bilden ſich neue Jnſeln. Jede neue Jnſel iſt aber ein neuer Schoͤpfungsmittelpunkt, weil die zufaͤllig dorthin verſchla- genen Thiere und Pflanzen auf dem neuen Boden im Kampf um’s Daſein reiche Gelegenheit finden, ſich eigenthuͤmlich zu entwickeln, und neue Arten zu bilden. Gerade die Bildung neuer Arten hat offenbar waͤhrend dieſer Zwiſchenzeiten, aus denen uns leider keine Verſteine- rungen erhalten bleiben konnten, vorzugsweiſe ſtattgefunden, waͤh- rend umgekehrt bei der langſamen Senkung des Bodens eher Gele- genheit zum Ausſterben zahlreicher Arten, und zu einem Ruͤckſchritt in der Artenbildung gegeben war. Auch die Zwiſchenformen zwiſchen den alten und den neu ſich bildenden Species werden vorzugsweiſe waͤhrend jener Hebungszeitraͤume gelebt haben, und konnten da- her ebenfalls keine foſſilen Reſte hinterlaſſen. Die Anzahl der Schoͤpfungsperioden und ihrer untergeordneten Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 20
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Hebungsperioden oder Anteperioden.
Wichtigkeit, wenn man die hiſtoriſche Bedeutung der Verſteinerungsur-
kunde mit der richtigen Kritik beurtheilen will. Schon hieraus wird
ſich Jhnen ergeben, wie unvollſtaͤndig unſere Urkunde nothwendig ſein
muß, um ſo mehr, da ſich theoretiſch erweiſen laͤßt, daß gerade waͤh-
rend der Hebungszeitraͤume das Thier- und Pflanzenleben an Mannich-
faltigkeit zunehmen mußte. Denn indem neue Strecken Landes uͤber das
Waſſer gehoben werden, bilden ſich neue Jnſeln. Jede neue Jnſel iſt
aber ein neuer Schoͤpfungsmittelpunkt, weil die zufaͤllig dorthin verſchla-
genen Thiere und Pflanzen auf dem neuen Boden im Kampf um’s
Daſein reiche Gelegenheit finden, ſich eigenthuͤmlich zu entwickeln, und
neue Arten zu bilden. Gerade die Bildung neuer Arten hat offenbar
waͤhrend dieſer Zwiſchenzeiten, aus denen uns leider keine Verſteine-
rungen erhalten bleiben konnten, vorzugsweiſe ſtattgefunden, waͤh-
rend umgekehrt bei der langſamen Senkung des Bodens eher Gele-
genheit zum Ausſterben zahlreicher Arten, und zu einem Ruͤckſchritt in
der Artenbildung gegeben war. Auch die Zwiſchenformen zwiſchen
den alten und den neu ſich bildenden Species werden vorzugsweiſe
waͤhrend jener Hebungszeitraͤume gelebt haben, und konnten da-
her ebenfalls keine foſſilen Reſte hinterlaſſen.
Die Anzahl der Schoͤpfungsperioden und ihrer untergeordneten
Zeitabſchnitte, welche die Geologie bisher unterſchied, wird durch die
gehoͤrige Beruͤckſichtigung der Anteperioden verdoppelt. Waͤhrend
man gewoͤhnlich in der organiſchen Erdgeſchichte nur die Senkungs-
zeitraͤume beruͤckſichtigte, und dieſe nach den darin gebildeten Schichten-
ſyſtemen benannte, muͤſſen wir nun zwiſchen je zwei Senkungsperio-
den eine Hebungsperiode oder Anteperiode einſchalten. So erhalten
wir die nachſtehende Reihe von Geſchichtsperioden, welche die Ge-
ſammtheit des organiſchen Lebens auf der Erde umfaſſen (S. 306).
Das gegenuͤberſtehende Syſtem der verſteinerungsfuͤhrenden Erd-
ſchichten nennt Jhnen außer den vorher angefuͤhrten Schichtenſyſtemen
auch die untergeordneten Schichtengruppen oder Formationen, in
welche man die erſteren einzutheilen pflegt.
Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 20
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Zitationshilfe: | Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/330>, abgerufen am 26.06.2024. |